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USA/1206: Israel-Lobby schüttelt Spionagevorwürfe ab (SB)


Israel-Lobby schüttelt Spionagevorwürfe ab

Klage gegen ehemalige AIPAC-Mitarbeiter fallengelassen


Wenige Wochen vor dem Antrittsbesuch des neuen israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu beim neuen US-Präsidenten Barack Obama im Weißen Haus am 18. Mai und rechtzeitig zur Jahreskonferenz des American Israel Political Affairs Committee (AIPAC), die am 3. und am 4. Mai in Washington D. C. stattfand und an der US-Vizepräsident Joseph Biden, die Hälfte aller Kongreßabgeordneten und Senatoren sowie zahlreiche ranghohe Vertreter der meisten Botschaften in der US-Hauptstadt teilnahmen, konnte die mächtige pro-israelische Lobby-Organisation einen grandiosen Sieg feiern. Am 1. Mai wurde bekannt, daß es zu dem mit Spannung erwarteten Spionageprozeß, der am 2. Juni vor dem unweit des Pentagons liegenden Bundesbezirksgericht in Alexandria, Virginia, gegen Steve Rosen, einst Director of Foreign Policy Issues bei AIPAC, und Keith Weissman, einst Senior Middle East Analyst bei AIPAC, stattfinden sollte, gar nicht erst kommen wird. Am nämlichen 1. Mai hat das Justizministerium das Gericht in Kenntnis gesetzt, daß man sich aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten auf eine Verurteilung und aus Angst vor Preisgabe von Informationen, welche die nationale Sicherheit der USA gefährden könnten, gegen eine juristische Auseinandersetzung entschieden und eine Rücknahme der Klagen beantragt habe.

Rosen und Weissman, die beide Bürger der USA sind, waren im August 2005 angeklagt worden, sich widerrechtlich geheimes Material aus dem Pentagon verschafft und es Vertretern einer "ausländischen Regierung" - gemeint ist Israel - übermittelt zu haben. Die beiden AIPAC-Vertreter waren sich keiner Schuld bewußt und haben sich erfolgreich, wie es sich nun herausstellt, gegen die Vorwürfe zur Wehr gesetzt. Mit zahlreichen Anträgen haben sie dafür gesorgt, daß der Prozeßauftakt immer wieder verschoben werden mußte. Ihre Anwälte hatten auch durchgesetzt, daß sie beim Prozeß wichtige Vertreter der Bush-Regierung, darunter die ehemalige Außenministerin Condoleezza Rice und den ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater Stephen Hadley, in den Zeugenstand laden konnten. Durch deren Befragung sollte notfalls versucht werden zu beweisen, daß die Erkenntnisse, in deren Besitz Rosen und Weissman widerrechtlich gekommen waren und die sie ohne Erlaubnis Nicht-Befugten aus dem Ausland zur Verfügung gestellt hatten, die Einstufung als streng vertraulich nicht verdienten und daß somit die beiden AIPAC-Vertreter nichts anderes gemacht hätten, als lediglich den ohnehin gut funktionierenden Informationsfluß zwischen Washington und Tel Aviv zu unterstützen.

So unschuldig, wie Rosen und Weissman sich geben, waren sie nicht - und das wissen in Washington auch alle. Darauf deutet die Tatsache hin, daß sowohl der Bericht der Online-Version der Washington Post vom 1. Mai als auch der in der Print-Ausgabe der New York Times vom darauffolgenden Tag über den Rückzieher der Staatsanwaltschaft im AIPAC-Spionagefall den Namen einer der wichtigsten Personen in dieser unsäglichen Affäre missen läßt. Man kann sich kaum eine andere Erklärung vorstellen außer der, daß die beiden einflußreichen US-Tageszeitungen eine für Rosen, Weissman und AIPAC schmeichelhafte Interpretation des überraschenden Verfahrenabbruchs präsentieren wollten, weshalb in beiden Artikeln Larry Franklin nicht erwähnt wird. Der frühere Iran-Referent im Pentagon hatte sich laut Anklageschrift spätestens 1999 als Maulwurf von Rosen und Weissman im US-Verteidigungsministerium betätigt. Gegen alle drei Männer war gemeinsam Anklage erhoben worden. Aus der Anklageschrift geht eindeutig hervor - und zwar deshalb, weil das FBI die Verdächtigen unter ständiger Beobachtung hatte und auch ihre Telefonate mitschnitt -, daß alle drei Männer wußten, daß das, was sie betrieben, illegal war.

Franklin, der ab Mitte 2004 angefangen hatte, mit dem FBI zusammenzuarbeiten, um seine AIPAC-Kumpel überführen zu lassen, hat sich nach der Anklageerhebung auf einen Deal mit der Staatsanwaltschaft eingelassen. Im Rahmen dieses Kuhhandels sollte er als Belastungszeuge gegen Rosen und Weissman auftreten. Doch dazu wird es niemals kommen. Während Franklin den Rest der 2006 gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe von mehr als zwölf Jahren verbüßen muß, sind seine beiden Mitverschwörer nicht nur ungeschoren davongekommen, sondern gelten auch bei ihren jüdischen Freunden als Helden, die zu Unrecht jahrelang des Verdachts der Illoyalität gegenüber den USA ausgesetzt waren.

Tatsächlich sind Franklin, Rosen und Weissman bis heute felsenfest davon überzeugt, daß sie den USA nicht geschadet haben. Man kann alle drei zu jener neokonservativen Clique innerhalb des außenpolitischen Establishments in Washington zählen, derzufolge die Waffenbruderschaft zwischen den USA und Israel über allem steht. Ende 2001 nahm Franklin zusammen mit Michael Ledeen vom pro-israelischen American Enterprise Institute (AEI) in Washington, Harold Rhodes, damals politischer Berater im Office of Net Assessment (ONA) im Pentagon, dem zwielichtigen iranischen Waffenhändler Manucher Ghorbanifar, dem damaligen Verteidigungsminister Italiens, Antonio Martino, und dem damaligen Chef des italienischen Militärgeheimdienstes, Nicolò Pollari, an einem mysteriösen Treffen in Rom teil, bei dem es um die Vereitelung eines Angebots der Regierung des Irans an die George W. Bushs bezüglich der Auslieferung mutmaßlicher, von den iranischen Behörden festgenommener Al-Kaida-Mitglieder, die nach dem Sturz des Taliban-"Regimes" in Afghanistan auf der Flucht gewesen waren, ging. Auf solch intrigante Weise sollte der Traum der US-Neokonservativen und ihrer Gesinnungsgenossen beim israelischen Likud von einem "Regimewechsel" in Teheran am Leben gehalten werden.

Zwischen dem 11. September 2001 und dem 19. März 2003 nahm Franklin aktiv an jener Desinformationskampagne des im Pentagon ansässigen, von Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz und Douglas Feith ins Leben gerufenen Office of Special Plans (OSP) teil, mit der der US-Bevölkerung suggeriert werden sollte, daß Saddam Hussein und das Al-Kaida-"Netzwerk" Osama Bin Ladens unter einer Decke steckten und daß die US-Streitkräfte deshalb in den Irak einmarschieren sollten. Aus der Anklageschrift gegen Franklin, Rosen und Weissman geht hervor, daß das Hauptanliegen bei deren Verschwörung war, sich Informationen zu verschaffen und in die laufende bilaterale Diskussion zwischen Washington und Tel Aviv einzuspeisen, welche dazu beitragen sollten, das Bild des Irans als inakzeptable Bedrohung des Westens zu zementieren, auf daß über kurz oder lang die USA die "Mullahkratie" in die Knie zwingen würden, wie sie es gerade mit Saddam Hussein getan hatten.

Auch wenn es hierzu bislang nicht gekommen ist, haben die Gegner eines militärisches Vorgehens der USA - mit oder ohne Israel - gegen den Iran durch den Verzicht auf den Strafrechtsprozeß gegen die beiden mutmaßlichen Spione Rosen und Weissman einen herben Rückschlag erfahren. Nach Bekanntgabe der nicht gänzlich unerwarteten Entscheidung des Justizministeriums in Washington ist AIPAC, auf dessen jüngster Jahreskonferenz die iranische "Bedrohung" natürlich Thema Nummer eins war, wieder oben auf - wofür die Überschrift des am 5. Mai in der New York Times erschienenen Artikels "At Annual Meeting, Pro-Israel Group Reasserts Clout", auf deutsch "Pro-israelische Gruppe demonstriert auf Jahrestreffen erneut ihre Schlagkraft", deutlich spricht. Ein weiterer Beleg für die Macht von AIPAC lieferte am 2. Mai die Jewish Telegraphic Agency (JTA), derzufolge es die Mitarbeiter von Obamas Justizminister Eric Holder waren, die dafür sorgten, daß die Anklage gegen Rosen und Weissman fallengelassen wurde.

Bereits im Juni 2008, am Tag, nachdem Hillary Clinton ihre Kandidatur für die Präsidentschaft der USA zurückgezogen hatte, eilte Obama, der inzwischen als Kandidat der Demokraten feststand, nach Washington und verkündete auf dem damaligen AIPAC-Jahrestreffen das Jerusalem "ungeteilt und auf ewig" die Hauptstadt Israels bleiben werde, obwohl dies nicht nur der Position der USA im Nahost-Streit, sondern auch der UN-Resolution 242 widerspricht. Demnächst kann - und wird vermutlich - Obama der pro-israelischen Lobby einen weiteren Gefallen tun, indem er vor dem Staatsbesuch Netanjahus dafür sorgt, daß dessen Nationaler Sicherheitsberater Uzi Arad wieder ein Visum zur Einreise in die USA erhält. Seit drei Jahren darf Arad, ein ehemaliges führendes Mitglied des Mossads, wegen seiner Verwicklung in die AIPAC-Spionageaffäre nicht in die USA einreisen. Damit ist erwiesen, daß Arad einer der beiden nicht namentlich genannten "Vertreter einer ausländischen Regierung" ist, die in der damaligen Anklageschrift erwähnt werden, weil Rosen und Weissman sie mit Franklin zum Informations- und Meinungsaustausch zusammengebracht hatten.

5. Mai 2009