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BERICHT/319: Digitale Vernetzung - auf der Strecke bleibt der Lohnempfänger ... (SB)


Darüber hinaus zeigt sich, dass die Digitalisierung zunehmend als ein Machtfaktor im Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital wirkt. Sie eröffnet in steigendem Maße Potenziale der Entsicherung, Entkollektivierung und Entmächtigung menschlicher Arbeitskraft. Gehen die technisch-organisatorischen Umwälzungen im vermeintlichen Selbstlauf, faktisch jedoch getrieben und geprägt von unternehmerischen Effizienz- und Kontrollkalkülen vonstatten, verändert die Digitalisierung die Dynamik zugunsten "des Kapitals" und zulasten "der Arbeit". Um dies zu verhindern, bedarf es arbeitspolitischer Interventionen und arbeitsrechtlicher Regulierungen.
Michael Schwemmle, Peter Wedde: Alles unter Kontrolle? Arbeitspolitik und Arbeitsrecht in digitalen Zeiten [1]


Mit dem Neubau einer Fabrik für LCD-Schirme im US-Bundesstaat Wisconsin tätigt der taiwanesische Konzern Foxconn seine bislang größte Investition in eine Produktionsanlage außerhalb Asiens. Auch wenn die Arbeitsbedingungen des für die Kasernierung und Kujonierung seiner Angestellten berüchtigten Unternehmens in den USA nicht den frühkapitalistischen Bedingungen in den Foxconn-Werkhallen der Volksrepublik China entsprechen dürften, so zeigt die Entwicklung doch, daß den Produkten, die aus der chinesischen IT-Schmiede nach Nordamerika exportiert werden, die Arbeit folgt. Das Lohnniveau in den USA auf chinesische Verhältnisse zu drücken und Computer und Mobiltelefone im eigenen Land zu fertigen hat zwar den Vorteil, den Handelsüberschuß, den die "Fabrik der Welt" gegenüber den USA angehäuft hat, zu verringern. Dies in die Tat umzusetzen ist allerdings ohne das große Ausmaß an sozialer Verelendung der Lohnabhängigenklasse in den USA kaum vorstellbar.

Es ist kein Zufall, daß Wisconsin das Rennen um eine Industrieansiedlung gemacht hat, die 13.000 Jobs bei Foxconn und weitere 22.000 in Zulieferbetrieben erzeugen soll. Der US-Gliedstaat gehörte schon in den 1990er Jahren mit dem Entzug vieler Sozialleistungen zu den Vorzeigebeispielen für das von US-Präsident Bill Clinton vorangetriebene Workfare-Regime. Heute, um nur zwei Beispiele zu nennen, wo rund 42 Millionen Menschen in den USA ohne Essensmarken aus staatlicher Hand hungern müßten und ein Drittel der Studierenden vor dem Problem steht, daß bei der Finanzierung der eigenen Ausbildung nicht genügend Mittel zum täglichen Sattwerden übrigbleiben, könnten die Umstände für den Kauf von Lohnarbeit kaum günstiger sein. Auch dieses Mal steht Wisconsin an vorderster Front der Prekarisierungsoffensive. Die im US-Kongreß als Gesetzesvorlage eingebrachte Kopplung des Erhalts von Food Stamps an den Nachweis des Verrichtens von mindestens 20 Stunden Lohnarbeit oder die durch einen Fallmanager beaufsichtigte Jobsuche wurde in Wisconsin bereits 2013 eingeführt und hatte einen erheblichen Rückgang bei den Ausgaben für die staatliche Lebensmittelhilfe zur Folge [2].

Umfragen zur Zukunft der Arbeit in der Bundesrepublik, wahlweise als "Arbeit 4.0" oder "Industrie 4.0" umschrieben, belegen, wie sehr die Menschen auch hierzulande von der Angst umgetrieben werden, daß die Rationalisierung der Produktion durch informationstechnische Systeme nicht nur die Ausbeutungsintensität vergrößert, sondern unmittelbar in prekäre Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit führt. Das gilt mindestens ebensosehr für Bürokratie und Administration, wie der Fortschrittsbericht Fachkräftekonzept des Bundesarbeitsministeriums 2017 belegt. Darin wird ein digitalisierungsbedingter Arbeitskräfteabbau in der öffentlichen Verwaltung bis 2030 zwischen 372.000 und 427.000 Stellen angekündigt. All das diene der Effizienz und Kundenfreundlichkeit, besagt ein anderer Bericht des BMAS, in dem der Wegfall von "bisher papierlastigen Routineprozessen" und ihre Ersetzung durch eine von Algorithmen gesteuerte Bürokratie prognostiziert wird.

Nicht umsonst spricht DGB-Chef Reiner Hoffmann vom Risiko des Heranwachsens eines "neuen digitalen Proletariats" [3]. Dem mit mehr "Bildung und Qualifizierung" entgegenzuwirken und an eine gerechte Gestaltung des digitalen Wandels in der Arbeitswelt zu appellieren wird den Fortschritten in der technischen Befähigung digitaler Systeme und des dadurch beschleunigten Austausches menschlicher Lohnarbeit durch maschinelle Prozesse allerdings kaum gerecht. Auch sein Argument, es gelte, die "großen Standortvorteile Europas, insbesondere Deutschlands" in der "industriellen Fertigung und Produktion" zu nutzen, an die die großen Akteure des Plattform-Kapitalismus kaum herankämen, weil es sich um "reine Vermittlungsagenturen" handelte, ignoriert deren umfassende Bedeutung für die Organisation der Arbeit und die Sicherung herrschender Verhältnisse.

Wenn die großen IKT-Konzerne zu den profitabelsten Unternehmen der Welt zählen, dann nicht deshalb, weil sie einfach nur Kontakte zwischen den eigentlichen ökonomischen Akteuren herstellen. Auch wenn materielle Arbeit und industrielle Güterproduktion die Basis kapitalistischer Mehrwertproduktion bildet, zeigt schon deren finanzkapitalistische Verwertung, daß die Verfügbarkeit von Krediten möglicherweise weit wichtiger ist als das Wissen um industrielle Fertigungsprozesse. So liegt das Geschäft von Amazon, Google, E-Bay oder Microsoft nicht anders als zur Zeit des Fordismus darin, andere für sich arbeiten zu lassen. Im Rahmen des neoliberalen Welthandels, der die Arbeit der Menschen global vergleichbar macht und auf dem niedrigsten Nenner verallgemeinert, tun sie dies unter Ausnutzung von Monopolisierungstendenzen, die sich aus der Kontrolle der von ihnen etablierten Märkte ergeben. Indem ihre Plattformen die Strukturen und Standards globaler Tauschverhältnisse und Preisbildungsprozesse beeinflussen, sind die ProduzentInnen der darauf gehandelten Waren und Dienstleistungen auf eine Art und Weise in die Abhängigkeit der sogenannten Vermittlungsagenturen geraten, daß deren Verharmlosung zu bloßen Kontaktbörsen nicht weniger irreführend ist als der beschwichtigende Euphemismus der "Sozialpartnerschaft" für den Antagonismus von Kapital und Arbeit.

So schicken sich die großen IKT-Akteure in ihrer aus den Netzwerkeffekten des digitalen Kapitalismus gespeisten Verfügungsgewalt an, nicht nur die Märkte der Güter und Dienstleistungen zu kontrollieren, sondern die Lebensverhältnisse der Menschen bis hinein in deren Physis zu ihren Gunsten zu kommodifizieren. Zudem haben sie ihr Geschäft längst diversifiziert, indem sie in E-Mobilität oder medizinische Anwendungen investieren, zu Content Providern im Mediengeschäft und Arbeitsagenturen der Gig Economy aufsteigen, sich die Archive wissenschaftlicher und kultureller Entwicklung aneignen und die Marktsubjekte mit hochauflösender Zugriffgewalt in Verwertungs- und Arbeitsprozesse einspeisen.

Die politischen Voraussetzungen ihrer Marktführerschaft in großen Teilen der Welt sind verankert im Krisengeschehen der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts. Begünstigt durch die Währungspolitik der US-Zentralbank erwirtschafteten die US-amerikanischen IT-Konzerne einen fast uneinholbaren Vorsprung in den Schlüsselsektoren der globalen Organisation von Produktion und Reproduktion [4]. Die von ihnen freigesetzte Innovationsdynamik wälzt die Produktivkräfte und die davon bestimmten Normen kapitalistischer Vergesellschaftung in einem Tempo und einer Tiefe um, daß die Geringschätzung ihrer Wirkungsmacht wenn nicht auf die eigenen Füße fällt, dann zumindest zu Fehleinschätzungen sozialer und politischer Machtverhältnisse führt. Gleiches gilt für das Konzept Industrie 4.0, orientiert sich der Primat allumfassender Vernetzung und Kontrolle doch am Beispiel jener digitalen Plattformen, die es in kürzester Zeit verstanden haben, den Kapitalismus auf eine neue Ebene seiner Verwertungslogik zu hieven.


Im Vortrag vor Projektionswand - Foto: © 2018 by Schattenblick

Thomas Engel lotet Beschäftigungsperspektiven aus
Foto: © 2018 by Schattenblick


Die Rationalisierungsoffensive der smarten Fabrik

Vor diesem Hintergrund auf Modernisierungschancen und Produktivitätsgewinne zu hoffen, wie auch unter Gewerkschaftern verbreitet, ist ein schaler Ersatz für eine die sozialen Folgen der Digitalisierung auf der Höhe der technischen Entwicklung antizipierende Analyse. Thomas Engel, der auf einer Konferenz der Marx-Engels-Stiftung Anfang März in Essen "arbeits- und gesellschaftspolitische Perspektiven" der Industrie 4.0 auslotete, tut dies insbesondere in Hinsicht auf gesundheitliche Auswirkungen, die auch als Parameter für eine gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit der digitalen Transformation fungieren können.

An der Friedrich-Schiller-Universität Jena forscht der Wissenschaftler im Bereich der Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie am Projekt Gesunde Arbeit in Pionierbranchen (GAP). Als zentrales Merkmal der Industrie 4.0 hob er die Vernetzung mit anderen Automaten, Werkstücken, Menschen und Werkzeugen durch Cyberphysische Systeme (CPS) hervor. Die technische Entwicklung sei allerdings nicht zu trennen von sozialen Aushandlungsprozessen, die gegenüber dem Versuch der deutschen IT-Industrie, Industrie 4.0 als Projekt zu definieren, das weltwirtschaftliche Stagnationstendenzen zu überwinden hilft und auf diesem Feld Wertschöpfungspotenzen hervorbringt, die bislang auf die IT-Industrie beschränkt waren, leicht ins Hintertreffen geraten.

Anhand der Bilanzen deutscher Wirtschafts- und Industriezweige führte Engel dem Publikum vor Augen, daß Dienstleistungen und Industrie gegenüber Finanz- und Agrarwirtschaft wie auch dem IKT-Sektor lediglich unterdurchschnittliche Profitraten erwirtschaften. Die relativ schwachen Profite der güterproduzierenden Unternehmen basierten auf einem großen Lohnanteil, woraus die Idee Industrie 4.0 entwickelt worden sei. Dabei gelte es, aus dem Branchen- und Qualifikationsmix in Deutschland eine übergreifende Wachstums- und Wettbewerbsstrategie zu entwickeln. Während die technische Zunft das disruptive Element und den exponentiellen Charakter der Entwicklung betone, die durch die stetig anwachsende Leistungssteigerung der Prozessoren und die Verbilligung der Festplatten befeuert werde, gehe sein Forschungsprojekt eher von technologischen Kontinuitäten aus. So habe es die Idee einer industriellen Fertigung nach individuellem Kundenwunsch auch vor der Vernetzung der Produktion gegeben, lautete eines der Argumente, mit der die Rhetorik von einer technologischen Revolution relativiert wurde.

In der Berichterstattung und den öffentlichen Debatten steht häufig die apparativ-instrumentelle Seite von Industrie 4.0 im Vordergrund. Engel begreift die technische Umsetzung der Digitalisierung, die als Computerisierung, Informatisierung und Vernetzung manifest wird, jedoch als "Artefakt sozialen Handelns". Technik fange nicht einfach zu existieren an, sondern sei das Ergebnis menschlicher Erkenntnis und sozialer Prozesse, die mit Macht und Sinngebung zu tun hätten. Wenn Arbeitsproduktivität, Familieneinkommen und Jobentwicklung auseinanderfallen, wenn Familieneinkommen und Jobs bei allen Rationalisierungsbemühungen und Produktivitätsgewinnen der Wirtschaft stagnierten und der wachsende Wohlstand von hohen Armutsquoten und einem schwierigen Zugang zur Gesundheitsversorgung begleitet werde, habe man es nach wie vor mit Problemen der Überakkumulation zu tun.

So werde mit der Digitalisierung der Industrie zwar versucht, Wettbewerbsvorteile zu schaffen, aber es entstünden keinen neuen Märkte. Anstelle dessen hätten die Unternehmen in den letzten Jahrzehnten sogenannte Winner-Takes-All-Märkte geschaffen, auf denen die Gewinnabschöpfung erheblich erleichtert wurde und sich keine Gewerkschaften etablierten, mit denen Lohnkompromisse ausgehandelt werden. Wo diese Plattformen mit der Gratisarbeit der Konsumenten bewirtschaftet und schnelle Gewinne eingefahren werden, entstehe eine Art technologischer Arbeitslosigkeit, die schon seit den 1970er Jahren an die Stelle des Umverteilungsprinzipes trete. Dabei bleibe das stoffliche Fundament der digitalen Ökonomie unterbelichtet, so der Referent unter Verweis auf Christian Fuchs, der auf die sektorübergreifende Verkettung der Produktion von der Agrar- und Rohstoffwirtschaft über die industrielle Fertigung der Technik bis zum modernen Dienstleistungsgewerbe hingewiesen habe. Dieses Wissen müsse stärker in den Mittelpunkt rücken, um Spaltungsrisiken verständlich und sichtbar zu machen, so Engel.

Auch resultiere der Weltmarkterfolg der BRD weniger aus Produktivitätssteigerungen als aus Lohnzurückhaltung. Insgesamt werde die soziale Polarisierung bei Erodierung des mittleren Berufsqualifikationssegments vor allem unterhalb der Ingenieursebene verschärft. Zwar werde der Aufbau der Informatik im Hochschulbereich gefördert, jedoch sei eine Reduzierung der technischen Intelligenz- und Berufsklassen zu bilanzieren. Selbst gutausgebildete Ingenieure machten häufig die Erfahrung, daß sie bei hohem Arbeitsdruck kaum Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten hätten.

Weiterhin kam Engel auf die verschiedenen Strategien der Mensch-Maschine-Organisation zu sprechen. So würden bei der Automatisierung Daten ohne Ende gesammelt und tendenziell so eingesetzt, daß menschliche Arbeitskraft am Ende ersetzbar sei. Die von DGB-Chef Hoffmann geäußerte Hoffnung, der Mensch werde auch zukünftig die Maschine steuern und nicht die Software über menschliche Arbeit gebieten, scheint bis auf weiteres eine solche zu bleiben. So konstatiert die Forschergruppe GAP, daß es durchaus nicht automatisierbare Dienstleistungen wie etwa im Pflegebereich, im Gesundheitsmanagement oder der Fortbildung gibt. Viele andere Tätigkeiten würden jedoch durch informationstechnische Systeme ersetzbar, und auch in der sogenannten Wissensarbeit gebe es Rationalisierungstendenzen. Die Annahme einer weiteren Entwertung menschlicher Arbeit geht jedenfalls mit den Leitbildern der Maschinen- und Organisationsentwickler konform. Indem sie daran arbeiten, daß die Strukturen im Betrieb in Echtzeit digital abgebildet werden und sich selbst regulierende Maschinen den Arbeitsprozeß optimieren, gehen sie von einem Automatisierungsszenario aus, das die Vorstellung, Roboter hätten lediglich die Aufgabe, dem Menschen zu assistieren, bereits obsolet gemacht hat.

Bislang jedoch habe die Forschergruppe GAP vor allem festgestellt, daß die Einführungs- und Anfahrphasen von robotisierten und informationstechnisch gesteuerten Produktionsprozessen sehr personalintensiv sind. Bei ihren Untersuchungen seien die Betriebshallen voll von Leuten gewesen, die diesen Prozeß permanent optimierten und am Laufen hielten. Im Automobilbereich hätten sie an einem Fallbeispiel festgestellt, daß die Bedienung indivdualisierter Kundenwünsche, ein zentrales Merkmal von Industrie 4.0, zum Ausbau der sogenannten Intralogistik geführt habe. Die dabei wahrgenommene Ähnlichkeit mit der Arbeit sogenannter Picker, die Teile aus den Regalen eines Lagers nehmen, faßte Engel in der These von der "Amazonisierung der Industriearbeit" zusammen. Während die Beschäftigten am Band auf die Montage der Autos beschränkt blieben, was den Nachteil habe, daß sie noch weniger Bewegungen vollziehen könnten, die außerhalb des unmittelbaren Zusammenbaus des Fahrzeuges lägen, hätten andere, vornehmlich ältere oder geringer qualifizierte Arbeitskräfte die Zuarbeit geleistet.

Da diese Komissionierungsarbeit als weniger anspruchsvoll gilt, bestehe die Gefahr, daß ihre Entlohnung nach einem geringeren Tarif erfolgt. Was im digitalen Taylorismus des Versandhandels, wo die Zerlegung der Arbeit in genau kontrollierte Strecken und Griffe wie die über digitale Endgeräte ausgegebenen Anweisungen und bemessenen Handlungen praktisch in einem mobil gewordenen Fließband resultieren, hart umkämpft sei, könne so auch in die Werkhallen der Automobilindustrie eindringen. Zwar würde die weitere Robotisierung der Produktion dort mit körperlichen Entlastungseffekten für die ArbeiterInnen beworben. Der hohe Anspruch auf fehlerfreie Belieferung des Bandes sorge jedoch dafür, daß an die Stelle anstrengender körperlicher Arbeit eine Steigerung der Aufmerksamkeit trete, die bei der schnellen und zuverlässigen Bestückung der Montagearbeit nicht weniger erschöpfend sei.

Während das Erfahrungswissen der ArbeiterInnen nach wie vor zu gering geschätzt werde, steige die Anforderung an sogenannte soft skills wie gutes Sozial- und Teamverhalten, gute Kommunikations-, Motivations- und Konzentrationsfähigkeit. Man könnte auch mutmaßen, daß das, was Menschen im eigentlichen Sinne von Maschinen unterscheidet, desto gefragter wird, als repetitive Routinen durch Automatisierung und Robotisierung ersetzbar werden. Das mit der technischen Substitution physischer Leistungen einhergehende Versprechen auf eine Entlastung von entfremdender Arbeit scheint eher in innovativen Formen ewig gleicher Ausbeutung aufzugehen, als daß mit Industrie 4.0 die Befreiung vom Reich der Notwendigkeit anstehe, war zumindest der Eindruck, der beim SB-Redakteur bei diesem Vortrag und der anschließenden Diskussion dominierte.

Zu fragen bleibt, inwiefern eine sich zusehends verselbständigende, ganz und gar auf eine Steigerung des Outputs an Gütern und Dienstleistungen wie das Bestehen in der internationalen Krisenkonkurrenz zugerichtete Produktionsweise wie Industrie 4.0 angesichts der gesellschaftlichen und ökologischen Krise überhaupt das Interesse des Gros der Menschen repräsentieren kann. Solange die Kapitalverwertung um ihrer selbst willen den Takt des Bandes und den Preis der Waren vorgibt, werden der Lohnabhängigenklasse nicht einmal die naheliegenden Verbesserungen einer deutlichen Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich gewährt werden. Die Digitalisierung der Gesellschaft betrifft nicht nur die Rationalisierung der Arbeit, sie nimmt das ganze Leben der sich darüber definierenden Menschen in den Griff eines eisernen Optimierungsdruckes. Daß die Überfülle eines Unterhaltungs- und Ablenkungsangebotes, dessen entpolitisierender bis reaktionärer Gehalt en passant für Leere in den Köpfen und dumpfe Ressentiments im Bauch sorgt, den ganzen Platz besetzt, an dem Emanzipation und Widerstand aufkeimen könnten, eröffnet herrschafts- und technologiekritischen AktivistInnen ein weites Feld konstruktiver Betätigung.


Fußnoten:

[1] Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung in WISO Diskurs 02/2018, herausgegeben von der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik, 2018, S. 5

[2] https://www.wsws.org/en/articles/2018/04/24/cuts-a24.html

[3] http://www.deutschlandfunk.de/zukunft-der-arbeit-dgb-chef-wir-muessen-vor-robotern-keine.694.de.html?dram:article_id=416756

[4] REZENSION/654: Detlef Hartmann - Krisen Kämpfe Kriege (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/buch/sachbuch/busar654.html

2. Mai 2018


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