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USA/1344: Ron Paul lehnt Washingtons neuen Kalten Krieg ab (SB)


Ron Paul lehnt Washingtons neuen Kalten Krieg ab

Kriegsmüdigkeit des Volkes macht den Imperialisten zu schaffen



Die Art und Weise, wie dieser Tage Medien und Politik der USA den unsäglichen Geist des Kalten Krieges hochleben lassen, mag zwar nicht überraschen, ist jedoch in ihrer Heftigkeit bemerkenswert. Die monatelange politische Krise in der Ukraine hat man Wladimir Putins Rußland allein angelastet. Ende Februar haben Weißes Haus und State Department den gewaltsamen Sturz des gewählten ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch begrüßt und der neuen rechtsextremen Putschisten-Regierung in Kiew sofort einen "demokratischen" Persilschein ausgestellt. Gleichzeitig prangert man die Bemühungen in der Autonomen Republik Krim um einen Beitritt der Schwarzmeerhalbinsel zur Russischen Föderation als Verstoß gegen das Völkerrecht an und droht Moskau mit schweren Wirtschaftssanktionen. In Absprache mit den europäischen NATO-Verbündeten hat das Pentagon bereits einiges an Militärpersonal und -hardware in die Nähe der russischen Westgrenze verlegt.

Wer die Analysen und Kommentare prominenter Politiker und Leitmedien wie der New York Times, der Washington Post und des Wall Street Journal verfolgt, kann sich über deren unverschämte Aggressivität und Selbstgerechtigkeit gegen Rußland und Putin nur wundern. Ex-Außenministerin Hillary Clinton von den Demokraten, die sich gerade in Position bringt, sich 2016 zum ersten weiblichen Präsidenten der USA wählen zu lassen, hat die Mobilisierung russischer Soldaten auf der Krim mit dem Einmarsch der Wehrmacht 1938 in das Sudetenland verglichen und damit das russische Staatsoberhaupt auf eine Stufe mit dem früheren deutschen Reichskanzler Adolf Hitler, bekanntlich die Schreckensfigur allgemeiner Geschichtsbetrachtung schlechthin, gestellt. Ex-Vizepräsident Dick Cheney von den Republikanern meint, diplomatischer und wirtschaftlicher Druck reiche nicht aus, den Kremlherrn in seine Schranken zu weisen, es müßten militärische Maßnahmen ergriffen werden. Der New Yorker Council on Foreign Relations, die einflußreichste Denkfabrik der Welt, hat sogar den "Putinismus" als eine direkte Herausforderung der internationalen Weltordnung ausgemacht und dessen Beseitigung gefordert.

Die neokonservative Kriegstreiberfraktion in Washington um Leute wie Senator John McCain, der sich vor wenigen Wochen auf dem Kiewer Maidan-Platz mit den Janukowytsch-Gegnern solidarisierte, sich letztes Jahr mit Al-Kaida-Terroristen in Syrien fotografieren ließ und 2011 die islamistischen Rebellen in Libyen besuchte, um sie im Kampf gegen Muammar Gaddhafi anzufeuern, sieht in der sogenannten Krim-Krise die perfekte Gelegenheit, das sich unter Putin wirtschaftlich und militärisch wiedererstarkende Rußland zu isolieren und endlich in die Knie zu zwingen. Deshalb stellen die Neo-Imperialisten der USA den Entschluß Barack Obamas vom vergangenen Herbst, doch keine Raketenangriffe auf die Streitkräfte Baschar Al Assads durchzuführen und statt dessen auf das von Rußland vermittelte Angebot der Führung in Damaskus, auf das syrische Chemiewaffenarsenal zu verzichten, einzugehen, als Riesenfehler dar. Damit hätte Washington Schwäche gezeigt und an seiner Führungsfähigkeit Zweifel aufkommen lassen, die man nun wieder durch ein starkes Auftreten gegenüber Moskau in der Krim-Krise ausräumen könne, lautet die These.

Doch was McCain und die Neocons ganz genau wissen, jedoch geflissentlich unter den Tisch zu kehren versuchen, ist die Tatsache, daß die Entscheidung gegen die Durchführung des angedrohten Raketenangriffs nicht auf Obamas vermeintliche Zaghaftigkeit oder fehlende Eignung als Oberbefehlshaber der Streitkräfte zurückzuführen ist, sondern in erster Linie aus der Kriegsmüdigkeit des amerikanischen Volkes resultiert. Nach zwei verlustreichen, enorm teuren und wenig ergiebigen Kriegen in Afghanistan und im Irak steht die große Mehrheit der Bürger der USA jedem weiteren Militärabenteuer in Übersee ablehnend gegenüber. Das weiß die politische Elite in Washington ganz genau, weshalb seit einiger Zeit in außenpolitischen Kreisen eine rege Debatte darüber läuft, wie man dem neuen "Isolationismus" am besten begegnen könne. (Mit jenem Begriff wird seit mehr als achtzig Jahren der Wunsch des Durchschnittsamerikaners, sich aus den Konflikten fremder Nationen herauszuhalten, als Feigheit vor der geschichtlichen Rolle Amerikas erfolgreich diffamiert.)

Lassen sich durch die Anwesenheit des ersten schwarzen Präsidenten im Weißen Haus ein Gutteil der Wählerschaft der Demokraten mit dem Hinweis auf irgendwelche "humanitären" Notwendigkeiten für die eine oder andere Militäroperation im Ausland gewinnen, so sind es heute die Tea-Party-Aktivisten unter den Republikanern, die den Interventionsbefürwortern in Washington zu schaffen machen. Als "intellektueller Pate" der Tea-Party-Bewegung gilt Ron Paul, der von 1976 bis 2013 als republikanischer Abgeordneter aus Texas dem Repräsentantenhaus in Washington angehörte. Der Arzt und ausgesprochene Kritiker des Antiterrorkrieges, des militärisch-industriellen Komplexes und der US-Zentralbank kandidierte als Libertärer zweimal - 2008 und 2012 - um die Nominierung zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Auch wenn er nicht gewann, gelang es Paul, die Kriegsgegner innerhalb der Grand Ol' Party (GOP) zu mobilisieren. Bezeichnenderweise war der konservative Friedensaktivist Paul beide Male der Kandidat, der die meisten Spenden von Angehörigen der US-Streitkräfte erhielt.

Paul, der trotz des Ausscheidens aus der Berufspolitik hohes Ansehen bei den Tea-Party-Republikanern und im linksliberalen Flügel der Demokraten genießt, vertritt in der Krim-Krise eine ganze andere Position als Präsident Obama, Außenminister John Kerry oder die Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien, Angela Merkel, François Hollande und David Cameron. Wie das Online-Nachrichtenmagazin U. S. News &World Report am 6. März berichtete, erkennt Paul das Recht der Bevölkerung auf der Krim, sich für den Beitritt zur Russischen Föderation zu entscheiden, als demokratisch legitim an. Deshalb Sanktionen gegen Rußland zu erheben, wäre laut Paul "kriminell" bzw. "Diebstahl" fremden Eigentums. Die politische Führung in Washington bezichtigte er, damit gegen Rußland "einen Krieg vom Zaun brechen zu wollen".

Paul meinte, die USA sollten sich aus dem Streit zwischen den pro-westlichen und pro-russischen Kräften innerhalb der Ukraine gänzlich raushalten. "Ich würde es begrüßen, wenn die Leute selbst anstelle ausländischer Akteure die Entscheidungen träfen. Zu tun, als hätten wir hier die moralische Überlegenheit, ist nichts als pure Heuchelei." Man kann davon ausgehen, daß nicht wenige US-Bürger genauso denken wie Paul. An der konfrontativen Rußland-Politik Washingtons dürfte der Umstand jedoch wenig bis gar nichts ändern.

11. März 2014