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USA/1215: Obama in Bushs und Cheneys Geheimdienstlabyrinth gefangen (SB)


Obama in Bushs und Cheneys Geheimdienstlabyrinth gefangen

Alle reden von der CIA - was ist aber aus Rumsfelds P2OG geworden?


Fast sechs Monate nach dem Amtsantritt als US-Präsident sieht sich Barack Obama mit großen, fast unlösbaren Problemen konfrontiert. Damit sind nicht die verheerende Wirtschaftskrise, die geplante Reform des schwerfälligen, kostspieligen und enorm ineffektiven US-Gesundheitsystems, die Atomstreitereien mit dem Iran und Nordkorea, die Wiederbelebung des zum Stillstand gekommenen Nahost-Friedensprozesses oder die Bekämpfung der Erderwärmung gemeint. Im Vergleich zur Aufarbeitung der zahlreichen Rechtsbeugungen der Vorgängeradministration von George W. Bush und Dick Cheney scheinen solche Aufgaben leicht zu bewältigen zu sein. Derzeit sieht alles danach aus, als würde sich Obama, der im Wahlkampf eine Rückkehr zum Primat des Gesetzes und der Verfassung versprach, immer mehr in dem von Bush und Cheney zurückgelassenen Geheimdienstlabyrinth verirren.

Gleich nach dem Einzug ins Weiße Haus hatte Obama für seine sofort verfügte Schließung des umstrittenen Lagers Guantánamo Bay auf Kuba und der als "black sites" bekannt gewordenen, geheimen Folterkerker der CIA im Ausland viel Lob erhalten. Seitdem hat Amerikas neuer Hoffnungsträger den Menschenrechtsaktivisten eine Enttäuschung nach der anderen bereitet. Er will die umstrittenen Militärtribunale für gefangengenommene "feindliche Kombattanten" aus dem "Antiterrorkrieg" beibehalten, "Terroristen", die gefoltert worden sind und bei denen im Prozeß die Aussicht auf eine Verurteilung gering und auf eine Freilassung groß wäre, dauerhaft internieren, sowie CIA-Agenten, die Gefangene mißhandelt haben, und diejenigen Mitglieder der Bush-Regierung, die ihnen den Befehl dazu gaben, ungeschoren davonkommen lassen. Darüber hinaus setzt sich die Obama-Regierung vor Gericht energisch dafür ein, daß die Klagen der Opferfamilien vom 11. September gegen die Königsfamilie in Saudi-Arabien wegen Verwicklung in die Flugzeuganschläge aus Rücksicht auf die Beziehungen Washington-Riad nicht zugelassen und daß die Klagen von Bürgerrechtlern gegen das illegale, von Bush 2001 angeordnete Programm der National Security Agency (NSA) zur Überwachung des kompletten amerikanischen Telefon- und E-Mail-Verkehrs zurückgewiesen werden.

Bedenkt man das hysterische und zutiefst rassistische Theater, das die republikanische Opposition im Kongreß in den vergangenen Wochen zum Thema des Vorschlags Obamas nach Verlegung der letzten Guantánamo-Häftlinge in Gefängnisse auf dem amerikanischen Festland veranstaltet hat - als stellte ein solcher Schritt eine inakzeptable Bedrohung der nationalen Sicherheit dar bzw. wäre dem seit dem 11. September 2001 angeblich immer noch traumatisierten amerikanischen Volk nicht abzuverlangen -, bekommt man eine Ahnung, wie groß der politische Widerstand seitens bestimmter Teile des Sicherheitsapparats und seiner Anhänger gegen jedwede Korrektur am völlig überzogenen Anti-Terror-Kurs der Bush-Administration ist. Nicht umsonst wirft der Ex-Vizepräsident Cheney Obama in letzter Zeit immer wieder vor, durch die Freigabe bestimmter Dokumente und die geplante Schließung von Guantánamo den "Terroristen" in die Hände zu arbeiten - und damit praktisch im Kampf der westlichen Zivilisation gegen Osama Bin Ladens Al Kaida und deren vermeintliche Welteroberungspläne - Stichwort "Kalifat" - zu kapitulieren.

Der jüngste Akt dieses peinlichen Trauerspiels ist die aktuelle Kontroverse um ein geheimes Programm der CIA, das angeblich unmittelbar nach den Flugzeuganschlägen von der Bush-Regierung angeordnet wurde und deren Existenz erst vor wenigen Wochen bekannt geworden ist. Der neue CIA-Chef Leon Panetta will am 23. Juni davon erfahren haben, woraufhin er gleich am nächsten Tag die für strenggeheime Angelegenheiten zuständige Gang of Eight - die jeweils führenden Republikaner und Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat sowie in den jeweiligen Geheimdienstausschüssen beider Häuser - davon unterrichtete. Bislang scheint niemand außer den daran beteiligten CIA-Agenten, Panetta und seinen engsten Mitarbeitern, Obama und der Gang of Eight zu wissen, worum es bei dem Programm ging. Am 13. Juli berichtete Siobhan Gorman in dem Wall Street Journal, es handele sich um eine Operation zur Liquidierung führender Al-Kaida-Mitglieder im Ausland und sei von Cheney angeordnet, aber daß man niemals über die Planungsphase hinausgekommen sei.

Derzeit dreht sich der politische Streit hauptsächlich darum, daß das Weiße Haus fast acht Jahre lang und die CIA sogar nach dem Regierungswechsel in Washington die Existenz des Programms illegalerweise gegenüber der Gang of Eight geheimgehalten hat. Dies läßt die Frage aufkommen, ob sich nicht hinter den bisher bekannten Details Schlimmeres verbirgt. Die außerjuristische Liquidierung von "Terroristen" durch Organe der USA ist keine Neuigkeit. Seit Jahren fordern im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet Drohnenangriffe auf entsprechende Zielpersonen ein hohes Blutzoll - auch bzw. vor allem unter den Zivilisten. Selbst als Bill Clinton Präsident, William Cohen Verteidigungsminister und Sandy Berger Nationaler Sicherheitsberater waren, gab es bekanntlich Pläne zur Tötung Bin Ladens - entweder per Raketenangriff oder durch ein Sonderkommando der Spezialstreitkräfte -, die aber niemals ausgeführt wurden.

In diesem Zusammenhang wird in der Presse vielfach auf Äußerungen des berühmten Enthüllungsjournalisten Seymour Hersh verwiesen, der bei einer Rede im März an der Universität von Minnesota behauptete, ein von Cheney ins Leben gerufenes Tötungskommando würde sich unter falscher Identität in Länder begeben, Zielpersonen auf einer angeblichen "Terroristenliste" ausfindig machen, töten und gleich wieder verschwinden. Stimmen die Angaben Hershs, dann sind die Berichte unter anderem des Wall Street Journals, daß das Programm niemals aktiviert wurde, Schutzbehauptungen und Vertuschungsmanöver in einem. Interessant ist, daß hier alle nur von der CIA reden, wo doch ebenfalls längst bekannt ist, daß unter Bush jun. der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zusammen mit seinem engen Mitarbeiter Stephen Cambone die Sondereinheit mit Namen "Proactive, Preemptive Operations Group" (P2OG) ins Leben rief, deren Aufgabe darin bestand, "Terroristen" zu Anschlägen zu provozieren, um sie angeblich besser bekämpfen zu können.

Bereits am 27. Oktober 2002 machte der Militärexperte William Arkin in dem Los-Angeles-Times-Artikel "The Secret War - Frustrated by intelligence failures, the Defense Department is dramatically expanding its 'black world' of covert operations" die Existenz der berüchtigten P2OG bekannt. 2005 gab es nicht wenige Berichte aus dem Irak, wonach die US-Spezialstreitkräfte dort unter dem Begriff "Salvador Option" eigene Todesschwadronen zu Greueltaten anstacheln würden, um die verschiedenen religiösen und ethnischen Gruppen gegeneinander auszuspielen und den Aufstand gegen die amerikanische Truppenpräsenz im Lande niederzuschlagen. Es besteht der dringende Verdacht, daß Obama den früheren Oberbefehlshaber der U. S. Special Operations Command (SOCOM), General Stanley McChrystal, als Oberkommandierenden nach Afghanistan entsandt hat, um auch dort genau eine solche mörderische Strategie in die Tat umsetzen zu lassen.

14. Juli 2009