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USA/1307: Iranischer "Terrorkomplott" entpuppt sich als Charade (SB)


Iranischer "Terrorkomplott" entpuppt sich als Charade

Obama-Regierung verspielt den letzten Rest Glaubwürdigkeit der USA


Mit unverhohlener Skepsis haben die meisten Nahost-Experten in den USA auf die am 11. Oktober von Justizminister Eric Holder und FBI-Chef Robert Mueller erfolgte Bekanntgabe der Vereitelung eines iranischen Komplotts zur Ermordung des saudischen Botschafters in Washington, Adel Al Jubeir, reagiert. Das vernichtendste Urteil fällte Michael Scheuer, der früher die CIA-Abteilung zur Bekämpfung des Al-Kaida-"Netzwerkes" Osama Bin Ladens leitete und inzwischen als Sicherheitsanalytiker, Buchautor und Kommentator arbeitet. Bei einem Auftritt in der Sendung "Freedom Watch" des ehemaligen Richters Andrew Napolitano beim Nachrichtensender Fox Business am 14. Oktober vertrat Scheuer die Ansicht, der 56jährige Gebrauchtwagenhändler Manssor Arbabsiar aus Texas, der im Namen der Kuds-Brigade der iranischen Revolutionsgarden ein mutmaßliches Mitglied des mexikanischen Drogenkartells Los Zetas für das Attentat auf Al Jubeir angeheuert haben soll, sei vom FBI in eine regelrechte Falle hineinmanövriert worden. Tatsächlich war der mexikanische Drogenhändler mit dem Codenamen CS-1 ein Informant der US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA.

Scheuer verwies auf die Dürftigkeit der bisher vorgelegten Beweise, aus denen weder eindeutig hervorgeht, daß die Idee zum "Terrorkomplott" von Arbabsiar kam noch daß dieser im Auftrag der iranischen Revolutionsgarden im mexikanischen Drogenmilieu überhaupt unterwegs gewesen ist. Entgegen den von Präsident Barack Obama, Vizepräsident Joseph Biden, Außenministerin Hillary Clinton und der UN-Botschafterin Susan Rice an die Adresse Teherans in den vergangenen Tagen gerichteten Vorwürfen und Drohungen ist bis heute unklar, wer sich hinter Arbabsiars vermeintlichem Kontaktmann im Iran, Gholam Shakuri, verbirgt und ob dieser überhaupt der Kuds-Brigade der Revolutionsgarden angehört. Arbabsiar soll gegenüber CS-1 damit geprahlt haben, mit Abdul Reza Shahlai, einem stellvertretenden Kommandeur der Kuds-Brigade, verwandt zu sein. Ob dies auch zutrifft, weiß der Außenstehende nicht. Was man aber schon weiß und worauf Gareth Porter in einem am 18. Oktober beim Inter Press Service erschienenen Artikel abgehoben hat, ist, daß die US-Behörden in den vergangenen Jahren mehrmals versucht haben, Shahlai die Verantwortung für irgendwelche Anschläge auf amerikanische Truppen im Irak anzuhängen, ihre Vorwürfe jedoch niemals mit harten Fakten belegen konnten. Nichtsdestotrotz hat nach Aufdeckung des "Chevrolet-Komplotts" um die beiden Angeklagten Arbabsiar und Shakuri das Finanzministerium in Washington Wirtschaftssanktionen gegen Shahlai und die beiden angeblich mitverwickelten Kuds-Kommandeure Qasem Soleimani und Hamed Abdollahi verhängt.

Während seines erfrischend unverblümten Dialogs mit dem Fox-Moderator Napolitano hat Scheuer jedenfalls die Mordverschwörung gegen Al Jubeir als Hirngespinst abgetan und die naheliegende kriminaltechnische Grundfrage gestellt, wem die ganze Geschichte nutzt, um sie gleich selbst zu beantworten. Wer das Komplott bzw. seine Aufdeckung inszeniert habe, wolle einen Krieg zwischen dem Iran und den USA provozieren, so Scheuer. Er erklärte, der Iran könne kein Interesse an einer solchen Entwicklung haben, und richtete statt dessen den Zeigefinger auf die Israelis, die Saudis und die pro-israelischen Kräfte im US-Kongreß. Er widersprach diametral der in Washington herrschenden Doktrin mit der Feststellung, "sowohl Israel als auch Saudi-Arabien sind weitaus gefährlichere Feinde der USA als der Iran". Dessen ungeachtet wäre seiner Ansicht nach "der Kongreß auf einen Krieg mit dem Iran verrückt" - ein Umstand, den Scheuer auf die Tatsache zurückführte, daß zahlreiche Volksvertreter auf dem Kapitol "in der Tasche" Israels steckten. In diesem Zusammenhang nannte er namentlich die republikanischen Senatoren John McCain und Lindsay Graham sowie deren parteilosen, einst demokratischen Senatskollegen Joseph Lieberman, die sich im Kongreß seit Ausbruch der diplomatischen Krise zwischen Washington und Teheran als die eifrigsten Befürworter militärischer Strafmaßnahmem gegen die "Mullahs" hervortun.

In einem aufschlußreichen Artikel, der am 14. Oktober bei Gulf News erschienen ist, hat der langjährige, britische Nahost-Korrespondent Patrick Seale unter Verweis auf den Besuch des US-Verteidigungsministers Leon Panetta elf Tage zuvor in Tel Aviv davon berichtet, daß in den vergangenen Wochen "innerhalb militärischer und geheimdienstlicher Kreise in Israel intensive Diskussionen darüber stattgefunden haben, ob man einen Militärschlag auf die iranischen Nuklearanlagen durchführen sollte oder nicht". Laut Seale müßte eine solche Operation noch vor Einsetzen des Winters durchgeführt werden; die Nachricht von besagten Diskussionen in Israel hätten "in Washington und einer Reihe europäischer Hauptstädte Alarm ausgelöst".

Das große Theater um die Aufdeckung des wenig überzeugenden "Chevrolet-Komplotts" infolge der FBI-DEA-Operation "Red Coalition", in die Obama seit Juni eingeweiht gewesen sein soll, läßt befürchten, daß der Ex-CIA-Chef Panetta bei seinem jüngsten Aufenthalt in Israel der Regierung Benjamin Netanjahus grünes Licht für einen Angriff auf den Iran erteilt hat. Vor diesem Hintergrund erscheint die Meldung der pakistanischen Tageszeitung Ummat vom 17. Oktober, wonach Ababsiar bereits vor drei Monaten im Rahmen einer Mossad-Operation namens "Foss Fling" mit gefälschten Ausweisen ausgestattet wurde, nicht unwichtig zu sein. Als Quelle der brisanten Information, deren Wahrheitsgehalt sich auf Anhieb nicht ermitteln läßt, dafür jedoch von der Presse im Nahen Osten und Südasien vielfach kolportiert wurde, gab Ummat ein nicht namentlich genanntes Mitglied des pakistanischen Geheimdienstes Inter-Services Intelligence Directorate (ISI) an.

Hinzu kommen Berichte im Internet, wonach Arbabsiars angeblich im Iran befindlicher Komplize Shakuri gar kein Kuds-Brigadist der Revolutionsgarden ist, sondern aus den Reihen der teheranfeindlichen Volksmudschaheddin (MEK) stammt, die in den letzten Jahren vor allem als verlängerter Propagada-Arm des Mossads in Erscheinung treten und deshalb - obwohl vom US-Außenministerium offiziell als "terroristische Organisation" geführt - im Kongreß in Washington eine immer größer werdende Schar von Bewunderern vorweisen können. Jedenfalls hat am 17. Oktober die private iranische Mehr News Agency (MNA) von Erkenntnissen der Interpol berichtet, wonach Shakuri ein ranghohes MEK-Mitglied ist, das häufig mit gefälschten Pässen, darunter iranischen, international zugange ist und zuletzt in Camp Ashraf, dem MEK-Stützpunkt im Irak, und in Washington gesichtet worden sein soll. In dem Mehr-Bericht hieß es dazu konkret, einer der von Shakuri verwendeten Reisepässe sei am 30. Oktober 2006 in der US-Hauptstadt Washington ausgestellt worden und trage die Nummer K10295631.

18. Oktober 2011