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USA/1393: Das FBI verhagelt Hillary Clinton die Siegesparade (SB)


Das FBI verhagelt Hillary Clinton die Siegesparade

Email-Affäre macht Schlußphase des US-Präsidentenwahlkampfs spannend


Für Hillary Clinton schien im Kampf um die Präsidentschaft alles wie am Schnürchen zu laufen. Bei den drei landesweit ausgestrahlten Fernsehdebatten zwischen Ende September und Mitte Oktober hatte sie mit ihrer seriös wirkenden, staatsmännischen Art den Prahlhans Donald Trump regelrecht deklassiert. Die nach einem Schwächeanfall am Rande der diesjährigen 9/11-Trauerfeier am 11. September am Ground Zero in New York aufgekommene Sorge um ihre Gesundheit hatte sie zerstreuen können. Selbst die seit Monaten laufenden Enthüllungen von Wikileaks über die Machenschaften des Teams Hillary bei den demokratischen Vorwahlen, um den linken Konkurrenten Senator Bernie Sanders aus Vermont auszustechen, sowie über korrupte Praktiken bei der Clinton-Stiftung konnten den vorweggenommenen Siegesglanz der ersten Präsidentin der USA in spe nicht ernsthaft trüben. Für solche komplizierten Details interessierten sich einzig die News Junkies, während sich die große Öffentlichkeit eher über den Skandal um sexistische Ausfälle sowie angebliche Zudringlichkeiten Trumps gegenüber mehreren Frauen in der Vergangenheit amüsierte bzw. empörte. Diese Vorwurfslawine sorgte dafür, daß die Demokratin noch am 27. Oktober laut Umfragen mehr als zehn Punkte Vorsprung gegenüber dem republikanischen Rivalen aufwies. Die Wahl 2016 war bereits gelaufen; da waren sich alle namhaften Demoskopen und Medienkommentatoren der USA einig.

Doch dann hat am 28. Oktober FBI-Chef James Comey in einem förmlichen Brief den Kongreß von der Entdeckung neuen Materials in Verbindung mit der Email-Affäre, die Clinton im Juli endgültig hinter sich gebracht zu haben schien, in Kenntnis gesetzt. Die Kontroverse um Clintons Email-Verkehr, welche die ehemalige First Lady als Außenministerin Barack Obamas zwischen 2009 und 2013 entgegen allen Vorschriften über einen Server im Keller ihres und Bills Privathauses in Upstate New York abgewickelt hatte, war auf einmal wieder voll präsent und droht ihr den sichergeglaubten Einzug ins Weiße Haus zu vermasseln. Auf die extrem negative Nachricht für Clinton und die plötzlich damit wieder gestiegenen Siegeschancen Trumps reagierte die Börse an der Wall Street am Freitag mit Panikverkäufen; der Goldpreis schoß in die Höhe. Drei Tage später ist der Vorsprung Clintons gegenüber dem New Yorker Baumagnaten und Reality-Fernsehstar auf einen Prozentpunkt zusammengeschmolzen. Clinton kämpft um ihr politisches Überleben. Durch die Bank schießen sich führende Vertreter der demokratischen Partei auf FBI-Chef Comey ein und werfen ihm vor, auf unzulässige, möglicherweise illegale Weise in den Wahlkampf eingegriffen zu haben. Über den Brief Comeys sollen Obama und Justizministerin Loretta Lynch, die vor der Absendung an den Kongreß nicht informiert worden waren, erzürnt sein.

Da stellt sich die Frage, wie es zu der spektakulären Wendung kommen konnte, denn am 5. Juli hatte Comey die Ermittlungen gegen Clinton in der Email-Affäre quasi für beendet erklärt. Er räumte damals zwar ein, die frühere Senatorin von New York habe als Leiterin des State Departments "extreme Sorglosigkeit" im Umgang mit vertraulichen Regierungsdokumenten an den Tag gelegt, sich jedoch gegen eine Anklageerhebung entschieden, weil angeblich keine böse Absicht im Spiel gewesen sei. Auch wenn Comey seitens der Republikaner geharnischte Kritik erntete, schien die Email-Affäre für Clinton juristisch ausgestanden zu sein. Bis vor drei Tagen drohte aus dieser Richtung vermeintlich kein Ungemach mehr.

Mitte August war Clintons engste Mitarbeiterin Huma Abedin in die Schlagzeilen geraten, als ihr Ehemann Anthony Weiner erneut bei der Verschickung schlüpfriger Bilder und lasziver Texte an junge Frauen erwischt worden war. Wegen solchen sonderbaren Treibens hatte Weiner nicht nur bereits 2011 seinen Posten als demokratischer Kongreßabgeordneter in Washington verloren, sondern auch 2013 das versuchte Comeback beim Rennen um das Amt des Bürgermeisters von New York in den Sand gesetzt. Die dritte Demütigung war für Abedin zuviel. Sie trennte sich von Weiner, reichte die Scheidung ein und beantragte das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn. Im September machte das britische Massenblatt Daily Mail publik, daß Weiner elektronische Kommunikationen sexueller Natur mit einem fünfzehnjährigen Mädchen in North Carolina ausgetauscht hatte. Daraufhin schaltete sich das FBI ein.

Bei der Untersuchung von Weiners Laptop stießen Anfang Oktober die Ermittler auf mehr als 650.000 Emails, von denen nicht wenige offenbar welche zwischen Huma Abedin und Hillary Clinton waren. Weil bei den ursprünglichen Ermittlungen gegen Clinton Zehntausende Emails gefehlt hatten bzw. gelöscht worden waren, informierte das New Yorker FBI-Büro die Führung der US-Bundespolizei im J. Edgar Hoover Building in Washington von dem interessanten Fund. Comey, der wegen seines Entschlusses vom Juli, beim Justizministerium die Einberufung einer Grand Jury gegen Clinton nicht zu beantragen, das Vertrauen vieler FBI-Ermittler verloren hatte, entschied sich, diesmal die demokratische Präsidentschaftsbewerberin nicht zu schonen. Inzwischen hat das FBI vor Gericht einen Durchsuchungsbefehl in Verbindung mit der Email-Affäre für Weiners Laptop erwirkt und mit der Untersuchung der Datensammlung begonnen.

Huma Abedin steckt nun in erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten. Schließlich hatte sie im Rahmen der ursprünglichen Ermittlungen zur Email-Affäre, die im Frühjahr 2015 aufgenommen worden waren, unter Eid erklärt, sämtliches relevante in ihrem Besitz befindliche Datenmaterial dem FBI ausgehändigt zu haben. Es steht inzwischen der Verdacht des Meineids und der Vertuschung im Raum. In den beiden letzten Tagen ist Abedin im Beisein ihres Anwalts von FBI-Agenten vernommen worden. Dies erklärt, warum sie an diesem Wochenende Hillary Clinton bei Wahlkampfveranstaltungen in Florida nicht begleitet hat. Laut der Onlinezeitung Politico hat Abedin nicht erklären können, wie die Clinton-Emails auf dem Laptop ihres Noch-Ehemanns gelandet sind. In den US-Medien kursieren Spekulationen, Abedin könnte für sich einen Immunitätsdeal mit dem FBI aushandeln. Dafür müßte sie bereit sein, unter anderem über die Verbindung zwischen den zahlreichen Spenden in Millionenhöhe, welche die Clinton Foundation während der Ära Hillarys als Außenministerin von ausländischen Staaten angenommen hat, und etwa der großzügigen Vergabe von Waffenexportlizenzen durch das State Department im selben Zeitraum auszupacken.

Auch wenn es dazu nicht kommen sollte, wirft die Email-Affäre doch einen düsteren Schatten auf das Lebenswerk Hillary Clintons. Selbst im Falle eines Wahlsiegs am 8. November würde ihr diese Kontroverse die Amtszeit im Weißen Haus schwermachen. Ein Amtsenthebungsverfahren wie jenes, mit dem sich ihr Mann Bill als Präsident wegen der Monica-Lewinsky-Affäre jahrelang herumschlagen mußte, zeichnet sich jetzt schon ab. Bislang hat Clinton erfolgreich die Wikileaks-Enthüllungen über sich, ihre Clique in der demokratischen Parteiführung sowie über die familieneigene Stiftung als Versuch Rußlands, die US-Präsidentenwahl zu manipulieren - ganz als sei Julian Assange eine Marionette Wladimir Putins - abtun können. Wie lange diese Propagandaoffensive noch trägt, muß sich zeigen. Bezeichnend ist jedenfalls die Aussage Abedins in einer von Wikileaks enthüllten Email vom Januar 2015 an Hillarys Wahlkampfleiter John Podesta, bei der es um die Teilnahme der einstigen Chefdiplomatin an einer Konferenz der Clinton Foundation in Marokko im Mai desselben Jahres - gegen eine Spende Rabats in Höhe von 12 Millionen Dollar, versteht sich - ging. Im Mittelpunkt der Email steht die schlechte Optik, welche diese und andere "Geschäfte" der Clintons erzeugten und die Arbeit des Wahlkampfteams erheblich erschwerten. Dazu meinte Abedin gegenüber Podesta in bezug auf die Rolle ihrer Chefin: "Sie hat diesen Schlamassel selbst geschaffen".

31. Oktober 2016


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