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NAHOST/1641: Irak - Bereitstand zur Schlacht ... (SB)


Irak - Bereitstand zur Schlacht ...


Mit seinem weitschweifigen Interview mit CBS News im landesweiten US-Fernsehen unmittelbar vor der Übertragung des diesjährigen Superbowl am Sonntagabend, den 3. Februar, hat Präsident Donald Trump für viel Wirbel gesorgt. Vor allem im Irak kam seine erklärte Absicht, die US-Streitkräfte, die vom Zweistromland aus die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien bekämpfen, auf Dauer dort zu belassen, um den Iran "im Auge zu behalten", nicht gut an. Seit Trump im vergangenen Mai einseitig das Atomabkommen mit dem Iran aus dem Jahr 2015 aufgekündigt hat, befürchten viele Iraker, ihr Land könnte in die Schußlinie zwischen Washington und Teheran geraten. Trumps Interview mit Moderatorin Margaret Brennan in der CBS-Sendung "Face the Nation" hat derlei Befürchtungen neue Nahrung gegeben.

Als 2003 eine angloamerikanische Streitmacht unter der fadenscheinigen Begründung, Saddam Hussein bastele an "Massenvernichtungswaffen", die er dem Al-Kaida-"Netzwerk" Osama Bin Ladens zur Verfügung stellen könnte, in den Irak einmarschierte und innerhalb weniger Wochen für ein "Regimewechsel" in Bagdad sorgte, freuten sich in den USA die Hauptpropagandisten des völkerrechtlich illegalen Kriegs bereits auf eine baldige Endabrechnung mit den "Mullahs" in Teheran. Doch der heftige Aufstand, der den Besatzern im Irak entgegenschlug, hat die Träume der Neokonservativen am Hofe George W. Bushs zunichte gemacht. 2011 haben Amerikas Iranophobe die nächste schwere Schlappe erlitten, als sich das Parlament in Bagdad weigerte, einem Stationierungsabkommen für die US-Streitkräfte zuzustimmen, weshalb diese den Irak verlassen mußten. Das hat die neokonservative Clique in Washington Barack Obama bis heute nicht verziehen, obwohl er die Entwicklung weder aufhalten noch etwas dafür konnte.

Wie es der Zufall will, war es erneut Al Kaida, die dem US-Militär die Wiederkehr in den Irak ermöglichte. 2011 stieg Al Kaida im Irak in den Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien ein, wo sie unter Führung von Abu Bakr Al Baghdadi zum schreckenerregenden IS mutierte. 2014 marschierten IS-Dschihadisten von ihrer damaligen Hochburg im Ostens Syriens aus in den Irak ein und eroberten im Sturm Mossul, die zweitgrößte Stadt des Landes. Von der Zentralmoschee Mossuls aus rief Abu Bakr im Juni jenes Jahres das Kalifat aus. Durch eine Massenaushebung aller wehrfähigen schiitischen Männer konnte im Sommer 2014 die drohende Einnahme Bagdads durch die sunnitischen Kalifatsanhänger verhindert werden. Wegen der prekären Lage nahm die damalige Regierung von Premierminister Nuri Al Maliki die Hilfe der neuen internationalen Anti-IS-Koalition an, worauf amerikanische und andere westliche Militärs wieder ins Land gelassen wurden.

Viereinhalb Jahre später gilt der IS - vor allem wegen der Anstrengungen der schiitischen Milizen und der US-Luftwaffe im Irak sowie der kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten (YPG/YPJ), der Syrischen Arabischen Armee (SAA) und der russischen Luftwaffe in Syrien - als weitestgehend besiegt. Deswegen will Trump die rund 2000 US-Militärangehörigen im syrischen Nordosten nach Hause holen, stößt mit dem Vorhaben jedoch im Kongreß sowie im Pentagon auf erbitterten Widerstand. Deswegen schlug Trump im NBC-Interview einen Kompromißkurs ein, als er anregte, die US-Truppen in Syrien könnten beim Abzug den Weg über den Irak nehmen und das Pentagon könnte die dortigen Stützpunkte nahe der syrischen Grenze benutzen, um die ganze Region zwischen Mittelmeer und Persischem Golf zu kontrollieren.

In diesem Zusammenhang spielte der US-Präsident die alte neokonservative Leier vom Iran als "weltweite Nummer eins der Terrornationen" und Quelle aller Instabilität im Nahen Osten. Er unterstellte Teheran, weiterhin nach dem Besitz von Atomwaffen zu streben, obwohl sowohl die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) als auch alle 17 US-Geheimdienste Teheran in den letzten Wochen bescheinigt haben, sich weiterhin strikt an das mit der Obama-Regierung sowie mit China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Rußland geschlossene Atomabkommen zu halten. Trump erklärte, die USA hätten bei dem westlich von Ramadi in der irakischen Provinz Anbar liegenden Stützpunkt Ain Al Assad einen so "teueren" und "großartigen" Militärstützpunkt mit "massiven Start- und Landebahnen" gebaut, daß Uncle Sam verrückt wäre, ihn zu räumen. Vor dort aus könnte man "den Iran beobachten". In dem Zusammenhang erklärte er zudem, die USA würden im Irak "bleiben", weil sie "Israel schützen müssen".

Seit Monaten drängen die Kräfte im Bagdader Parlament, auf die sich seit Oktober die neue Regierung von Premierminister Adil Abdul Mahdi stützt, angesichts der weitgehenden Niederschlagung des IS auf den raschen Abzug aller US-Streitkräfte. Wichtigste Komponente der Regierungsmehrheit Abdul Mahdis sind die Anhänger des "Radikalpredigers" Muktada Al Sadr, der seit Jahren für seinen nationalistischen, das heißt weder pro-iranischen, noch pro-amerikanischen Kurs bekannt ist, sowie die Parteien, die von ehemaligen schiitischen Milizenkommandeuren angeführt werden. Als Trump Ende letzten Jahres ohne vorherige Benachrichtigung Bagdads den amerikanischen Soldaten in Ain Al-Assad einen überraschenden Weihnachtsbesuch abstattete, wurde dies im irakischen Parlament als Akt neokolonialen Herrenmenschentums scharf kritisiert.

Das NBC-Interview Trumps hätte in Bagdad für mehr öffentliche Mißstimmung gesorgt, herrschte dort nicht eine parlamentarische Winterpause. Nichtsdestotrotz hat Präsident Barham Salim am 4. Februar auf einem Wirtschaftsforum in Bagdad erklärt, die USA dürften das irakische Territorium nicht zur Verfolgung feindlicher Absichten gegenüber dem Iran benutzen. Die Iraker hätten ein "fundamentales Interesse" an guten Beziehungen zum Iran und den anderen Nachbarstaaten; Bagdad habe den Amerikanern keine Erlaubnis erteilt, von irakischem Boden aus den Iran zu "beobachten", sondern lediglich ein bilaterales Abkommen zur Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung mit den USA unterzeichnet, so Salim.

Premierminister Abdul Mahdi erklärte am selben Tag, die USA dürften den Irak nicht als "Sprungbrett" für weitere Kriege benutzen. Hassan Karim Al Kaabi, der Vizesprecher des irakischen Parlaments, verurteilte die jüngsten Äußerungen Trumps als "flagrante und offene Mißachtung der Souveränität" des Iraks. Aus Kreisen einiger schiitischen Milizen waren Drohungen zu hören, man könnte die US-Streitkräfte bald wieder als ungebetene Besatzer betrachten und sie entsprechend behandeln. Möglicherweise wäre das im Sinne der Kriegsfalken in Washington, weil ihnen ein entsprechender Vorfall endlich den Vorwand zum großen Showdown mit der "Mullahkratie" in Teheran liefern könnte, den sie seit dem Sturz des Schahs 1979 ununterbrochen herbeisehnen.

5. Februar 2019


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