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USA/1240: US-Grenzschützer prügeln Mexikaner zu Tode (SB)


Eskalierende Brutalität im Umgang mit "Illegalen"


Wie aus einem im Mai veröffentlichten Bericht der National Foundation for American Policy in Washington hervorgeht, haben seit der verstärkten Abriegelung der amerikanisch-mexikanischen Grenze unter der Clinton-Administration im Jahr 1998 rund 4.000 Menschen den Versuch mit dem Leben bezahlt, ohne gültige Papiere in die Vereinigten Staaten einzureisen. Damit stirbt im Schnitt jeden Tag ein Arbeitsmigrant an dieser Demarkationslinie zwischen dem reichsten Industriestaat und seinen südlichen Nachbarn, die allenfalls den Status eines Schwellenlands erreicht haben. In jüngerer Zeit hat das erheblich verschärfte Grenzregime dazu geführt, daß die Zahl aufgegriffener "illegaler" Migranten deutlich zurückgegangen, jedoch die Zahl der Todesfälle signifikant gestiegen ist.

Die forcierte Abschottung der Südgrenze durch erhöhten Personaleinsatz, Entsendung der Nationalgarde, Ausbau der Zäune und anderen Hindernisse sowie optische und elektronische Überwachung wird ergänzt durch einen erhöhten Fahndungsdruck. Während im erweiterten Grenzgebiet Personen- und Fahrzeugkontrollen zugenommen haben, führt die Fahndungsbehörde des Grenzschutzes Razzien in Betrieben durch, in denen sie die Beschäftigung von Arbeitskräften ohne gültige Papiere oder mit gefälschten Dokumenten vermutet. Möglich ist diese repressive Umsetzung der Einwanderungspolitik nur in einem Klima um sich greifender Feindseligkeit gegen Einwanderer, die in zunehmendem Maße als Konkurrenten um die schwindenden Arbeitsplätze und Sozialleistungen wie auch als Bedrohung der eigenen Sicherheit wahrgenommen werden.

Jüngstes Opfer dieses Grenzregimes ist der Mexikaner Anastasio Hernández Rojas, der in einer Klinik San Diegos den Verletzungen erlag, die ihm Beamte des US-Grenzschutzes zugefügt hatten. Laut Befund der gerichtsmedizinischen Obduktion haben Schläge die Sauerstoffversorgung des Gehirns unterbrochen und einen Herzinfarkt verursacht, weshalb von Mordverdacht auszugehen sei. Von zahlreichen Zeugen bestätigte Schläge, Fußtritte und Anwendungen von Elektroschockwaffen haben demnach den Hirntod des Opfers herbeigeführt. [1]

Bei dem Zwischenfall, der sich am 4. Juni beim Grenzübergang San Ysidro nach Tijuana ereignete, informierte eine Frau den Grenzschutz auf mexikanischer Seite darüber, daß die US-Agenten gerade dabei seien, jemanden fast totzuschlagen. Dann gelang es dem Opfer, in einen Bereich zu kriechen, der von mexikanischem Territorium aus eingesehen werden konnte. Daraufhin konnten Dutzende Menschen beobachten, wie der auf dem Boden liegende Mann solange getreten und mit Betäubungswaffen traktiert wurde, bis seine Schreie verstummten und er sich nicht mehr bewegte.

Pedro Pablo Hernández, der Bruder des Getöteten, war mit diesem zusammen festgenommen worden. Seinen Angaben zufolge saßen beide mit Handschellen gefesselt am Boden, als Grenzschützer begannen, seinen Bruder gegen Brust und Beine zu treten. Als das Opfer schrie, sie sollten aufhören, seien sie nur noch gewalttätiger geworden, bis am Ende etwa zwanzig Leute auf ihn eingeprügelt hätten.

Bei dem Opfer handelt es sich um den 42jährigen Arbeiter Anastasio Hernández Rojas, der seit seinem vierzehnten Lebensjahr in Encanto, Kalifornien, gelebt hat. Er hinterläßt eine Frau und fünf Kinder, deren Lebensunterhalt er durch die Installation von Swimmingpools bestritten hatte. Während seine Kinder in den USA geboren und damit US-amerikanische Staatsbürger sind, galt das für ihn nicht. Er wurde bei einer Polizeikontrolle in San Diego festgenommen, dem Grenzschutz übergeben und am 1. Juni nach Mexiko deportiert, wo ihn natürlich nichts hielt. Beim Versuch, zu seiner Familie zurückzukehren, wurde er erneut verhaftet und sollte umgehend wieder abgeschoben werden, worauf sich der tödliche Zwischenfall ereignete.

Obgleich das Opfer vor zahlreichen Zeugen regelrecht totgeprügelt wurde, erklärte der US-Grenzschutz, Hernández sei gewalttätig geworden, weshalb man ihn mit Schlagstock und Taser ruhigstellen mußte. In einer vorläufigen Erklärung äußerte die Behörde ihr Bedauern über den Todesfall und verwies zugleich auf eine Untersuchung zur vollständigen Aufklärung der Vorkommnisse, deren Ergebnis man zunächst abwarten müsse. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Philip J. Crowley, erwähnte den brutalen Tötungsakt in einer Pressekonferenz, wobei er jedoch euphemistisch von der Herausforderung sprach, die Grenze auf beiden Seiten zu sichern. Man sei sich durchaus bewußt, daß jedes Jahr eine Reihe von Personen, die illegal in die Vereinigten Staaten einzudringen versuchten, dieses Unterfangen mit dem Leben bezahlten.

Menschenrechtsgruppen wiesen darauf hin, daß ihrer Erfahrung zufolge brutale Übergriffe des Grenzschutzpersonals keine Seltenheit seien, zumal Gewalt gegen Migranten ohne gültige Papiere so gut wie nie geahndet werde. Komme es doch einmal zu einer Untersuchung, werde diese intern durchgeführt, so daß keine Kontrolle durch die Öffentlichkeit möglich sei. Andrea Guerrero von der American Civil Liberties Union in San Diego erklärte, daß es für die Gewalt, die man Anastasio Hernández angetan habe, keine Rechtfertigung gebe. Dieser sei bereits durchsucht und gefesselt worden, da man ihn unmittelbar darauf an die mexikanischen Behörden übergeben wollte. Wenn derartige Grausamkeiten am hellichten Tag vor Hunderten Zeugen verübt würden, frage man sich zwangsläufig, was hinter verschlossenen Türen geschehe.

Hernández hätten nur die beiden Möglichkeiten offengestanden, entweder seine Familie und seine Wohnstätte der letzten 30 Jahren aufzugeben oder die Rückkehr über die Grenze ohne gültige Papiere zu riskieren. Bei der Vorstellung, daß Menschen wie er eine offizielle Wiedereinreise in die USA beantragen könnten und in absehbarer Zeit an die Reihe kämen, handle es sich um einen bloßen Mythos. Sie kritisierte in diesem Zusammenhang auch Präsident Obama, der die Bedingungen für Immigranten nicht verbessert und das drakonische Grenzregime nicht im mindesten entschärft habe. Den großartigen Versprechen dieser Regierung seien keine Taten gefolgt, die man in der Grenzregion spüren könnte.

Die mexikanische Bischofskonferenz stellte den Tod von Anastasio Hernández in den Zusammenhang angestachelter Ausländerfeindlichkeit, wie sie insbesondere in Arizona zum Tragen komme. Das dort verabschiedete Gesetz beauftrage die Polizei, Menschen auf bloßen Verdacht daraufhin zu überprüfen, ob sie sich mit gültigen Dokumenten im Land aufhalten. Mit solchen Verfahren ermutige man den Haß gegen hispanische Einwanderer und fördere ein Klima der Gewalt, indem man der irrtümlichen Vorstellung Vorschub leiste, es handle sich um eine Invasion, welche die einheimische Bevölkerung ihrer Möglichkeiten beraube.

Anmerkungen:

[1] Mexican immigrant beaten to death by US Border Patrol (04.06.10)
World Socialist Web Site

6. Juni 2010