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USA/1409: Washington - gewählte Feinde und unerwünschte Freunde ... (SB)


Washington - gewählte Feinde und unerwünschte Freunde ...


Man muß für Donald Trump absolut nichts übrig haben, um zu erkennen, daß die Angriffe auf seine Person ein Ausmaß erreichen, das kein US-Präsident vor ihm aushalten mußte. Sicherlich erntet der ehemalige New Yorker Immobilienmagnat jenen Sturm, den er mit beleidigenden und rassistischen Sprüchen im Wahlkampf 2016 gesät hat und seit dem Einzug ins Weiße Haus Ende Januar 2017 weiter entfacht. Und dennoch läßt sich der Konsens der US-Konzernmedien und der meisten staatskonformen Kommentatoren, Trump müsse so schnell wie möglich aus seinem Amt gedrängt werden, nicht mit der Sorge um Demokratie, Frauenrechte, gesellschaftlichen Frieden oder gar Umwelt erklären. Die offene Feindschaft des politischen Establishments Trump gegenüber rührt aus dessen erklärtem Willen her, das militärische Engagement der USA in Übersee zu reduzieren und sich dafür mit gegnerischen Mächten wie Rußland und Nordkorea zu arrangieren. Ein solches Ansinnen steht dem Streben der aus neokonservativen Republikanern und humanitär-interventionistischen Demokraten bestehenden Dauermehrheit im Kongreß nach amerikanischer Welthegemonie im Weg und wird deshalb mit allen Mitteln bekämpft.

Am 5. September hat die New York Times, völlig ungewöhnlich, den spektakulären Gastbeitrag eines nicht namentlich in Erscheinung tretenden Mitarbeiters des Präsidenten veröffentlicht, in dem die Person behauptet, Teil einer Widerstandsgruppe im Weißen Haus zu sein, die nach bestem Willen Amerika und die Welt vor dem Chaoten Trump zu schützen versuche. Zunächst ist festzustellen, daß diese Person möglicherweise gar nicht existiert. Schließlich war es die New York Times, die 2002 und 2003 die Lügengeschichten der Regierung George W. Bushs über Saddam Husseins "Massenvernichtungswaffen" und Bagdads Verbindungen zum Al-Kaida-"Netzwerk" Osama Bin Ladens auf ihrer Titelseite brachte und damit half, die nötige öffentliche Atmosphäre für den illegalen Einmarsch amerikanischer und britischer Streitkräfte in das Zweistromland zu schaffen. 2004 hat Amerikas "Paper of Record" auf ausdrückliche Bitte des Weißen Hauses einen Enthüllungsbericht der eigenen Redaktion über die illegale Ausspähung des gesamten US-Telefon- und Internetverkehrs durch die NSA der Öffentlichkeit vorenthalten, um den Sieg von Bush jun. bei der Präsidentenwahl gegen John Kerry nicht zu gefährden.

Nichtsdestotrotz gibt der "Gastbeitrag" in der New York Times aufschlußreiche Informationen über die politische Stoßrichtung der Trump-Feinde. Der Autor der denkwürdigen Schrift erklärt zum Beispiel, nicht alles, was die Trump-Regierung in den letzten eineinhalb Jahren gemacht habe, sei schlecht gewesen. Lobend hervorgehoben werden "historische Steuererleichterungen" für die Großkonzerne und die Schwerreichen, "Deregelierung", sprich Abbau von Umweltschutzvorschriften und Arbeitsplatzstandards, sowie die "Stärkung des Militärs". Vergeblich sucht man im Artikel nach Kritik an den umstrittensten Maßnahmen der bisherigen Trump-Ära, nämlich an dem Einreiseverbot für Muslime und der Verhaftung von Flüchtlingen und Asylsuchenden sowie ihre Unterbringung in speziellen Lagern, Eltern von Kindern getrennt. Dafür wird Trump als "amoralischer" Lügner und Schwätzer dargestellt, der sprunghaft, launisch und völlig irrational agieren soll. Die Entscheidungen Trumps, die den radikalsten Bruch mit der Politik seiner Vorgänger darstellen, nämlich der Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran, die Verlegung der US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem und die Streichung der amerikanischen Zuwendungen für das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten werden in dem Artikel mit keinem Wort erwähnt, geschweige denn moniert.

Der Verfasser des Artikels lastet Trump eine Vorliebe für "Autokraten und Diktatoren" an. Interessant, wenn nicht sogar bezeichnend, ist die Auswahl der Staatsführer, die hier als keine gute Gesellschaft für einen US-Präsidenten hingestellt werden. Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte, den Trump wegen seines blutigen Feldzugs gegen Drogenkriminelle mehrfach gepriesen hat, und der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman, dem Trump milliardenteure Rüstungsgüter verkauft hat, um im Jemen Völkermord zu verüben, bleiben natürlich außen vor. Es sind Trumps Friedensofferten gegenüber Wladimir Putin und Kim Jong-un, die in dem Artikel als verurteilenswert dargestellt werden. Dafür wird der vor kurzem verstorbene Kriegstreiber John McCain als Beispiel eines "ehrenhaften" US-Staatsmanns angeführt, dem Trump nicht das Wasser reichen könne.

Der außergewöhnliche NYT-Gastbeitrag erschien einen Tag, nachdem in der Washington Post die ersten Auszüge aus dem neuen Buch der Watergate-Legende Bob Woodward über das vermeintliche Durcheinander in der Trump-Administration veröffentlicht wurden. Woodward zitiert Stabschef John Kelly dahingehend, das Weiße Haus sei eine "Irrenanstalt" und Trump ein "Idiot". Kelly bestreitet vehement, eine solche Beschreibung jemals von sich gegeben zu haben und hat sich zu der produktiven Zusammenarbeit mit Präsident Trump bekannt. In Woodwards "Fear" wird beschrieben, wie Trump im vergangenen Jahr angeregt hat, die 26.500 US-Soldaten in Südkorea mit dem Argument nach Hause zu holen, der Koreakrieg sei lange vorbei, die Stationierung mache finanziell wie militärisch keinen Sinn. Dafür soll der Präsident von Verteidigungsminister James Mattis eines Besseren belehrt werden; die US-Streitkräfte in Südkorea dürften nicht abgezogen werden, denn sie würden den "Dritten Weltkrieg" verhindern.

Der Austausch zwischen Trump und General a. D. Mattis - sofern er sich wie von Woodward geschildert überhaupt ereignet hat - macht die Trennlinie zwischen dem amtierenden US-Präsidenten und der außenpolitischen Elite in Washington dennoch sichtbar. Auch wenn er nicht über einen umfassenden sicherheitspolitischen Sachverstand verfügt, hat Trump immerhin die Gefahr der imperialen Überdehnung, vor der bereits vor Jahren der Historiker Paul Kennedy warnte, erkannt und will deshalb das US-Militär schlagkräftiger machen, indem man sich von überholten Verpflichtungen im Ausland verabschiedet. Washingtons Geopolitiker fürchten ihrerseits die Trumpsche Konsolidierung, weil die USA aus ihrer Sicht dadurch strategische Positionen aufgeben könnten, die sich noch als nützlich - etwa der asiatische Brückenkopf in Südkorea bei einem Krieg gegen die Volksrepublik China - erweisen könnten. Durch die Dauerbeschäftigung mit der Hauptstadtintrige gegen Trump - Stichwort "Russiagate" - können alle Beteiligten ausblenden, daß das Festhalten an der Osterweiterung der NATO und provokante Manöver der US-Marine im Südchinesischen Meer den Dritten Weltkrieg der USA gegen Rußland respektive China wahrscheinlich machen.

6. September 2018


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