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NAHOST/1615: Palästina - Zwangsstrategien Washingtons ... (SB)


Palästina - Zwangsstrategien Washingtons ...


Nach der umstrittenen Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem im Mai kam Ende September für die Palästinenser der nächste schwere Tiefschlag aus Washington. Auf Anordnung von Chefdiplomat Mike Pompeo hat das State Department sowohl die finanzielle Unterstützung der staatlichen amerikanischen Hilfsorganisation USAID für karitative Einrichtungen im Westjordanland und Gazastreifen in Höhe von jährlich rund 200 Millionen Dollar als auch die Beteiligung der USA an der jährlichen Finanzierung des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East - UNRWA) - 350 Millionen von etwa einer Milliarde Dollar insgesamt - ersatzlos gestrichen. Die Methode, mit der US-Präsident Donald Trump den Nahost-Konflikt "lösen" will, ist klar: Sie heißt gnadenlose Erpressung der Palästinenser, während alle Wünsche Israels erfüllt werden. Von dem New York Bauunternehmer und ehemaligen Kasinobetreiber mit langjähriger Mafia-Verbindung war nichts anderes zu erwarten.

Trump rühmt sich, der Meister des Deals zu sein, aus jeder Verhandlung als haushoher Sieger hervorzugehen. Schon im Wahlkampf 2016 gegen Hillary Clinton behauptete er, den Dauerkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern mit dem "Deal des Jahrhunderts" aus der Welt schaffen zu können. Seit Trumps Einzug ins Weiße Haus Anfang 2017 sind sein Schwiegersohn und Sonderberater Jared Kushner, dessen Vater ein alter Freund des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu ist, und sein Nahost-Beauftragter Jason Greenblatt immer wieder in der Krisenregion unterwegs, um für den bis heute geheimgehaltenen Plan zu werben.

Presseberichten sowie den bisherigen Handlungen Washingtons zufolge läuft Trumps "Deal" auf eine radikale Abkehr von der Zweitstaatenlösung, welche den Osloer Verträgen und dem Friedensprozeß seit den neunziger Jahren zugrunde lag, hinaus. Diese sah ein Israel und ein Palästina vor, deren Grenzen in etwa der 1948 vorgenommenen Teilung des Territoriums zwischen Mittelmeer und dem Fluß Jordanland entsprechen sollte. Jerusalem sollte zur gemeinsamen Hauptstadt beider Staaten werden und Palästina die Kontrolle über die Gebiete, welche Israel beim Sechstagekrieg 1967 besetzte, erhalten. Die jüdischen Siedlungen auf der Westbank bestünden weiter und kämen unter palästinensische Kontrolle, was aber kein Problem wäre, denn eine enge kulturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit der beiden Staaten würde ein friedliches Miteinander beflügeln.

Die Vision von Trump und Kushner dagegen entspricht den Wünschen von Netanjahu und dessen rechtsgerichteter Regierung in Israel, in der die radikalen jüdischen Siedler stark vertreten sind. Israel bekommt ganz Jerusalem als "ewige" Hauptstadt. Mit der US-Botschaftsverlegung im Mai hat die Trump-Administration bereits Fakten geschaffen. Ein großes Problem für die Netanjahu-Regierung ist stets das Beharren der Palästinenser auf das Rückkehrrecht der Flüchtlinge, die 1948 infolge der brutalen Vertreibung durch die israelischen Streitkräfte nach Jordanien, Syrien und in den Libanon geflohen worden. Waren es ursprünglich rund 700.000, so ist die Zahl durch Nachwuchs in der Zwischenzeit auf mehr als fünf Millionen angewachsen. Diese Menschen wohnen in den drei genannten Ländern in Flüchtlingslagern und sind zum Überleben auf die Unterstützung des UNRWA, das Schulen, Krankenhäuser, Werkstätten et cetera betreibt, angewiesen.

Israel, das ohnehin die eigenen arabischen Bürger, die Nicht-Geflohenen und deren Kinder, als Fremdkörper betrachtet und sich deshalb im Juli gesetzlich zur "nationalen Heimstätte des jüdischen Volkes" erklärt hat, denkt nicht im Traum daran, die palästinensischen Flüchtlinge von damals und deren Nachwuchs wieder ins Land zu lassen. Deshalb hat Netanjahu wenige Monate nach dem Einzug Trumps ins Weiße Haus öffentlich die Idee der "Abschaffung" des UNRWA ventiliert. Seitdem spricht Kushner immer wieder von der Notwendigkeit, die Arbeit des UNRWA zu "stören". Am 28. August hat sich Trumps Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, die ebenfalls eine überzeugte Zionistin ist, für die Aberkennung des Rückkehrrechts der palästinensischen Flüchtlinge ausgesprochen. Nur drei Tage später erfolgte die plötzliche Streichung der amerikanischen Beteiligung an der UNRWA-Finanzierung, die in Diplomatenkreisen als krasser Versuch, die wichtige UN-Unterorganisation in ihrer Existenz zu gefährden, gedeutet wird.

Wer nun die fehlenden mehr als 350 Millionen Dollar schultern soll, kann oder will, ist unklar. Am 1. September berichtete die Nachrichtenredaktion des privaten israelischen Fernsehsenders Channel 2, die Trump-Administration hätte den Amtskollegen bei der Netanjahu-Regierung versichert, zusätzliche Gelder für das UNRWA seitens der schwerreichen arabischen Ölmonarchien am Persischen Golf würde es nur zu den Bedingungen Washingtons geben. Wie diese Bedingungen aussehen, ist bereits jetzt bekannt. Am 31. August berichtete Mohammed Ayesh in der Onlinezeitung Middle East Eye, Washington beabsichtige, die Zahl der "anerkannten" palästinensischen Flüchtlinge um 90 Prozent auf rund 500.000 zu reduzieren. Für Jordanien, den Libanon und Syrien - alles Staaten, die ohnehin schwerwiegende wirtschaftliche und sonstige Probleme haben - bedeutete dies, sie müßten die restlichen Palästinenser einbürgern.

Inzwischen ist bekanntgeworden, daß die USA sogar versuchen, die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) in Ramallah und die Regierung im Amman zur Gründung einer Konföderation zu drängen, die aus Jordanien und den von den jüdischen Siedlern übriggelassenen Restteilen des Westjordanlands bestünde. Bisher lehnt Jordanien den Vorschlag ab, doch wenn Trump finanzielle Anreize zur Bewältigung des Problems der Einbürgerung der palästinensischen Flüchtlinge in Aussicht stellt, willigt König Abdullah vielleicht doch noch ein.

Jedenfalls kann man nicht behaupten, daß die einseitige Durchsetzung israelischer Interessen in Nahen Osten auf Kosten der Palästinenser und der Nachbarstaaten eine ausschließliche Angelegenheit der Republikaner oder der Trump-Regierung wäre. Im Gegenteil stößt Trumps nicht abzulehnendes Angebot auf einen überparteilichen Konsens, wie ein bemerkenswertes Abendessen am 5. September in New York zeigt. Beim Dinieren im Nobelhotel Pierre haben Kushner und Haley den Stand der aktuellen Nahost-Beratungen dem Medienmogul Haim Saban, der Großspender der Demokraten und enger Freund des Ehepaars Clinton ist, und dem Hedgefonds-Manager Paul Singer, der 2016 zu den wichtigsten finanziellen Förderern Trumps gehörte, erläutert. Wie man anhand des per Twitter veröffentlichten Gruppenfotos erkennen kann, waren die beiden Oberzionisten Saban und Singer sichtlich zufrieden.

7. September 2018


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