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USA/1406: Bekenntnis zur Verschärfung - Verhör- und Folterspezialistin an der Spitze der CIA ... (SB)


Bekenntnis zur Verschärfung - Verhör- und Folterspezialistin an der Spitze der CIA ...


Mit der Ernennung von Gina Haspel zur neuen CIA-Direktorin macht US-Präsident Donald Trump seine vollmundigen Wahlkampfversprechen von 2016, weit brutalere Methoden im "globalen Antiterrorkrieg" als Vorgänger Barack Obama anzuwenden, wahr. Die 62jährige Haspel gilt als Aushängeschild jener "verbesserten Verhörmethoden", die George W. Bush und Dick Cheney nach den Anschlägen vom 11. September 2001 angeordnet haben. 2002 war sie Leiterin des ersten "black site" der CIA im Ausland. Im Sommer jenen Jahres wurden in dem Geheimgefängnis namens "Cat's Eye" in Thailand die beiden mutmaßlichen Al-Kaida-Mitglieder Abu Zubaidah and Abd Al Rahim al Nashiri unter den Augen Haspels von den beiden freiberuflichen Psychologen James Mitchell und Bruce Jessen auf brutalste Weise gefoltert.

Im nachhinein hieß es, der US-Auslandsgeheimdienst versuchte damals verzweifelt Erkenntnisse aus den beiden Gesinnungsgenossen Osama Bin Ladens zu bekommen, um weitere Großanschläge gegen Ziele auf dem amerikanischen Festland verhindern zu können. Bei sorgfältiger Betrachtung des Zeitablaufs drängt sich jedoch der Verdacht auf, daß Zubaidah und Al Nashiri zu Aussagen gezwungen werden sollten, welche die Bush-Regierung für die damals anlaufende Propagandakampagne zur Begründung eines längst beschlossenen, illegalen Krieges gegen den Irak, um dort Saddam Hussein zu stürzen, nutzen wollte.

2005 koordinierte Haspel das CIA-Programm der "außergewöhnlichen Überstellungen" und hatte einen ganzen Gulag aus Geheimgefängnissen in Osteuropa, Afrika und Asien unter ihrer Obhut. Am 9. November 2005 hat sie, auf Anweisung von José Rodriguez, damals Chef der Abteilung für verdeckten Operationen bei der CIA, die Vernichtung sämtlicher Videoaufzeichnungen von Folterungen in den "black sites" angeordnet. Auch hier ist der Zeitpunkt frappant. Wenige Tage zuvor hatte Leonie Brinkema, Richterin am Bundesgericht in Alexandria, Virginia, die Aushändigung allen amtlichen Materials angeordnet, das zur Entlastung von Zacarias Moussaoui, dem sogenannten "20. Hijacker" des 9/11-Komplotts, der bereits im August 2001 ins FBI-Netz gegangen war, beitragen könnte.

Die Beseitigung jener Videoaufzeichnungen war also nicht nur eine krasse und illegale Mißachtung eines richterlichen Befehls, sondern auch ein riesiger Akt der Vertuschung. Später sollte Rodriguez die Maßnahme mit dem Wunsch, sich selbst und seine CIA-Kollegen vor unnötiger gerichtlicher Verfolgung zu schützen, begründen. Doch wenn auf den Videobändern Informationen zu finden gewesen wären, welche der offiziellen Version vom 9/11 widersprochen hätten? Bei seiner Festnahme 2003 in Pakistan hat Khalid Scheich Mohammed jede Verwicklung in den 11. September bestritten; nachdem er 183mal dem Waterboarding unterzogen wurde, stand er als "Chefplaner" der Flugzeuganschläge da. Die von KSM durch schwerste Mißhandlungen erzwungenen Aussagen bilden den Grundstein des 2006 fertiggestellten Berichtes der "unabhängigen" 9/11-Kommission. Im September desselben Jahres hat George W. Bush per Präsidialdekret die Schließung aller "black sites" im Ausland und die Unterbringung von KSM, Al Zubaidah, Al Nashiri und anderen mutmaßlichen Al-Kaida-"Terroristen" in dem Sondergefängnis auf dem Gelände des US-Marinestützpunkts Guantánamo Bay veranlaßt.

Von 2009 bis 2017 hat Barack Obama vergeblich versucht, das Sonderinternierungslager Guantánamo zu schließen und die Inhaftierten dort dem regulären Justizsystem der USA zu überstellen. Er scheiterte vor allem am Widerstand republikanischer Moslemhasser und Terrorkriegsfanatiker. Seit 2008 schleppt sich der Prozeß vor einem Sondermilitärtribunal gegen KSM und vier weitere mutmaßlich Beteiligte des 9/11-Komplotts dahin und kommt wegen der Geheimniskrämereien der Behörden sowie des desaströsen physischen und geistigen Zustands der Angeklagten nicht wirklich voran. Auch die Anwälte von Abu Zubaidah und Al Nashiri beklagen die katastrophale Verfassung ihrer Mandaten. Beide Männer sind infolge der grausamen Folter durch die CIA und der anschließenden jahrelangen Isolationshaft in Guantánamo schwer krank und geistig verwirrt.

Aktuell tobt - unbemerkt von der großen Öffentlichkeit - um den Prozeß gegen Al Nashiri wegen Beteiligung an dem Anschlag auf das US-Kriegsschiff Cole im Oktober 2000 im Hafen von Aden, ein heftiger Streit. Nach der Entdeckung eines versteckten Mikrofons Ende letzten Jahres in dem Zimmer, in dem sich Al Nashiri angeblich allein mit seinen Anwälten treffen durfte, hat die Verteidigung ihre Teilnahme an der Justizcharade aufgekündigt und weigert sich seitdem, nach Guantánamo zu kommen. Wegen Mißachtung des Militärtribunals hat der zuständige Richter, Luftwaffenoberst Vance Spath, den Anwälten mit Verhaftung gedroht. Ganz im trumpschen Sinne hat Spath die Beschwerde der drei Pflichtverteidiger über das illegale Belauschen ihrer Gespräche mit Al Nashiri als "fake news" bezeichnet.

Als 2007 die Tatsache der Vernichtung der Videobänder von den "außergewöhnlichen" Verhörstunden Abu Zubaidas und Konsorten bekannt wurde, löste dies eine heftige Kontroverse aus, die ihren Höhepunkt Ende 2014 mit der Veröffentlichung des Folterberichtes des Senats fand. Damals standen sich Obamas CIA-Chef John Brennan, dem die Autoren des Berichts in ihrer Kritik zu weit gingen, und die demokratische Vorsitzende des Geheimdienstsausschusses, die kalifornische Senatorin Dianne Feinstein, die eine Aufarbeitung von Amerikas "schwärzester Stunde" befürwortete, unversöhnlich gegenüber. Heute sind Brennan, der inzwischen die amerikanische Öffentlichkeit als Fernsehexperte in Sachen Sicherheitspolitik berät, und Senatorin Feinstein einer Meinung, daß Gina Haspel eine hervorragende CIA-Chefin wäre.

Von daher ist nicht zu erwarten, daß eine Mehrheit im Geheimdienstausschuß des Senats auf die Klagen von Bürgerrechtsorganisationen wie der American Civil Liberties Union (ACLU) hören und gegen die Personalie Haspel votieren wird. Zwar werden die Republikaner John McCain und Rand Paul bei ihrem Nein bleiben und damit das Rückzugsgefecht der Foltergegner anführen, doch am Ende wird sich Trump durchsetzen. Mit Haspel als CIA-Chefin und ihrem Vorgänger Mike Pompeo als neuem Außenminister werden es Amerikas Militaristen leicht haben, ihren Feinden irgendwelche Missetaten anzuhängen, wenn sie demnächst zur Erzeugung irgendeines Kriegsvorwands belastende Aussagen benötigen. Zwar ist Folter im Sinne der polizeilichen Erkenntnisgewinnung vollkommen nutzlos, doch sie eignet sich seit jeher hervorragend zur Produktion von falschen Geständnissen. Der Umstand, daß gestern die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, fabulierte, es bestünde die Gefahr einer russischen Nervengiftattacke auf New York, läßt erahnen, wie schnell Gefahrenlagen aufgebaut und zweckdienlich ausgeschlachtet werden könnten.

17. März 2018


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