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NAHOST/1651: Iran - Wirtschaftskrieg und Subversion ... (SB)


Iran - Wirtschaftskrieg und Subversion ...


Die Wirtschaft des Irans leidet schwer unter den Banken- und Handelssanktionen, welche die USA im vergangenen Jahr nach ihrem einseitigen Ausstieg aus dem internationalen Atomabkommen mit Teheran wieder in Kraft gesetzt haben. Mit der spektakulären sowie umstrittenen Aufkündigung des 2015 von der Vorgängeradministration Barack Obama ausgehandelten Joint Comprehensive Plan Of Action (JCPOA) hat die Regierung Donald Trumps den Sturz des "Mullah-Regimes" in Teheran offiziell zum Ziel der USA erkoren. Anders ist die Aussage, die Ölexporte des Irans "auf Null" drosseln zu wollen, nicht zu verstehen. Trump, Außenminister Mike Pompeo und Nationaler Sicherheitsberater John Bolton wollen offenbar die Lebensverhältnisse im Iran dermaßen verschlechtern, daß dort die Massen gegen die eigene Führung rebellieren und es den USA erlauben, in Teheran irgendeine Marionette Washingtons an die Macht zu hieven.

Angesichts des plötzlichen Wegbrechens zahlreicher aussichtsreicher Partnerschaften vor allem mit europäischen Großkonzernen - siehe zum Beispiel den Ausstieg von Siemens, Total und Maersk aus dem Iran-Geschäft aus Angst vor drakonischen US-Strafmaßnahmen - will Teheran vor allem Syrien und den Irak als Betätigungsort für seine Unternehmen erschließen. In beiden Nachbarländern haben in den letzten fünf Jahren iranische Militärs, vornehmlich Offiziere der Revolutionsgarden, an der Niederschlagung des Aufstands der sunnitischen "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) wesentlichen Anteil gehabt. Die Iraner machen sich daher berechtigte Hoffnungen, bei der Vergabe von Großaufträgen zwecks Wiederaufbau und Beseitigung der Kriegsschäden in beiden Staaten bevorzugt behandelt zu werden.

Der internationale Währungsfonds (IWF) schätzt die Kosten des Wiederaufbaus in Syrien auf fast 400 Millionen Dollar ein. 65 Prozent dieser Summe wäre demnach allein für die Bereitstellung von dringend benötigtem Wohnraum für die heimkehrenden Flüchtlinge nötig. Und siehe da: Nach der Unterzeichnung eines bilateralen Memorandum of Unterstanding Mitte Januar will die Regierung in Damaskus ein iranisches Firmenkonsortium mit der Errichtung von 200.000 neuen Wohnungen in der Nähe der syrischen Hauptstadt beauftragen. Das berichtete am 11. März die Iranian Students News Agency (ISNA) unter Verweis auf Iraj Rahbar, Vizepräsident des Iranischen Konstruktionsverbands.

Ebenfalls am 11. März begann Irans Präsident Hassan Rohani in Begleitung einer großen Wirtschaftsdelegation einen dreitägigen Besuch im Irak. Über zwei Tage in Bagdad traf sich Rohani mit führenden Politikern und Wirtschaftsvertretern. Es wurden hierbei auch zahlreiche neue gemeinsame Industrie- und Handelsprojekte angeschoben. Hierzu gehört der Bau einer ersten Bahnverbindung zwischen der iranischen Stadt Kermanshah und der südirakischen Ölmetropole Basra. Hinzu kommen Visaerleichterungen, um den Grenzhandel anzukurbeln. Rohani erklärte, der Iran wolle China und die Türkei überholen und sich zum wichtigsten Handelspartner des Iraks entwickeln. In dieser Verbindung stellte er eine Erhöhung des bilateralen Handels von derzeit 12 Milliarden Dollar im Jahr auf 20 Milliarden in Aussicht.

Dafür stehen die Chancen gut. Allein in diesem Jahr sind im Irak 40 Messen in den verschiedenen Industriesektoren geplant. Die Iraner wollen bei allen mit eigenen Konzernen vertreten sein. Bereits jetzt erhält der Irak 20 Prozent seines Stroms aus dem Iran. Die Zusammenarbeit im Bereich Öl und Gas läuft auf vollen Touren. Am dritten Tag seines Besuchs im Irak kam Rohani in der schiitischen Pilgerstadt Nadschaf mit Ali Sistani, der höchsten geistlichen Autorität der irakischen Schiiten, der auch im Iran viele Anhänger hat, zusammen. Sistani war es bekanntlich, der im Sommer 2014 mit seinem Aufruf, alle wehrfähigen Männer mögen zur Waffe greifen, dafür gesorgt hatte, daß die damals drohende Einnahme Bagdads durch die IS-Dschihadistenarmee abgewendet werden konnte. Gegenüber Rohani bedankte sich der 88jährige Großajatollah für die Hilfe Teherans bei der Beseitigung des IS-Spuks, sprach sich für eine Verstärkung der Beziehungen beider Staaten aus, betonte aber auch das Prinzip der politischen Nicht-Einmischung sowie des gegenseitigen Respekts der jeweiligen Souveränität.

Für die Amerikaner ist der gestiegene Einfluß des Irans im Irak, den sie selbst 2003 durch den gewaltsamen Sturz des Sunniten Saddam Hussein verursacht haben, ein ständiges Ärgernis, das sie lieber früher als später beenden möchten. Hatte sich am 11. März Pompeo bei einer Rede vor versammelten Bossen der US-Ölindustrie erneut die Drosselung iranischer Energieexporte "auf Null" auf die Fahne geschrieben, so hat am darauffolgenden Tag Brian Hook, der Sonderbeauftragte für iranische Angelegenheiten im State Department, das baldige Auslaufen aller Sondergenehmigungen, mit denen Washington letztes Jahre Staaten wie Indien und Japan Restimporte aus der Islamischen Republik erlaubt hatte, angekündigt. Im vergangenen November hatte Hook die Lahmlegung der iranischen Handelsflotte durch den Entzug sämtlicher Versicherungspolicen als Möglichkeit postuliert. Am 4. März hat Israels Premierminister Benjamin Netanjahu Hooks Gedankengänge fortgesetzt und mit nicht näher definierten maritimen Erzwingungsmaßnahmen gedroht, um den US-Sanktionen gegen die iranische Öl- und Gasindustrie größtmögliche Wirksamkeit zu verleihen.

Vorstellbar wäre auch ein großangelegter Angriff auf das Stromnetz des Irans, wie ihn seit einer Woche Venezuela erlebt. Nach Meinung unabhängiger Beobachter steckt hinter dem sonderbaren Ausfall des venezolanischen Stromnetzes ein Projekt namens Nitro Zeus, das das Pentagon Mitte der Nullerjahre während der Präsidentschaft von George W. Bush entwickelt und später unter Obama perfektioniert hat. Das Projekt erinnert an Stuxnet, mit dem 2011 staatliche Hacker der USA und Israels gemeinsam die Urananreicherungsanlage des Irans in Natans lahmgelegt haben, soll aber viel größeren Ausmaßes als jener Computervirus sein. An Nitro Zeus wären "Zehntausende Militärangehörige" gleichzeitig beteiligt gewesen - so hieß es in einem Bericht der New York Times, die im November 2016 die Existenz der Millionen von Dollar teuren Operation der sogenannten "hybriden Kriegsführung" einer breiten Öffentlichkeit bekanntmachte. Doch eigentlich fußte die NYT-Recherche auf der Dokumentation "Zero Days" des preisgekrönten Filmemachers Alex Gibney über den geheimen Cyberkrieg zwischen Teheran und Washington, die ebenfalls im November 2016 auf den Berliner Filmfestspielen uraufgeführt worden war.

15. März 2019


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