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USA/1283: Obamas Libyenkrieg löst kontroverse Debatte aus (SB)


Obamas Libyenkrieg löst kontroverse Debatte aus

Begeisterung für den Anti-Gaddhafi-Feldzug hält sich in Grenzen


Das Eingreifen der NATO-Verbündeten Großbritannien, Frankreich und USA in den libyschen Bürgerkrieg hat im Washingtoner Kongreß und den amerikanischen Medien eine heftige Kontroverse ausgelöst. Auch wenn niemand ein gutes Wort für den libyschen Machthaber Muammar Gaddhafi einlegt, gibt es nicht wenige Politiker und Kommentoren, die meinen, Präsident Barack Obama habe mit dem Einsatzbefehl seine Kompetenzen als Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte überschritten. Die meisten Beobachter machen sich Sorgen, daß sich die USA nach Afghanistan und dem Irak nun in einen dritten Krieg in einem muslimischen Land verwickeln, und hoffen, daß die Militäroperation schnell vorbei ist.

Als Ende Februar die Auseinandersetzung in Libyen zwischen Zentralregierung und Opposition eskalierte, waren es die neokonservativen Mitglieder der republikanischen Opposition und Befürworter der humanitären Interventionen bei Obamas Demokraten, die für ein Eingreifen der "internationalen Gemeinschaft" plädierten, um die libysche Zivilbevölkerung vor Übergriffen der Gaddhafi-Truppen zu schützen. Diese beiden Gruppen, die von dem Vietnamkriegsveteranen und langjährigen Senator John McCain bei den Republikanern und Außenministerin Hillary Clinton bei den Demokraten am besten verkörpert werden und die zusammen die große Mehrheit im Kongreß stellen, sind mit der Entscheidung Obamas zur Kriegsbeteiligung höchst zufrieden.

Auf den Fall, daß das ganze Unternehmen zu einer langwierigen Sache wird, bereiten sich die McCain-Republikaner schon vor, indem sie Obama Vorhaltungen machen, er hätte früher eingreifen sollen, als die Rebellen noch auf dem Vormarsch waren, denn da wäre das Gaddhafi-"Regime" kollabiert und hätte nicht die Gelegenheit gehabt, sich zu stabilisieren und die Aufständischen zurückzuschlagen. Bei den "Blue Dogs", wie die konservativen Demokraten der "Mitte" genannt werden, ist man voll des Lobes für das umsichtige Vorgehen des eigenen Parteivorsitzenden und die Art und Weise, wie er die europäischen und arabischen Verbündeten einband, vorher eine Mandatierung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einholte und nach rund einer Woche Bomben- und Raketenangriffe die nominelle Führung von Operation Odyssey Dawn an die NATO abgab.

Was die Frage des möglichen Verstoßes gegen die US-Verfassung betrifft, so sind sich fast alle einig, daß sich Obama einen solchen geleistet hat. Die Kriegsbefürworter beider großen Parteien sehen jedoch darüber hinweg und meinen, die Situation in Libyen hätte sich so rasch zum Schlechteren entwickelt, daß der Präsident keine Zeit gehabt hätte, vorher die Zustimmung des Kongresses einzuholen, und einfach hätte handeln müssen, um Menschenleben zu retten und einen zweiten Völkermord wie 1996 in Ruanda zu verhindern. Der kleine Haufen linker Kritiker des Einsatzes, zu dem auch Dennis Kucinich, demokratischer Kongreßabgeordneter aus Ohio, gehört, empört sich zwar über die Eigenmächtigkeit des Präsidenten und vergleicht ihn mit seinem republikanischen Vorgänger George W. Bush, hält jedoch aus parteipolitischen Erwägungen ein Amtsenthebungsverfahren für nicht angebracht.

Am rechten Rand bei den Republikanern gibt es einen Streit zwischen libertären Kriegsgegnern wie dem texanischen Abgeordneten Ron Paul, die prinzipiell gegen den Einsatz der US-Streitkräfte außer im strikten Fall der Landesverteidigung sind und im überbordenden Engagement des Pentagons im Ausland alle Merkmale imperialer Überdehnung und einen wichtigen Grund für die explodierenden Staatsschulden Amerikas zu erkennen meinen, und den Bellizisten, die für jede Demonstration der militärischen Macht der USA zu haben sind. Die Kriegsfalken begrüßen das Vorgehen gegen Gaddhafi, wollen, daß es noch energischer vonstatten geht, und hoffen heimlich, daß die Sache Obama über den Kopf wächst. Das würde die Chancen ihrer Anführer, des ehemaligen Sprechers der Republikaner im Repräsentantenhaus, Newt Gingrich, und der ehemaligen Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, Obama bei der Präsidentenwahl 2012 zu schlagen, erhöhen.

Mit der Intervention in Libyen, dem ersten vom ihm persönlich initiierten Kriegeinsatz der US-Streitkräfte, hat Obama jedenfalls alle zum Verstummen gebracht, die seit zwei Jahren meinen, er eigne sich nicht zum Präsidenten, da er angeblich nicht an Amerika als "unverzichtbare Nation" glaube, die von Gott das Recht erhalten habe, sich zwecks Verbreitung der westlichen Zivilisation überall auf der Welt einzumischen. Deswegen hat Roger Cohen, ein einflußreicher Kolumnist der New York Times, in deren Ausgabe vom 1. April geschrieben, durch den Eintritt für Amerikas "Werte" in Libyen habe Obama seine Wiederwahlchancen für 2012 gesteigert. Etwas nüchterner brachte Stephen Walt, Nestor der Schule der außenpolitischen "Realisten" in den USA, in einem am 29. März auf seinem Blog auf der Website der Zeitschrift Foreign Policy erschienen Kommentar zu Obamas Rede an die Nation zum Thema Libyen am Abend davor die Sache auf den Punkt. Die blumige Begründung des Präsidenten für sein nordafrikanisches Militärabenteuer sei letztlich nicht so wichtig; für Obama komme es darauf an, daß das ganze Unternehmen von Erfolg gekrönt wird und als solches von der Welt anerkannt werde, so Walt.

2. April 2011