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USA/1324: CIA-Chef David Petraeus tritt wegen Sex-Skandals zurück (SB)


CIA-Chef David Petraeus tritt wegen Sex-Skandals zurück

Plauderte Laura Broadwell den Grund für den Benghazi-Angriff aus?



Daß der Rücktritt David Petraeus' als Direktor der Central Intelligence Agency der erste große Personalwechsel nach Barack Obamas gelungener Wiederwahl am 6. November als US-Präsident sein würde, damit hat in Washington wirklich niemand gerechnet. Erst vor vierzehn Monaten hatte Amerikas Lieblingsgeneral von Leon Panetta, der seinerseits Roberts Gates als Verteidigungsminister gefolgt war, den Posten des CIA-Chefs übernommen. Ähnlich Hillary Clinton, die Obama während der zweiten Amtszeit nicht mehr als Außenministerin zur Verfügung stehen wird, soll Panetta ebenfalls im kommenden Jahr das Pentagon verlassen und in Rente gehen, weshalb Petraeus noch am 8. November im US-Onlineportal The Hill als möglicher künftiger Verteidigungsminister gehandelt wurde. Riesengroß war deshalb in Politik und Medien der USA die Überraschung, als am 9. November der Vier-Sterne-General a. D. bekanntgab, das Weiße Haus habe seinen Rücktritt, zu dem er sich wegen einer außerehelichen Affäre gezwungen sehe, angenommen.

Auf dem Kapitol herrschte zunächst Enttäuschung. Dort wurde Petraeus bis zuletzt als derjenige verehrt, der den Krieg im Irak für die US-Streitkräfte durch eine kräftige Truppenaufstockung - die sogenannte "Surge" - gewonnen hatte. Übersehen wurde und wird bis heute die Tatsache, daß Petraeus 2005 bis 2007 die Aufständischen im Irak nicht militärisch im klassischen Sinne, also im Feld, bezwang, sondern sie einerseits durch gigantische Geldsummen zum Ablassen von Angriffen auf die US-Soldaten bestach und andererseits sunnitische und schiitische Milizen mit Hilfe von General Stanley McChrystal und den US-Spezialstreitkräften durch gezielte Anschläge dazu brachte, sich gegenseitig abzuschlachten.

Als Petraeus und McChrystal 2010 mit der Unterstützung von Gates und dem damaligen Generalstabschef Admiral Michael Mullen den frischgewählten, und militärisch vollkommen unerfahrenen Obama zu einer ähnlichen Truppenaufstockung in Afghanistan überredeten, wurden ganz schnell die Grenzen des angeblich neuen Aufstandsbekämpfungsaufsatzes der US-Generalität sichtbar. Wegen mangelnden Erfolges mußte die NATO schon Ende 2011 den Abzug ihrer Truppen für 2014 beschließen. Wegen der zunehmenden Insider-Angriffe auf ausländische Soldaten infolge der Unterwanderung der neuen afghanischen Armee und Polizei durch die Taliban bestehen große Zweifel, ob die NATO ab 2015, wie geplant, die "Verantwortung für die Sicherheit" am Hindukusch an die afghanischen Streitkräften wird übergeben können.

Dessen ungeachtet brachte Dianne Feinstein, die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des US-Senats, die Reaktion ihrer Kollegen ganz gut auf den Punkt, als sie in einer eigenen Stellungnahme voller Pathos erklärte, sie hätte den moralisch tief gesunkenen Petraeus "den Rücken gestärkt" und ihn dazu gedrängt, weiter im Amt zu bleiben. Die Demokratin aus San Francisco lobte den Ehebrecher wegen seines "Patriotismus" sowie seines "intellektuellen Scharfsinns". Sie respektiere die Entscheidung von Obama, Petraeus' Rücktritt anzunehmen, wünsche sich aber, er hätte es nicht getan, so Feinstein. Seinerseits erklärte der republikanische Senator und Vietnamveteran John McCain, der in Sachen Krieg von allen im US-Kongreß stets am meisten zu verstehen meint, Petraeus gehöre in die "Reihe der größten Militärhelden Amerikas", seine "Genialität" hätte für den "Erfolg" der "Surge" im Irak gesorgt.

Unbeeindruckt von der ganzen Stilisierung von Petraeus zum tragischen Helden fragen sich nicht wenige Beobachter, ob im aufgeklärten 21. Jahrhundert wirklich ein läppischer Seitensprung der wahre Grund für den Rücktritt des CIA-Chefs gewesen sein kann. Medienberichten zufolge war die Affäre zwischen dem 60jährigen Petraeus und seiner 20 Jahre jüngeren Biographin Laura Broadwell - beide verheiratet mit Kindern - im Zuge einer FBI-Ermittlung bekanntgeworden. Broadwell soll letztes Jahr per E-Mail mehrere Drohbriefe an eine mögliche Rivalin Jill Kelly geschickt haben. "Bleib meinem Kerl fern", soll es in einer der elektronischen Mitteilungen Broadwells geheißen haben. Die 37jährige Kelly, die in Florida wohnt und Petraeus aus dessen Zeit als Oberbefehlshaber der US-Spezialstreitkräfte, die im Sonnenstaat ihr Hauptquartier hat, kennt, soll deswegen die US-Bundespolizei eingeschaltet haben.

Im Zuge er Ermittlungen gegen Broadwell, die über mehrere Monaten gingen, soll das FBI auf die wahre Natur des Verhältnisses zwischen Petraeus und der ehemaligen West-Point-Absolventin gestoßen sein. Das wäre angeblich kein großes Thema gewesen, hätte das FBI nicht gleichzeitig herausgefunden, daß Broadwell Zugang zum privaten Gmail-Konto des CIA-Chefs und vertrauliches Regierungsmaterial auf ihrem eigenen Computer besaß. Daraus ergab sich eine Gefährdung der nationalen Sicherheit. Nichtsdestotrotz dauerte es angeblich bis zum Wahlabend, ehe FBI-Ermittler James Clapper, den Director of National Intelligence (DNI) und damit Koordinator aller US-Geheimdienste, über besagte Sicherheitslücke informierten. Der soll Petraeus am 7. November zu sich bestellt und ihm den Rücktritt nahelegt sowie am nächsten Tag Obama, nach dessen Rückkehr aus Chicago, über die jüngste Entwicklung in Kenntnis gesetzt haben. Daraufhin kam es am selben Abend im Weißen Haus zum entscheidenden Tête-à-tête zwischen dem alten und neuen Präsidenten und seinem scheidenden CIA-Chef.

Einige Beobachter fragen sich, ob der Rücktritt von Petraeus nicht doch in Verbindung mit dem Überfall auf das US-Konsulat in Benghazi, bei dem libysche Islamisten Botschafter Christopher Stevens und drei seiner Mitarbeiter töteten, steht. Über den Vorfall erhitzen sich vor allem in rechten Politkreisen der USA die Gemüter. Die Republikaner im Kongreß und ihre ideologischen Kampfgefährten beim Nachrichtensender Fox News und anderen konservativen Medien werfen Obama und Clinton vor, das Konsulat unzureichend gesichert, Stevens in Stich gelassen und die US-Öffentlichkeit über die wahren Hintergründe des Überfalls belogen zu haben, um nicht zugeben zu müssen, daß die Unterstützung Washingtons für den "Arabischen Frühling" vollkommen aus dem Ruder gelaufen sei.

Stephens, der Arabisch und Persisch sprach, soll letztes Jahr bei der NATO-Militärintervention in Libyen die Zusammenarbeit mit den Aufständischen koordiniert haben. Nach dem Sturz und der Ermordung Muammar Gaddhafis im Oktober 2011 soll er den Transport von islamistischen Kämpfern und Waffen aus den Arsenalen der früheren libyschen Streitkräfte auf dem Seeweg in die Türkei und von dort nach Syrien koordiniert haben. Im Zuge der Berichterstattung über den Überfall auf das US-Konsulat stellte sich heraus, daß die CIA in der ostlibyschen Al-Kaida-Hochburg auch eine umfangreiche Geheimstation mit rund zwei Dutzend Mitarbeitern unterhielt. Weswegen die Ansar Al Scharia beide Objekte angriffen hat, wo ihnen doch die CIA beim Sturz Gaddhafis half und beim Krieg gegen die Truppen Baschar Al Assads in Syrien heute noch hilft, ist unklar.

Möglicherweise hat Broadwell die Antwort auf dieses Rätsel gelüftet. Wie der Onlinedienst des US-Fernsehsenders CBS am 12. November meldete, ist ein hochinteressantes Video von einem Auftritt der Petraeus-Mätresse an der Universität von Denver Ende Oktober aufgetaucht. Dort erklärte sie, die CIA-Mitarbeiter in Benghazi hielten in der Geheimstation "einige libysche Milizenmitglieder gefangen" weswegen man in Langley vermute, daß "der Angriff auf das Konsulat ein Versuch gewesen" sei, "diese Gefangenen herauszuholen". Der Umstand, daß das FBI nicht, wie vorgeschrieben, die Geheimdienstausschüsse vom Repräsentantenhaus und Senat über die Ermittlung um Broadwell und Petraeus informierte, stärkt den Verdacht, daß die Geschichte mehr als nur ein Fall von Ehebetrug ist. Am 15. November sollte Petraeus vor dem Kongreß zum Benghazi-Vorfall befragt werden. Durch den Rücktritt fällt sein Erscheinen nun aus. Statt dessen soll Michael Morell, derzeit geschäftsführender CIA-Direktor, die heikle Aufgabe übernehmen.

12. November 2012