Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

USA/1266: Barack Obama nach verlorenen Kongreßwahlen in Nöten (SB)


Barack Obama nach verlorenen Kongreßwahlen in Nöten

Republikaner blasen zum Sturm auf das Weiße Haus 2012


Mit der schweren Niederlage der Demokraten bei den Zwischenwahlen zum Kongreß am 2. November sind für Barack Obama schwere Zeiten angebrochen. Die Republikaner haben die Partei des Präsidenten als Mehrheitsfraktion im Repräsentantenhaus abgelöst und dasselbe Ziel im Senat nur leicht verfehlt. Für Obama wird es dadurch in den nächsten beiden Jahren sehr schwierig, seine Gesetzesinitiativen durch den Kongreß zu bringen. Es ist zu erwarten, daß die Republikaner einen obstruktionistischen Kurs einschlagen werden, um aus Obama einen sogenannten "lame duck president" zu machen, dem die Legislative durch eine Blockadehaltung den Handlungsspielraum auf ein absolutes Minimum eingeschränkt hat. Schließlich hat wenige Tage vor den Zwischenwahlen Mitch McConnell, der Anführer der republikanischen Minderheitsfraktion im Senat, erklärt, deren "wichtigstes Ziel überhaupt" in der kommenden Legislaturperiode bestünde darin, dafür zu sorgen, daß Obamas Präsidentschaft nicht länger als eine Amtszeit dauere.

Die Niederlage der Demokraten bei den Zwischenwahlen hat sich Obama selbst zuzuschreiben. Statt nach der Amtseinführung im Januar 2009 den versprochenen "Wandel" zu verwirklichen, suchte er den Konsens mit den Republikanern und hat dadurch seine wichtigsten Initiativen - Gesundheitsreform, Ankurbelung der Wirtschaft, Rückkehr zur Grundlage der Verfassung nach den Jahren des Quasi-Diktators George W. Bush - nur halbherzig verfochten. Die Kompromißbereitschaft, die Obama als erster schwarzer Präsident der USA an den Tag legen zu müssen offenbar meinte, hat ihm dennoch politisch mehr geschadet als genutzt. Viele Menschen, die ihn gewählt haben, wandten sich von ihm ab, weil er das Sonderinternierungslager Guantánamo Bay nicht geschlossen hat, die Großbanken mit Milliardensummen gerettet, aber Millionen von Arbeitslosen und schuldengeplagten Häuslebauern im Regen hat stehen gelassen und den Abzug der US-Streitkräfte aus dem Irak nur zum Teil umgesetzt, dafür aber den Krieg in Afghanistan um so energischer forciert hat. Nur weil die Wähler, die den Hoffnungsträger Obama ins Weiße Haus hievten, als sie 2008 für die höchste Wahlbeteiligung seit Jahrzehnten sorgten, am 2. November nicht zur Urne gegangen sind, haben die Republikaner ihren großen Sieg überhaupt erzielen können.

Während Obama in den beiden letzten Jahren bei dem Versuch, der Präsident aller Amerikaner zu sein, den Kontakt zur eigenen liberal-progressiven Wählerschaft verloren hat, haben die Republikaner die Zeit sinnvoller genutzt. Ohne eine Millisekunde über das Ende der Ära Bush oder die schwere Niederlage John McCains und dessen Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin bei der Präsidentenwahl nachzudenken, gingen sie noch vor der Amtseinführung Obamas zum Totalangriff über. Unterstützt von reaktionären Medien wie der Zeitschrift Weekly Standard, der Tageszeitung Wall Street Journal und dem Nachrichtensender Fox News hat die republikanische Rechte Obama rund um die Uhr als "Fremdling", als eventuell heimlichen Moslem diffamiert, der in Amerika den Sozialismus einführen wolle und international vor dem Kampf gegen den "islamischen Extremismus" à la Iran, Hamas, Hisb Allah, Taliban und Al Kaida kneife. In der Außenpolitik haben die US-Republikaner starke Unterstützung von ihrem ideologischen Kampfgefährten Benjamin Netanjahu erfahren, der als israelischer Premierminister alles getan hat, um die Bemühungen Washingtons um einen gerechten Frieden im Nahen Osten zu torpedieren und Obama als unerfahrenen Hampelmann erscheinen zu lassen.

Angesichts der schwierigen Lage, in der sich Obama in den kommenden beiden Jahren befinden wird, fehlt es nicht an Vorschlägen, wie der demokratische Parteichef das Ruder herumreißen, das Land wieder hinter sich bringen, die amerikanische Wirtschaft auf die Beine stellen und die eigene Wiederwahl 2012 sichern kann. Den ungewöhnlichsten wie zugleich abstoßendsten Vorschlag machte David Broder am 31. Oktober in seiner Kolumne in der Sonntagsausgabe der regierungsnahen Washington Post. Allen Ernstes empfahl Broder, Obama solle sich mit dem Iran anlegen, dessen Atomprogramm zur größten Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA aufbauschen, und, sollte Teheran nicht klein beigeben, einen Krieg mit der Islamischen Republik riskieren. Auf diese Weise könnte Obama die Republikaner in Sachen Patriotismus überholen und gleichzeitig durch Großaufträge an die Rüstungsindustrie für eine spürbare Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Die Anregung Broders ist nicht nur kriminell, sondern zeugt von mangelndem ökonomischen Sachverstand. Der wirtschaftliche Nutzen eines Krieges ist nicht automatisch, sondern ergibt sich nur in Zusammenhang mit anderen Faktoren - z.b. daß er nicht ausartet, zu lange dauert oder verlorengeht.

Um die Wiederwahl 2012 zu gewährleisten, wäre Obama besser beraten, statt einen Krieg mit dem Iran zu beginnen, ein Ende der Eiszeit zwischen Washington und Teheran herbeizuführen. Dies käme der Position der Amerikaner im Irak und in Afghanistan zugute. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den USA und dem Iran wäre für beide Seiten von großem Nutzen. Darüber hinaus könnte Washington durch eine Normalisierung der Beziehungen zu Teheran verhindern, daß China den kompletten Zugriff auf die Öl- und Gasreserven des Irans erlangt. Natürlich müßte Obama einiges riskieren, um die Iran-Politik der USA von Feindschaft auf Freundschaft umzustellen. Doch wenn schon die republikanische Lichtgestalt Ronald Reagan einen heimlichen Deal mit Ajatollah Khomeini zustande bringen konnte, um die Wahl 1980 gegen den amtierenden, demokratischen US-Präsidenten Jimmy Carter zu gewinnen - hierfür war es erforderlich, daß Teheran die als Geiseln genommenen US-Botschaftsangehörigen nicht vor der Wahl freiließ -, gibt es im Prinzip keinen Grund, warum Obama und Mahmud Ahmadinedschad nicht das Kriegsbeil begraben sollten. Signale der Bereitschaft dazu hat es seitens Ahmadinedschads in den beiden letzten Jahren genug gegeben.

6. November 2010