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USA/1399: Demontage Flynns torpediert Trumps neue Rußland-Politik (SB)


Demontage Flynns torpediert Trumps neue Rußland-Politik

Dem Kriegskurs Washingtons in Richtung Moskau steht nichts mehr im Weg


Wie der Schattenblick bereits am 18. Dezember unter der Überschrift "Hysterie der Kriegstreiber um Rußlands 'Hackerangriffe'" eingehend erläuterte, setzen Washingtons Militaristen, die obsessiv das Ziel der uneingeschränkten Globalherrschaft der USA auf dem Boden, in der Luft, zur See, im All sowie im Cyberspace - Stichwort "Full Spectrum Dominance" - verfolgen, seit dem überraschenden Sieg Donald Trumps bei der Präsidentenwahl am 8. November aber wirklich alles daran, die Handlungsoptionen des politischen Außenseiters gegenüber Rußland so zu limitieren, "daß nur noch der Kriegskurs übrigbleibt". Für jene reaktionären Kräfte stellt der erzwungene Rücktritts Michael Flynns nach nur wenigen Wochen als Nationaler Sicherheitsberater im Trump-Kabinett den entscheidenden Etappensieg dar. Damit sind die Chancen einer russisch-amerikanischen Versöhnung und der Realisierung des mit Abstand vernünftigsten Versprechens im gesamten Wahlprogramm Trumps auf Null gesunken. Das Säbelrasseln, das in den letzten Wochen durch die Verlegung Tausender NATO-Soldaten nach Polen, Estland, Lettland und Litauen lauter geworden war, dürfte sich fortsetzen und vielleicht demnächst sogar den erwünschten Dritten Weltkrieg herbeiführen.

Grund für den Rücktritt Flynns war eine Kontroverse um dessen Telefonate mit dem russischen Botschafter in Washington, Sergej Kisljak, Mitte Dezember. Nach der unerwarteten Niederlage der Kandidatin der Kriegspartei, Hillary Clinton, die im Wahlkampf den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Hitler verglichen und ihm vorgeworfen hatte, die untergegangene Sowjetunion wieder errichten zu wollen, haben Vertreter der demokratischen Partei und die US-Leitmedien das für sie unerwünschte Votum des amerikanischen Volks zum Resultat dunkler Machenschaften des Kremls erklärt. Ex-KGB-Mann Putin habe mit "Fake News" und Hackerangriffen die älteste Demokratie der Welt ausgehebelt, so die an die dunkelsten Tage des McCarthyismus erinnernde Interpretation jener US-Politiker und -Medienkommentatoren, die ansonsten immer die ersten sind, wenn es darum geht, "Verschwörungstheorien" und deren Urheber zu verteufeln. Nachdem die US-Geheimdienste ein entsprechendes Dossier, das bei näherer Betrachtung keinen wirklich stichhaltigen Beleg für die gegen Moskau erhobenen Vorwürfe enthielt, dem Weißen Haus vorgelegt hatten, sah sich Noch-Präsident Barack Obama wegen der ganzen künstlichen Aufregung gezwungen, am 29. Dezember Sanktionen gegen Rußland zu verhängen und 35 russische Diplomaten des Landes zu verweisen.

Am selben Tag hat Flynn mit Kisljak fünfmal telefoniert und dem Vertreter Moskaus offenbar eine weniger aggressive Haltung der USA gegenüber Rußland nach der Amtseinführung Trumps am 20. Januar zugesichert. Angeblich wegen jener Zusage hat Putin keine Vergeltungsmaßnahmen für die US-Sanktionen ergriffen, sondern statt dessen die Kinder des amerikanischen Botschaftspersonals in Moskau zum orthodoxen Weihnachtsfest in den Kreml eingeladen, was ihm weltweit Punkte als besonnener Staatsmann einbrachte. Später hat Flynn entweder vergessen oder es bewußt versäumt, den neuen Vizepräsidenten Mike Pence darüber in Kenntnis zu setzen, daß er mit Kisljak die Sanktionsfrage erörtert hatte. Dies ist Flynn zum Verhängnis geworden, weil die US-Geheimdienste NSA und FBI die Telefongespräche des russischen Botschafters abhören und den Inhalt jener Unterhaltung kannten. Mitte Januar hat das Justizministerium Vertretern der scheidenden Obama- und künftigen Trump-Regierung über entsprechende Ermittlungen gegen Flynn wegen Verstoßes gegen das Logan-Gesetz informiert, das Privatbürgern der USA nicht-autorisierte Verhandlungen mit Staaten, mit denen die Regierung in Washington im Streit liegt, verbietet.

Seit Anfang Februar läuft eine regelrechte Kampagne bei der New York Times, der Washington Post und dem Wall Street Journal, mittels Indiskretionen aus dem Sicherheitsapparat Flynn in Mißkredit und schließlich zum Fall zu bringen. Als in den letzten Tagen Trump keinen Finger rührte, um seinen wichtigsten außen- und sicherheitspolitischen Berater zu verteidigen, waren die Tage des früheren Chefs des US-Militärgeheimdienstes DIA gezählt. Daß Flynn keine politische Rückendeckung mehr hatte, wurde spätestens am 13. Februar klar, als Trumps Politberater Stephen Miller beim Auftritt im US-Fernsehen erklärte, er habe keine Ahnung, wie sich der Präsident die weitere Zukunft des Nationalen Sicherheitsberaters vorstelle, man solle ihn selbst fragen. Gleich am nächsten Tag hat Flynn im Weißen Haus seinen Rücktritt eingereicht und sich schriftlich dafür entschuldigt, Vizepräsident Pence unzureichend über seine Telefonate mit Kisljak informiert zu haben.

Aus der Tatsache, daß Flynn ein Strick aus dem Logan-Gesetz gedreht wurde, spricht der blanke Hohn, denn wegen Verstoßes dagegen ist in der Geschichte der USA eine einzige Person angeklagt und niemand verurteilt worden. In der Vergangenheit hat es weitaus gravierendere Fälle gegeben, in denen das Gesetz hätte zum Einsatz kommen müssen, nimmt man es wirklich ernst. 1968 hat der republikanische Präsidentschaftskandidat Richard Nixon die Bemühungen Präsident Lyndon Johnsons um eine Beendigung des Vietnamkrieges durch Kontaktaufnahme mit der südvietnamesischen Regierung, der er größere militärische Unterstützung versprach, torpediert. Nixon ging es darum, die Chancen seines Gegners, des demokratischen Vizepräsidenten Hubert Humphrey, zu schmälern - was ihm auch gelang. Hunderttausende Menschen mußten den Preis für Nixons Machtstreben mit dem Leben bezahlen, denn der Krieg der USA in Indochina dauerte weitere sieben Jahre.

Im Sommer 1980 hat das republikanische Wahlkampfteam, allen voran der Vizepräsidentschaftskandidat George W. Bush und der spätere CIA-Chef William Casey, Ronald Reagan zum Sieg über den damals noch amtierenden demokratischen Präsidenten Jimmy Carter verholfen, indem sie mittels Geheimverhandlungen das damals neue "Mullah-Regime" des Irans dazu überredete, die in Geiselhaft befindliche Mitarbeiter der US-Botschaft in Teheran erst nach der Präsidentenwahl in November freizulassen. Tatsächlich kamen diese am Tag der Amtseinführung Reagans im Januar 1981 frei. Im Gegenzug erhielt Teheran über Israel für den Krieg gegen den Irak dringend benötigte Teile für seine Militärausrüstung, die damals als Folge der Schah-Ära größtenteils aus US-Produktion stammte. Aus jenen illegalen Waffenlieferungen entwickelte sich einige Jahre später der Iran-Contra-Skandal, der die Reaganauten in große Verlegenheit brachte.

Der Sturz Flynns, der seit Anfang 2015 an Trumps Seite stand, diesen im Wahlkampf wesentlich unterstützt und seit Ende Januar den neuen Nationalen Sicherheitsrat mit personell größerem Gewicht für das Weiße Haus gegenüber Pentagon und CIA ausgestattet hatte, ist eine herbe Niederlage für alle, die sich eine Annäherung zwischen Rußland und den USA gewünscht hatten. Ohne Flynn, der Kriegseinsätze in Afghanistan und im Irak geleistet hatte und ein lautstarker Kritiker der Zusammenarbeit zwischen CIA und sunnitischen Dschihadisten à la Al Kaida, Islamischer Staat (IS), Al-Nusra-Front und Ahrar Al Scham in Syrien gewesen ist, wird sich Trump dem Drängen der Militaristen nach einer Generalabrechung mit ihrem Lieblingsfeind Wladimir Putin nicht widersetzen können.

Bereits am 2. Februar hat die neue UN-Botschafterin der USA, die ehemalige republikanische Gouverneurin von South Carolina Nikki Haley, bei ihrer Jungfernrede vor dem Sicherheitsrat in New York eigenmächtig erklärt, die Sanktionen gegen Rußland würden erst aufgehoben werden, wenn Moskau die Krim an die Ukraine zurückgegeben habe. Am 8. Februar hat eine Gruppe Senatoren einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der Trump die Aufhebung von Sanktionen gegen Rußland verbieten soll, bis Putins "Manipulationen" der letzten US-Präsidentenwahl restlos aufgeklärt sind und Rußland seine "Aggression" im Osten der Ukraine beendet hat. Hauptinitiatoren jenes Gesetzesentwurfs sind John McCain und Lindsey Graham. Die beiden republikanischen Senatoren aus Arizona und South Carolina, die sich größtmöglicher Nähe zur amerikanischen Rüstungsindustrie erfreuen, waren bereits im Januar in der Ukraine unterwegs, um das Regime Viktor Poroschenkos in Kiew zu größeren militärischen Anstrengungen gegen die pro-russischen Rebellen in der Ostukraine anzufeuern. Das Ergebnis war ein Aufflammen der Kämpfe mit vielen Toten auf beiden Seiten.

14. Februar 2017


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