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BERICHT/030: Hilfsorganisationen kritisieren Konzept der vernetzten Sicherheit (SB)


Pressegespräch mit Monika Hauser (medica mondiale) und
Thomas Gebauer (medico international) am 9. Juli 2010 in Berlin


Die raubgestützte Überlebenssicherung zu Lasten der von ihr produzierten Opfer beruht auf überlegener Waffengewalt, die in direkter Anwendung oder als unverzichtbare Grundlage politischer, ökonomischer, kultureller und sozialer Dominanz den breitgefächerten Prozeß der Verfügbarmachung garantiert. Das Primat militärischer Stärke und aller auf ihr gründenden Spielarten der Verwertung hängt zwangsläufig wie ein Damoklesschwert über jedem Ansatz, die Not durch Hilfsmaßnahmen zu lindern. Ist es möglich, im Rahmen eines weltweiten Raubgefüges Hilfe zu leisten, ohne dessen Durchsetzung kompensatorischen und verschleiernden Flankenschutz zu geben oder gar genuiner Bestandteil desselben zu werden?

Diese Frage stellt sich in Afghanistan, wo nach westlicher Doktrin Krieg geführt und ein Besatzungsregime aufrechterhalten wird, um einerseits "terroristische" Aktivitäten einzudämmen und andererseits den Aufbau des Landes zu fördern. Da sich der fiktive Charakter des sicherheitspolitischen Legitimationsvorwands immer deutlicher abzeichnet, verschiebt sich der Schwerpunkt der Rechtfertigung der neun Jahre währenden Kriegsführung zunehmend auf die postulierte Verbesserung der Lebensverhältnisse, wobei diese heute weniger denn je befördert werden kann. Hilfeleistung in Afghanistan war von vornherein in ein Konzept des Nation building eingebunden, das seinem Anspruch nach zunächst gewaltsam jene Strukturen erzwingt, die als Voraussetzungen des Wiederaufbaus und einer funktionsfähigen staatlichen Ordnung vorgehalten werden.

Interventionismus im Namen von Demokratie, Menschenrechten und Entwicklung etabliert mithin einen legalistischen Entwurf weltweiter Kriegsführung, der sich ideologisch all jener Bestrebungen bedient, die man gemeinhin mit Frieden und Humanität verbindet. Die Einbindung ziviler Kräfte begnügte sich in Afghanistan zunächst mit einer Parallelstruktur militärischen und humanitären Engagements, die Counterinsurgency und Wiederaufbau als zwei getrennte Sphären auswies. Der offiziellen Doktrin zufolge bekämpfte man die Aufständischen, während man zugleich die Zivilbevölkerung unterstützte. Wie in jedem Guerillakrieg gegen eine Besatzungsmacht ist dieser Ansatz zum Scheitern verurteilt, sofern es dem Okkupationsregime nicht gelingt, eine einheimische Statthalterschaft zu installieren, die dem Widerstand gegen die ausländischen Eindringlinge die Spitze zu nehmen im Stande ist. Da die Marionettenregierung Hamid Karsais in Kabul diese Grundvoraussetzung nicht erfüllt, führt die afghanische Bevölkerung die massive Verschlechterung ihrer Sicherheitslage und Lebensverhältnisse in zunehmendem Maße auf die Präsenz aller westlichen Ausländer zurück, ob sie nun eine Uniform tragen oder in Zivil auftreten.

Thomas Gebauer und Monika Hauser

Thomas Gebauer und Monika Hauser

Die Afghanistanpolitik der westlichen Mächte für gescheitert zu erklären, ist dennoch irreführend, sofern man die vorgehaltene Intention des Wiederaufbaus für bare Münze nimmt. Die USA und ihre Verbündeten wollen sich am Hindukusch festsetzen, um eine außerordentlich wichtige geostrategische Position zwischen Rußland und China mit Zugang zu unverzichtbaren Bodenschätzen dauerhaft einzunehmen. Ein vollständiger Abzug ist nicht vorgesehen, was der Ausbau gewaltiger Stützpunkte unterstreicht. Freisetzen will man jedoch das Gros der Kampftruppen, die man zur Fortsetzung globaler Kriegsführung an anderen Schauplätzen dringend benötigt. Da die Strategie der Regierung Barack Obamas, durch eine massive Aufstockung des NATO-Truppenkontingents eine militärische Entscheidung zu erzwingen, bislang nur den Widerstand angefacht hat, bedarf es einer innovativen Herangehensweise unter verstärkter Indienstnahme ziviler Kräfte, um die Bevölkerung zu vereinnahmen und die Aufständischen auszugrenzen.

Das Konzept der vernetzten Sicherheit ist dem Paradigmenwechsel geschuldet, den zivilen Aufbau nicht länger als Parallelstruktur zu behandeln, sondern in eine Komponente der Aufstandsbekämpfungsstrategie zu verwandeln. Die Verknüpfung von militärischem Handeln und humanitärer Hilfe führt dazu, letztere ihres Anspruchs auf Eigenständigkeit zu entkleiden und der Kriegsführung unterzuordnen. Hilfe zu leisten, war bislang untrennbar mit der Übereinkunft verbunden, unabhängig von jeder Kriegspartei Notleidenden Unterstützung zu gewähren und dabei universelle moralische Gebote der Humanität wie auch internationale Konventionen geltend machen zu können. Auch wenn dies in zahllosen Fällen nur eingeschränkt oder gar nicht möglich war, galt doch zumindest der Anspruch als solcher als unantastbare Bastion. Was die NATO, die EU und nicht zuletzt die deutsche Regierungspolitik seit 2006 mit dem Ansatz der vernetzten Sicherheit eingeleitet haben, treibt hingegen die Entmenschlichung des Feindes mit einem Riesenschritt voran. Humanitärer Hilfe ist demnach nur würdig, wer sich den Interessen der westlichen Mächte fügt.

Worauf das hinausläuft, läßt eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA ahnen, der vor wenigen Wochen jede Form der Zusammenarbeit von Hilfsorganisationen oder Menschenrechtsgruppen mit "Terrororganisationen" zu einer strafbaren Unterstützung des "internationalen Terrorismus" erklärt hat. Im verhandelten Fall wollten Friedensaktivisten mit der kurdischen PKK und der LTTE in Sri Lanka lediglich zivile Konfliktlösungen unter Berufung auf internationales Recht und mittels Petitionen an die Vereinten Nationen einüben und erproben.

Ähnlich gelagert ist das kürzlich verfügte Verbot des Vereins Internationale Humanitäre Hilfsorganisation (IHH) durch Bundesinnenminister Thomas De Maizière, der damit der Arbeit der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) neue Verbotsnormen setzt. Wie De Maizière zur Begründung anführte, unterstütze die IHH sogenannte Sozialvereine im Gazastreifen, die der Hamas zuzuordnen seien. Da letztere die friedliche Verständigung der Völker beeinträchtige, sei es unzulässig, "den Einfluß der Hamas wegen ihres vermeintlichen sozialen Engagements weiter zu steigern" und zu einer Entlastung des Gesamtbudgets der Hamas beizutragen, "so daß ihr mehr Mittel für terroristische Aktivitäten zur Verfügung stehen". Was der IHH angelastet wird, betrifft letzten Endes jede humanitäre Organisation, die der Bevölkerung Gazas hilft und damit die Handlungsmöglichkeiten der Hamas erweitert. Die Verfügung des Bundesinnenministeriums läßt auf die Absicht schließen, humanitäre Hilfe per se als terroristisch zu verdächtigen, sofern sie unerwünschte Adressaten hat.

Denkt man diesen Verbotsansatz zu Ende, muß man die Palästinenser im Gazastreifen eher zugrunde gehen lassen, als sich des Verstoßes schuldig zu machen, durch humanitäre Hilfe angeblich die Hamas zu stärken. Auf die Weise degradiert man die Hilfsorganisationen zu willfährigen Werkzeugen sicherheitspolitischer Strategien und erpreßt die auf Unterstützung angewiesene Bevölkerung, sich von als feindlich eingestuften Gruppierungen abzuwenden.

Das Konzept der vernetzten Sicherheit und die Konzentration auf militärische Lösungen in Afghanistan, die einen zivilen Aufbau erschweren und eine Erhöhung des Gewaltpegels innerhalb der Gesellschaft zur Folge haben, kritisierten die Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen medica mondiale und medico international bei einem Pressegespräch am 9. Juli 2010 in Berlin. Im Vorfeld der internationalen Afghanistan-Konferenz, die morgen zum ersten Mal in Kabul stattfindet, sprach Monika Hauser, geschäftsführendes Vorstandsmitglied von medica mondiale, nach ihrer kürzlichen Rückkehr aus der afghanischen Hauptstadt über die Versäumnisse beim Staatsaufbau Afghanistans, worauf Thomas Gebauer, Geschäftsführer von medico international, die Kritik am Konzept der vernetzten Sicherheit thematisierte.

Beide Referenten warnten vor überhöhten Erwartungen an die Konferenz, zumal die afghanische Regierung zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal eine Tagesordnung zu Papier gebracht hatte und der Zivilgesellschaft nur ein einziger Sitz in dem Gremium zugestanden wurde. Der Anspruch von Bundesaußenminister Westerwelle, die Kabuler Konferenz solle die Glaubwürdigkeit des afghanischen Staatsapparats wiederherstellen, sei unter den herrschenden Bedingungen schlechterdings verfehlt. Vielmehr sei zu befürchten, daß die Tagung in fünf bis sechs Stunden abgewickelt werde und als bloße Inszenierung fiktiver Fortschritte über die Bühne gehe.

Der von Hauser vorgetragene Bericht über die Lage in Afghanistan zeichnete ein düsteres Bild verheerender Verhältnisse in einer von Unsicherheit und Verelendung heimgesuchten Gesellschaft. So müssen 42 Prozent der Afghanen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen, wobei diese negative Entwicklung maßgeblich von der ISAF-Politik verursacht und von einheimischen konservativen Kräften ausgenutzt wird. Allein seit 2008 wurden 3,5 Milliarden Dollar für militärische Zwecke ausgegeben, während der zivilen Hilfe im selben Zeitraum lediglich ein Viertel dieses Betrags und davon wiederum nur ein Viertel für die Verbesserung der Frauenrechte zur Verfügung stand.

Hauser schilderte die prekäre Situation der afghanischen Frauen, von denen 80 Prozent zwangsverheiratet würden, was größtenteils vor Erreichen des 16. Lebensjahrs, ja häufig noch sehr viel früher geschehe. 87 Prozent der Frauen würden regelmäßig geschlagen, so daß viele angesichts der fortgesetzten Drangsalierung, zahlreicher Geburten und härtester Arbeit bereits im Alter von 20 Jahren körperlich und seelisch am Ende seien. Bei Streitigkeiten zwischen Clans würden Mädchen nicht selten verschenkt, die Bewegungsfreiheit von Frauen werde massiv eingeschränkt und selbst im Justizapparat sei Polygamie weit verbreitet. Berufstätige Frauen und Aktivistinnen würden mit Briefen und Videobotschaften per Handy bedroht, Flucht junger Mädchen vor einer Zwangsheirat oder Scheidung führe zu Haftstrafen wegen "moralischer Verbrechen", obgleich dies laut der afghanischen Verfassung gar nicht möglich sei.

Medica mondiale engagiert sich seit 2003 unter anderem bei der Strafverteidigung von Frauen, deren Betreuung im Gefängnis und der Arbeit in den Frauenhäusern, deren Zahl inzwischen auf drei gesunken ist. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Qualifizierung des Personals in Krankenhäusern für die Arbeit mit traumatisierten Frauen. Während die 40 Kolleginnen ursprünglich an mehreren Standorten im Einsatz waren, hat die verschlechterte Sicherheitslage zu einer Beschränkung auf ganze drei Städte geführt. Ungeachtet der Gefährdung der Hilfsarbeit ist laut Hauser ermutigend, daß vor kurzem eine Afghanin die Leitung von medica mondiale im Land übernommen hat und sich die einheimischen Kolleginnen auf bewundernswerte Weise dem Thema Gewalt stellen.

Hauser beklagte den Umstand, daß die internationale Gemeinschaft zu wenig in den Aufbau der Polizei- und Justizstrukturen investiert habe, was dazu geführt habe, daß dort weiterhin Willkür und Mißachtung der Menschenrechte gang und gäbe seien. Korruption sei an der Tagesordnung, wovon nachweislich auch der UN-Apparat und die Ministerriege der Regierung durchsetzt sei. Kriegsverbrechen seien bislang nicht aufgearbeitet worden, Frauenfeindlichkeit sei nach mehr als acht Kriegsjahren ausgeprägter denn je und die Friedens-Jirga Anfang Juni, auf der keine Frau sprechen durfte, sei eine reine Propagandaveranstaltung gewesen. Ein Positionspapier der Frauen zur Kabuler Konferenz formuliert als zentrale Forderung, daß es keinen Kompromiß mit den Taliban geben dürfe, der mit einer Einschränkung der Menschenrechte einhergehe.

Afghanistan geht nach den Worten Hausers spätestens seit 2001 auch Deutschland etwas an. Hinzu kommt, daß spätestens seit 2009 und dem Angriff von Kundus die Deutschen als Kriegspartei wahrgenommen würden. Das Primat des Militärs sei die falsche Strategie und habe die Glaubwürdigkeit auch der Bundeswehr verspielt. Bewaffnete Truppen seien keine Akteure des Fortschritts, was nicht zuletzt der immense Sicherheitsapparat wie etwa die zur Festung ausgebaute deutsche Botschaft in Kabul belege.

Thomas Gebauer kritisierte das Konzept der vernetzten Sicherheit als Paradigmenwechsel, da das Militär fortan nicht mehr ziviles Handeln schützt, sondern in einer Umkehrung des Verhältnisses zivile Hilfeleistung in den Dienst der Streitkräfte gestellt wird. Der neue Ansatz wird zwar unter anderem vom Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, propagiert, doch wurde er bereits unter der Regierung von SPD und Grünen im Weißbuch 2006 formuliert. In diesem Konzept ist eine "Entwicklungsoffensive" enthalten, jedoch vornehmlich in Gestalt der Instrumentalisierung der humanitären Hilfsarbeit für die Sicherheitspolitik.

Die Einbindung der zivilen Aufbauhilfe als eine Art "Soft Power" oder des Geldes als "nichttödliche Waffe" zieht die Hilfsorganisationen in den Strudel militärischer Auseinandersetzungen. Allein im letzten Jahr wurden 172 Angriffe auf zivile Helfer registriert, bei denen 19 Afghanen starben. Bei Personenkontrollen durch Aufständische reicht inzwischen schon der geringste Hinweis auf eine Verbindung zu westlichen Kräften wie etwa eine Visitenkarte oder eine gespeicherte Handynummer, um das Leben der einheimischen Helfer zu gefährden.

Die NGOs fordern deshalb eine klare Trennung der militärischen und zivilen Sphären, da ihr Ausgangspunkt nicht die Herstellung von Sicherheit, sondern die Durchsetzung von Frieden und universellen Menschenrechten sei. Das Streben nach schnellen Erfolgen wie der umfassenden Absicherung der eigenen Soldaten schaffe eine kontraproduktive Parallelstruktur, wohingegen der zivile Aufbau nur als langfristiger Prozeß konzipiert werden könne.

Stünde Good Governance auf der Agenda ganz oben, wäre dies nur unter Beteiligung der Zivilgesellschaft zu realisieren. Den Staat mit staatsfeindlichen Kräften aufbauen zu wollen, bezeichnete Gebauer als Idiotie. Da der Apparat von Warlords und Drogenbaronen durchsetzt sei, könne kein Aufbau stattfinden. Statt die Streitkräfte mit der Entwaffnung der Kriegsherrn zu beauftragen, lasse man letztere nicht nur unbehelligt, sondern plaziere sie sogar an prominenten Positionen im Staatsapparat.

Auch der wirtschaftspolitische Ansatz in Gestalt der Marktöffnung hat destruktive Folgen gezeitigt, da zahllose einheimische Kleinhändler durch ausländische Importe niedergemacht wurden. Zwangsläufige Folge ist eine Abwanderung ins Drogengeschäft, das zu den wenigen verbliebenen Erwerbsquellen zählt. Gebauer mahnte in diesem Zusammenhang eine Wiederzulassung protektionistischer Maßnahmen an, wie er auch ein konsistentes Konzept der Aufbauarbeit forderte, der mit häufig nutzlosen oder gar schädlichen Einzelprojekten nicht gedient ist. Wie er abschließend bilanzierte, setze ein Lernen für die Zukunft voraus, daß die Fehler der Vergangenheit nicht beschönigt und die bislang verfolgten Ansätze angemessen evaluiert würden.

Die Redakteure des Schattenblicks nahmen die eingeräumte Gelegenheit in Anspruch, im Anschluß Fragen an die beiden Referenten zu richten, was in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit freilich nur in beschränktem Umfang möglich war. Zur Sprache kam dabei der Verbleib der Hilfsgelder, die zu 80 Prozent durch entsprechende Auftragsvergabe in die USA zurückfließen. Der Einsatz der Mittel entbehrt nicht selten eines schlüssigen Gesamtkonzepts wie auch der Geldfluß oftmals unkontrollierte Wege nimmt. Die wachsende Skepsis in Europa hinsichtlich der ISAF-Mission konnte die Bundesregierung nicht dazu bewegen, endlich eine kohärente Strategie vorzulegen. Statt dessen greift man zu PR-Maßnahmen wie der Instrumentalisierung der afghanischen Frauen, als stünden deren Rechte tatsächlich an der Spitze deutscher Interessen.

Angerissen wurde auch der Umstand, daß die afghanische Zivilgesellschaft zunächst sehr offen für eine Veränderung gewesen, inzwischen jedoch bitter enttäuscht sei. Die USA erkauften den raschen militärischen Sieg über die Taliban durch ein Bündnis mit alten, diskreditierten Kräften, wodurch die Bildung demokratischer Strukturen verhindert wurde. Wie das Beispiel Südafrikas zeigt, hat dort die Stärkung der Zivilgesellschaft viele Jahre in Anspruch genommen. Ein solcher Prozeß ist jedoch in Afghanistan überhaupt nicht zu erkennen. Auf die Frage, ob ein solcher Prozeß nicht illusorisch sei, solange der Krieg nicht beendet ist, antwortete Gebauer, man müsse vorerst von einem parallelen Verlauf ausgehen. Afghanistan habe sich in den 1970er Jahren durch eine liberale Gesellschaft ausgezeichnet, die seither von Schichten der Traumatisierung überzogen wurde. Auch weise das Land beträchtliche regionale Unterschiede auf, da ein Waffenstillstand in bestimmten Gebieten durchaus Fuß fassen könnte. Allerdings dürfe es sich dabei nicht um Abkommen zwischen der Regierung in Kabul und islamisch-fundamentalistischen Milizenchefs wie Gulbuddin Hekmatjar handeln. Für die Hilfsorganisationen gelte auch in diesem Zusammenhang, daß man die eigene Legitimität nicht für ein Linsengericht opfern dürfe.

Viel wäre zum Thema vernetzte Sicherheit noch zu vertiefen und zu diskutieren gewesen, hätte es sich nicht um ein zeitlich und inhaltliches straff geschnürtes Pressegespräch gehandelt, bei dem den anwesenden Medienvertretern gewissermaßen in Eilzustellung ein Informationspaket zugeteilt wurde. Abschließend bleibt noch anzumerken, daß sich die eingangs aufgeworfene Frage, ob humanitäre Hilfe jemals mehr als ein Rad im Getriebe der Verwertungsmaschinerie sein kann, zumindest in einer Hinsicht beantworten läßt: Das Konzept militärisch-ziviler Zusammenarbeit soll den Hilfsorganisationen in Afghanistan ein für allemal die Flausen austreiben, ihr Platz sei an der Seite der Opfer dieses großen Krieges.

Anmerkung:

Siehe hierzu auch das Telefoninterview des Schattenblicks mit Monika Hauser:
INFOPOOL\POLITIK\REPORT\PRIN0040.HTML.

Hotel Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Berlin

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19. Juli 2010