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USA/1342: Tonband-Mitschnitt verrät US-Einmischung in die Ukraine (SB)


Tonband-Mitschnitt verrät US-Einmischung in die Ukraine

US-Neokonservative wollen Rußland seiner Einflußsphäre berauben



Die spektakuläre Veröffentlichung des telefonischen Mitschitts eines Strategiegesprächs zwischen Victoria Nuland, Staatssekretärin für Europäische und Eurasische Angelegenheiten im US-Außenministerium, und Geoffrey Pyatt, dem amerikanischen Botschafter in Kiew, straft die Behauptung, der Westen mische sich in die aktuelle politische Krise in der Ukraine nicht ein, Lügen. Interessant am Gespräch ist weniger die beleidigende Bemerkung Nulands über die ihres Erachtens geringe aggressive Diplomatie der europäischen NATO-Verbündeten - "Fuck the EU" - als vielmehr ihre und Pyatts Erörterung der Frage, welche Personalkombination in Kiew am besten dazu geeignet wäre, die Ukraine ins westliche Lager zu überführen und aus der traditionellen Bindung an Rußland zu lösen. Vor dem Hintergrund des aktuellen NSA-Abhörskandals zeigt die Kritik von US-Außenamtssprecherin Jen Psaki, mit der Veröffentlichung des verräterischen Mitschnitts auf Youtube hätte die russische Spionage "einen neuen Tiefpunkt" erreicht, nur eines, nämlich daß in Sachen Selbstgerechtigkeit und Heuchelei niemand den Amerikanern das Wasser reichen kann.

Das transatlantische Telefonat zwischen Nuland und Pyatt fand am 25. Januar statt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der ukrainische Präsident Viktor Janukowytsch zur Lösung der innenpolitschen Krise in seinem Land die beiden Oppositionsführer Arsenij Jazenjuk von der Vaterlandspartei und Vitali Klitschko, dem Vorsitzenden der von der Konrad-Adenauer-Stiftung mitfinanzierten UDAR-Partei, eingeladen, damit sie als Premierminister respektive Vizepremierminister eine neue Regierung bilden. Wie man dem Wortwechsel Nulands und Pyatts entnehmen kann, standen die beiden US-Diplomaten dieser Anregung ablehnend gegenüber, erstens, weil dadurch die Krise unter für Janukowytsch und Rußland günstigen Bedingungen hätte gelöst werden können und zweitens, weil sie befürchteten, daß Klitschko, der amtierende Schwergewichtsweltmeister im Ruhestand, der lange Jahre in den USA und Deutschland verbracht hat, gegenüber Jazenjuk, dem früheren Wirtschafts- und späteren Außenminister der Ukraine, nur geringes politisches Gewicht haben würde.

Nuland bestärkte Pyatt in seiner politischen Wühlarbeit in der ukrainischen Hauptstadt. Der Botschafter sollte auf Janukowytsch "zugehen", das heißt versuchen, ihn für eine engere Bindung der Ukraine an den Westen zu gewinnen. Zu diesem Zweck kündigte sie an, Barack Obamas Vizepräsident Joseph Biden stünde bereit, mit Janukowytsch telefonisch in Verbindung zu treten, sollte Letzterer Kooperationsbereitschaft bzw. Einsicht in die historischen Notwendigkeiten zeigen. (Tatsächlich hat Biden drei Tage später und wenige Stunden nach dem Rücktritt des bis dahin amtierenden ukrainischen Premierministers Mykola Asarow, ein politischer Vertrauter Janukowytschs aus dessen Rußland-freundlicher Partei der Regionen, mit dem Staatsoberhaupt der Ukraine telefoniert. Der Schritt Awarows war als Geste des guten Willens gegenüber der Opposition gedacht. Wahrscheinlich hat Biden Janukowytsch zu verstehen gegeben, daß die Maßnahme zu kurz greife und nur die vollständige Kapitulation samt Machtübergabe an die pro-westlichen Kräfte Washington ausreichen würde.)

Wohlwollend berichtete Nuland von der Möglichkeit, daß in Kürze UN-Generalsekretär Ban Ki-moon den ehemaligen niederländischen Botschafter in Kiew, Robert Serry, als Sondergesandten in die Ukraine schicken könnte. Pyatt stimmte Nuland zu, daß eine "internationale Persönlichkeit" nützlich wäre, um "die Sache über die Bühne zu bringen" ("midwife the thing"). Als "Sache" in diesem Zusammenhang ist die endgültige Überführung der Ukraine aus der russischen in die westliche, von den USA dominierte Einflußsphäre über das Mittel eines Assozierungsabkommens mit der EU gemeint. Die geopolitische Tragweite eines solchen Schrittes hatte Zbigniew Brzezinski, neben Henry Kissinger der einflußreichste außenpolitische Experte der USA, bereits in seinem 1997 erschienenen Buch "Die einzige Weltmacht - Amerikas Strategie der Vorherrschaft" hervorgehoben, als er die Marschroute vorgab: "Ohne die Ukraine ist Rußland kein eurasisches Reich mehr."

Victoria Nuland ist keine unbedeutende Mitarbeiterin von US- Außenminister John Kerry, sondern eine wichtige Vertreterin der Neokonservativen, deren Hauptziel der Erhalt amerikanischer Globalhegemonie ist, weswegen sie seit Jahren gegen den Versuch Wladimir Putins, mit den meisten ehemaligen Sowjetrepubliken eine Eurasische Union zu gründen, Sturm laufen. Unter dem Demokraten Bill Clinton arbeitete Nuland zuerst als Stabschefin für den damaligen Stellvertretenden US-Außenminister Strobe Talbott, später als für die Länder der ehemaligen Sowjetunion zuständige Staatssekretärin im State Department. Während der Präsidentschaft des Republikaners George W. Bush stand sie Vizepräsident Dick Cheney als außenpolitische Beraterin zur Seite und ging später als NATO-Botschafterin der USA nach Brüssel.

Nuland ist mit dem Historiker und Publizisten Robert Kagan verheiratet. Der geistige Anführer der Neokonservativen, der 1997 zusammen mit William Kristol das umstrittene Project for a New American Century (PNAC) ins Leben gerufen hatte, bestreitet seit Jahren in seinen Schriften die Idee vom "Niedergang" der USA und tut sie als "Mythos" ab. Kagan ist Mitglied des New Yorker Council on Foreign Relations. 2008 gehörte er als außenpolitischer Berater dem Wahlkampfteam des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Senator John McCain an. Nach dem Wahlsieg Obamas wurde Kagan in das Beratergremium der damaligen US-Außenministerin Hillary Clinton geholt. Zu seinen Lesern und Bewunderen wird Obama selbst gezählt.

7. Februar 2014