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USA/1323: Mitt Romney bekennt sich zur Imperialvision der Neocons (SB)


Mitt Romney bekennt sich zur Imperialvision der Neocons

Republikaner sehnen sich nach der Rückkehr amerikanischer "Größe"



Weniger als einen Monat vor der US-Präsidentenwahl am 6. November liefern sich der demokratische Amtsinhaber Barack Obama und sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney laut Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Um die eigenen Siegeschancen zu erhöhen hat Romney am 8. Oktober eine Grundsatzrede zum Thema Außen- und Sicherheitspolitik, einem Feld, auf dem er wenig vorzuweisen hat, gehalten. Beim Auftritt am Virginia Military Institute hat sich der ehemalige Gouverneur von Massachusetts offen zur imperialistischen Politik der Neokonservativen bekannt - und wird dafür von deren zahlreichen Gewährsmännern und -frauen im konservativen Teil der US-Medien groß gefeiert.

Ende des Sommers schien es, als wäre der Kampf um den Einzug ins Weiße Haus bereits gelaufen. Durch unkluge Äußerungen hatte sich Romney selbst ins Abseits gestellt. Eine unhöfliche und überzogene Kritik an der Organisationsfähigkeit der Briten bei einem Besuch in London im Vorfeld der Olympischen Spiele ließ starke Zweifel an Romneys Eignung für die Rolle als Staatsmann aufkommen. Die Mitte September erfolgte Veröffentlichung eines Videomitschnitts, in dem der Investmentbanker vor republikanischen Großspendern die unteren 47 Prozent der US-Bevölkerung als nutzlose Empfänger staatlicher Hilfe abtat, diskreditierte ihn in den Augen vieler Wähler. Seitdem jedoch legte der bekennende Mormone in den Umfragen eine beeindruckende Aufholjagd hin, wofür es mehrere Gründe gibt.

Allen voran befindet sich die US-Wirtschaft in einer tiefen Krise. Die Ursachen sind vielfältig und reichen weit zurück. Dennoch lassen die trüben Aussichten für Amerikas arbeitende Bevölkerung - die hohe Arbeitslosigkeit, der eingebrochene Immobilienmarkt, die fallenden Löhne u. v. m. - bei vielen Menschen die Frage aufkommen, ob vier Jahre Obama als Präsident genug sind und ob nicht unter Romney ein Ende der tiefen Rezession zu erreichen wäre. Seinerseits weckt Romney mit wilden Versprechungen genau solche Hoffnungen. Während Obama immerhin zugibt, daß weitere Steuererhöhungen und Kürzungen staatlicher Ausgaben erforderlich sein werden, um den US-Staatshaushalt zu sanieren, versucht Romney den Wählern weiszumachen, Steuerkürzungen und eine Erhöhung der Militärausgaben würden Amerika zu alter Größe verhelfen.

Seit dem Überfall auf das US-Konsulat im libyschen Benghazi am 11. September, bei dem der amerikanische Botschafter Christopher Stevens ums Leben kam, und dem Ausbruch von Protesten in der muslimischen Welt gegen ein in den USA gedrehtes Mohammed-Schmähvideo werfen die Republikaner Obama vor, eine völlig verfehlte, angeblich zu nachsichtige Politik im Nahen Osten zu verfolgen. Sie tun so, als hätte Obama - entweder weil er blauäugig oder ein heimlicher Moslem sei - einen schweren strategischen Fehler begangen, als er 2011 Ägyptens Präsident Hosni Mubarak und Tunesiens Staatschef Ben Ali fallen ließ und damit die Moslembruderschaft in Kairo und Tunis an die Macht verhalf. Sie behaupten er hätte in der Libyenkrise zu zaghaft reagiert und verweigere derzeit den Rebellen in Syrien die notwendige Unterstützung, um das "Regime" Bashar Al Assads zu stürzen.

All diese Argumente und mehr hat Romney bei seiner außenpolitischen Grundsatzrede am Virginia Military Institute (VMI) zum Besten gegeben. Darüber hinaus hat er Wladimir Putin erneut als überragenden Bösewicht der internationalen Politik dargestellt und eine "unflexible" Haltung gegenüber Rußland angekündigt. Er trat für ein energisches Vorgehen der USA in der Syrienkrise ein und sparte nicht mit Drohungen gegenüber dem Iran, der wegen seines angeblich existierenden, geheimen Atomwaffenprogramms derzeit von der israelischen Regierung Benjamin Netanjahu und konservativen Teilen der US-Medien zur größten Bedrohung der Menschheit aufgebauscht wird. Romney wollte Obama nicht einmal zugute halten, den Erzfeind der USA, Osama Bin Laden, zur Strecke gebracht zu haben - von Muammar Gaddhafi einmal ganz abgesehen -, sondern verbuchte dies als alleinige Leistung von Amerikas Militärhelden in Uniform.

Seit vier Jahren nörgeln die Republikaner an Obama herum, weil die USA unter seiner Präsidentschaft mit den anderen Staaten gemeinsam die Probleme der Welt zu lösen versuchen, statt einfach die Marschroute zu diktieren. Damit leugnet Obama die "Einzigartigkeit" der USA und ihrer "geschichtlichen Mission" heißt es seitens Politikern vom Schlage des republikanischen Senators John McCain und der ehemaligen Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin. Entsprechend jenes verkorksten und überholten Weltbildes erklärte Romney bei seiner VMI-Rede, die Nahostpolitik der USA müsse auf folgende "Grundsatzprinzipien" basieren: "Amerika muß Vertrauen in der eigenen Sache, Klarheit in seinem Zielbewußtsein und Entschlossenheit an der Ausübung seiner Macht haben".

Im Grunde genommen ist das, was Romney den US-Wählern als außenpolitische Vision bietet, die altbekannte, neokonservative "Politik der Stärke", die Kriegsgegner seit den Tagen Ronald Reagans mit dem Slogan " "Frieden schaffen durch bessere Waffen" verspotten und die George W. Bush einst als "Vorwärtsstrategie der Freiheit" in die Welt hinaustrug. Folglich überrascht es wenig, daß die Neocons Romney nun in den Himmel loben. In einer Twitter-Meldung bezeichnete Donald Rumsfeld, der jahrelang für das Besatzungschaos der USA im Irak hauptverantwortlich war, die Rede Romneys als "großartig" und "umfassend". Der frühere Pentagonchef pries Romney dafür, erkannt zu haben, "daß Amerikas Rolle in der Welt die eines Anführers und nicht eines Spektators" sein müsse.

John Bolton, unter Bush jun. US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, meinte, nur Romney, der das Prinzip "Frieden durch Stärke" verstehe, könne den "gefährlichen Niedergang", den Amerika unter Obama angeblich erleidet, stoppen und ins Gegenteil verkehren. Bolton, der wegen seiner undiplomatischen Verbalausfälle gegenüber den Vertretern vermeintlicher "Schurkenstaaten" den Spitznamen "Bonkers" - "bekloppt" - trägt, wird seit Monaten als aussichtsreichster Kandidat für den Posten des Außenministers im Kabinett Romney gehandelt. Man kann nur hoffen, daß Obama doch noch als Präsident wiedergewählt wird, damit Amerika und dem Rest der Welt eine solche grauenhafte Personalie erspart bleibt.

11. Oktober 2012