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USA/1338: Benghazi-Affäre um Botschafter-Tötung flammt wieder auf (SB)


Benghazi-Affäre um Botschafter-Tötung flammt wieder auf

CNN geht der Frage nach dubiosen CIA-Aktivitäten in Libyen nach



Seit dem Amtsantritt des demokratischen Präsidenten Barack Obama im Januar 2009 hat kaum ein Ereignis die Gemüter der republikanischen Opposition so erregt, wie der Tod des Botschafters Christopher Stevens und drei seiner amerikanischen Mitarbeiter bei einem Überfall auf das US-Konsulat in der libyschen Hafenstadt Benghazi am 11. September 2012. Die Aufregung seitens der Republikaner im Kongreß, ihrer Anhänger bei Diskussionen in sozialen Netzwerken sowie der konservativen Medien über den Benghazi-Fall hat mehrere Gründe. Die republikanische Wählerschaft, die fast ausschließlich aus Menschen weißer Hautfarbe besteht, mißtraut der aus ihrer Sicht zu zaghaften und nachgiebigen Außenpolitik des Schwarzen Obama gegenüber dem Ausland, während die Volksvertreter der GOP die Gelegenheit nutzen, die Demokraten in Sachen nationaler Sicherheit als unfähig darzustellen. Schließlich war der gewaltsame Tod von Stevens im Auslandsdienst der erste eines US-Botschafters seit mehr als 30 Jahren. Wenngleich die Diskussion über das Thema in letzter Zeit etwas abgeflaut ist, stehen stürmische Diskussionen bevor. Der Nachrichtensender CNN hat für den 6. August eine große Benghazi-Spezialsendung angekündigt und bereits vorab einige brisante Enthüllungen gemacht.

Der Streit um den Benghazi-Vorfall fiel im vergangenen Herbst nicht zuletzt deshalb so heftig aus, weil er sich in der Endphase des Kampfes um die US-Präsidentenwahl entzündete. Er gab den Republikanern eine letzte Chance, die Stimmung im Volk doch noch zugunsten ihres Kandidaten Mitt Romney zu beeinflussen. Am Ende hat es zwar nicht gereicht, doch geschadet hat die Diskussion um Benghazi den Demokraten im allgemeinen und der Obama-Regierung im besonderen. Der Auftritt von Susan Rice in den allsonntäglichen Polittalkshows im US-Fernsehen am 16. September, als sie den Überfall auf das Konsulat als Reaktion aufgebrachter Moslems über ein Anti-Mohammed-Schmähvideo im Internet zu erklären versuchte, hat die damalige UN-Botschafterin die geplante Beförderung zur US-Außenministerin gekostet. Eigentlich hätte Hillary Clinton, damals als Außenministerin Stevens' Vorgesetzte, an jenem Tag die undankbare Aufgabe übernehmen müssen, doch hat die ehemalige First Lady vermutlich aus Rücksicht auf eine eigene Kandidatur um die Präsidentschaft im Jahr 2016 darauf verzichtet. Als Anerkennung für den Dienst von Rice als Mannschaftspielerin hat Obama sie nach seiner Wiederwahl zur Nationalen Sicherheitsberaterin ernannt - eine Personalie, für die eine Zustimmung des Kongresses nicht erforderlich ist.

Die öffentliche Debatte um Benghazi hat die Gemüter weit mehr erhitzt als Erkenntnisse produziert. Fest steht, daß der Überfall länger geplant war und von einer schwerbewaffneten Gruppe durchgeführt wurde. Wenngleich sich niemand dazu bekannte, bezichtigt die US-Regierung die al-kaida-nahe Islamistengruppe Ansar Al Scharia. Fest steht außerdem, daß der Vorfall irgendwie mit der Versorgung syrischer Rebellen in Syrien mit Waffen und Freiwilligen aus Libyen in Zusammenhang stand. Stevens, der 2011 wegen seiner guten Arabischkenntnisse die Zusammenarbeit der CIA und der NATO-Spezialstreitkräfte mit den libanesischen Aufständischen beim Sturz Muammar Gaddhafis koordinierte, traf sich am fraglichen Abend im Konsulat in Benghazi mit einem Vertreter der Türkei, um mit ihm angeblich über den laufenden Transport von Rüstungsgütern und Söldnern aus Libyen über das Mittelmeer nach Syrien zu beraten.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die Anti-Baschar-Al-Assad-Koalitionäre - also die USA und die islamistischen Rebellen Libyens - in Benghazi so sehr aneinandergeraten konnten. Womöglich liegt die Antwort in dem Skandal begraben, auf Grund dessen sich am 9. November, drei Tage nach der Wiederwahl Obamas, CIA-Chef David Petraeus plötzlich zum Rücktritt gezwungen sah. Offizieller Grund hierfür war eine außereheliche Affäre, bei der General a. D. Petraeus und seine Mitarbeiterin Paula Broadwell eklatant gegen einfachste Sicherheitsbestimmungen zum Beispiel im E-Mail-Verkehr verstoßen hatten.

Interessanterweise berichtete der Onlinedienst des US-Fernsehsenders CBS am 12. November von einem Auftritt Broadwells an der Universität von Denver Ende Oktober, bei dem sie erklärt hatte, die CIA-Mitarbeiter in Benghazi hielten dort in einer Geheimstation "einige libysche Milizenmitglieder gefangen", weswegen man in Langley vermute, daß "der Angriff auf das Konsulat ein Versuch gewesen" sei, "diese Gefangenen herauszuholen". Bis heute steht dieser Verdacht im Raum. Bestärkt wird er durch die neuen Enthüllungen von CNN, wonach sich am fraglichen Abend "Dutzende von CIA-Mitarbeitern vor Ort" in Benghazi aufhielten und wonach der US-Auslandsgeheimdienst "große Anstrengungen unternimmt", den Grund für deren Anwesenheit in der libyschen Rebellenhochburg "geheim zu halten". Laut CNN müssen sich alle CIA-Mitarbeiter, die in die Benghazi-Geschichte eingeweiht sind, ungewöhnlich häufig, nämlich einmal im Monat, einem Lügendetektortest unterziehen, um herauszufinden, ob sie mit ihrem Wissen bereits zur Presse gegangen sind bzw. um sie gerade davon abzuhalten. Auf die CNN-Sondersendung "The Truth About Benghazi", die am 6. August um 22.00 Uhr Ostküstenzeit (EST) ausgestrahlt werden soll, und die politischen Reaktionen darauf darf man gespannt sein.

3. August 2013