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NAHOST/1640: Jemen - US-Involvenzen ... (SB)


Jemen - US-Involvenzen ...


Im Jemen steht offenbar ein Wiederaufflammen des Krieges bevor. Der Waffenstillstand, den die schiitischen Huthi-Rebellen bei Friedensverhandlungen Ende Dezember in Stockholm mit Vertretern der von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützten Regierung von Interimspräsident Abd Rabbu Mansur Hadi eingegangen sind, ist brüchig geworden. Entlang der inoffiziellen Grenze zwischen den von den Huthis kontrollierten Nordwesten des Jemens samt Hauptstadt Sanaa und dem unter der Herrschaft von Regierungstruppen, südlichen Separatisten, Al-Kaida-Freiwilligen sowie den saudischen und emiratischen Streitkräften stehenden Südwesten einschließlich der Hafenstadt Aden am Indischen Ozean kommt es immer wieder zu blutigen Scharmützeln.

Wie wenig Vertrauen zwischen beiden Kriegsparteien herrscht, zeigt der Umstand, daß die Huthis aus Angst vor einer Geiselnahme ihrer Abgesandten darauf insistiert haben, daß die jüngste Gesprächsrunde am 3. Februar unter der Leitung des niederländischen Generals a. D. Patrick Cammaert über die Umsetzung der Vereinbarungen von Stockholm an Bord eines von den Vereinten Nationen gecharterten Frachtschiffs im Hafen von Hudeida stattfand. Die Gespräche dort haben zu keiner Annäherung geführt. Die Huthis weigern sich, die Kontrolle über die Hafenanlage an die UNO zu geben bzw. ihre Soldaten von dort abzuziehen, weil sie zu Recht befürchten, daß die Regierungstruppen und ihre sunnitischen Verbündeten dort gleich einziehen werden. Die Ansarullah, so der offizielle Titel der Huthi-Bewegung, will nicht den Hadi-Truppen und ihren ausländischen Förderern kampflos etwas überlassen, was diese in einer monatelangen, schweren Schlacht letztes Jahr nicht haben erobern können. Schließlich ist Hudeida der letzte Zugang der Huthis zur Außenwelt. Über den Hafen am Roten Meer kommt ein erheblicher Teil jener Lebensmittel und Medikamente, die das Überleben von Millionen von Menschen im nordwestlichen Jemen sichern.

Unabhängigen Schätzungen zufolge hat der Krieg im Jemen, den Saudi-Arabien und die VAE im März 2015 vom Zaun gebrochen haben, rund 100.000 Menschen das Leben gekostet, die meisten von ihnen Kinder. 14 Millionen Menschen - etwa die Hälfte der Bevölkerung - sind aktuell vom Hungertod bedroht. In Hudeida sollen die Zustände für die noch verbliebenen Einwohner grausam sein. In einem Bericht, der am 31. Januar beim Londoner Independent erschienen ist, hieß es unter Verweis auf die jemenitische Ärztin Ashwaq Moharram, viele Menschen in der Stadt suchten Mülltonnen nach Lebensmittelresten ab, um zu überleben, während andere in ihren zerbombten Wohnungen verbluteten. In ihrer Verzweiflung griffen manche Eltern im Jemen zu sehr drastischen Maßnahmen, um an Geld für ihre Familien zu kommen: "Manche Leute haben begonnen, ihre Organe, etwa ihre Nieren, zu verkaufen. Man kann die Werbung lesen. Sie reisen nach Jordanien, Kairo oder Indien und lassen sich dort operieren", so Moharram.

Währenddessen versuchen liberale Demokraten und libertäre Republikaner im US-Kongreß Präsident Donald Trump zu zwingen, die Involvierung des Pentagons am Jemenkrieg zu beenden. Ohne Waffennachschub, Luftbetankung, Flugzeugwartung sowie Luftaufklärung amerikanischer Militärs hätten die Saudis und Emirater ihr desaströses Militärabenteuer, das ursprünglich mit einem Blitzsieg über die Huthis enden sollte, bald ins vierte Jahr geht und Riad sowie Abu Dhabi ein Vermögen kostet, längst abbrechen müssen. Des weiteren sind unter dem Vorwand des "globalen Antiterrorkriegs" US-Spezialstreitkräfte am Boden im Jemen unterwegs, während die CIA regelmäßig dort Drohnenangriffe gegen "verdächtige" Personen bzw. Personengruppen durchführt. Bei letzteren Aktionen kommen nachweislich mehr Zivilisten als "bad hombres" ums Leben.

Im Repräsentantenhaus und Senat wollen die Kritiker des Jemenkriegs Präsident Trump daran erinnern, daß der Militäreinsatz dort keine rechtliche Grundlage hat. Sie argumentieren, daß der Verweis des Weißen Hauses und des Pentagons auf die Kriegsermächtigung, die der Kongreß drei Tage nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 erteilte, für den Jemen nicht anwendbar sei. Die Chancen, daß der neue Gesetzesentwurf Bestand haben wird, liegen bei Null. Entweder wird die republikanische Mehrheit im Senat die Initiative blockieren oder Trump wird von seinem präsidialen Veto Gebrauch machen. Schließlich sind Washington die eigenen strategischen Interessen am Konflikt im Jemen viel zu wichtig, auch wenn sie eine ziemlich diffuse Mischung ergeben: Zurückdrängung des iranischen Einflusses bei den Huthis, Unterstützung Saudi-Arabiens und der VAE, die zu den wichtigsten Kunden der amerikanischen Rüstungsindustrie gehören, Kontrolle über das Horn von Afrika einschließlich der Meeresenge Bab Al Mandab zwischen Indischem Ozean und Rotem Meer, Bekämpfung von Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel, Sicherung des Zugangs zu den im Jemen vermuteten größeren Öl- und Gasvorkommen.

Für die Entschlossenheit der Amerikaner, ihre Position im Südwesten der Arabischen Halbinsel zu verfolgen und durchzusetzen - komme, was wolle -, spricht der spektakuläre Artikel, den Spencer Ackerman am 31. Januar beim Daily Beast veröffentlicht hat und der leider viel zu wenig von der internationalen Presse beachtet wurde. Der ehemalige Korrespondent der britischen Zeitung Guardian im Bereich nationale Sicherheit der USA berichtete erstmals von einer direkten Beteiligung amerikanischer Bürger an der Folter, die seit Jahren in den Geheimgefängnissen stattfindet, welche die Emirater in Aden und anderen Teilen des Südens und Ostens des Jemens betreiben.

Bereits im vergangenen Dezember hatte das Pentagon gegenüber dem Kongreß erstmals eingeräumt, daß US-Militärpersonal in den emiratischen Sondergefängnissen im Jemen mit der Gewinnung von "nachrichtendienstlichen Erkenntnissen" befaßt sei, gleichzeitig aber bestritten, daß amerikanische Bürger die Vernehmungen durchführten oder auch nur bei solchen Prozeduren anwesend wären. Spencer Ackerman hat unter Vermittlung der Menschenrechtsorganisation Reprieve mit mehreren Personen, die selbst in solchen Lagern waren, sprechen können. Ihm gegenüber haben die Opfer bezeugt, dort sowohl US-Militärangehörige in Uniform als auch amerikanische Söldner privater Sicherheitsdienstleistungsfirmen erlebt zu haben, welche die schwere Mißhandlung von Gefangenen geleitet bzw. ihr beigewohnt haben, auch wenn sie sich dabei nicht die eigenen Finger schmutzig gemacht haben. Ackermanns Zeugen, die aus naheliegenden Gründen anonym bleiben wollten, sprachen von Schlägen mit Knüppeln, Stromschlägen gegen die Genitalien, Analvergewaltigungen mit schweren Gegenständen u. v. m.. Viele Menschen dachten, nach dem Verbot der CIA-Folter "islamistischer Terroristen" durch Barack Obama Anfang 2009 fanden solche Kriegsverbrechen unter amerikanischen Beteiligung bzw. Regie nicht mehr statt. Wer dies glaubte, ist offenbar einem Irrtum erlegen.

4. Januar 2019


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