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INTERVIEW/226: Weggenossen unverdrossen - Partnerschaft und Kernerhalt, Patrik Köbele im Gespräch (SB)


In Bündnisfragen flexibel, doch zugleich prinzipienfest

Interview am 29. Juni 2014 auf dem UZ-Pressefest in Dortmund



Patrik Köbele wurde in der Jugendzentrumsbewegung und als Schülersprecher politisiert, später war er Jugendvertreter in einem Großbetrieb und von 1989 bis 1994 Bundesvorsitzender der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ). Von 2004 bis 2009 gehörte er dem Rat der Stadt Essen an. Auf dem 20. Parteitag der DKP am 2. März 2013 wurde er zum Parteivorsitzenden gewählt. Beruflich ist Köbele als EDV-Berater tätig.

Auf dem UZ-Pressefest in Dortmund hatte Patrik Köbele alle Hände voll zu tun. Er zeigte in zahlreichen Diskussionsveranstaltungen Flagge, besuchte die Zelte der verschiedenen Landesverbände und war allenthalben ein gefragter Gesprächspartner. Im Interview mit dem Schattenblick nahm er zu Bündnisfragen, dem politischen Profil seiner Partei und der imperialistischen Kriegsführung Stellung.

Gespräch in einem kleinen Festzelt - Foto: © 2014 by Schattenblick

Patrik Köbele
Foto: © 2014 by Schattenblick


Schattenblick: Das UZ-Pressefest ist nicht nur ein Fest der DKP, sondern zugleich eine breite Plattform für die Linke in Deutschland, die im Rhythmus von einigen Jahren immer wieder sehr viele Menschen zusammenbringt. So ist diesmal auch die Partei Die Linke präsent. Wie siehst du das Verhältnis eurer eigenständigen Politik zu einer breiteren Linken? Wo sind die Gemeinsamkeiten, wo die Unterschiede?

Patrik Köbele: Ich möchte zunächst hervorheben, daß das UZ-Pressefest in erster Linie eine Veranstaltung der DKP ist, zu der wir natürlich gerne Bündniskräfte einladen, weil wir ohnehin immer der Meinung sind, daß es Sinn macht, mit anderen Kräften zusammenzuarbeiten. Aber wenn man die Frage des Verhältnisses zu Bündnispartnern oder der Notwendigkeit der Organisation stellt, dann würde ich es folgendermaßen auf einen kurzen Nenner bringen: Wir gehen davon aus, daß der Kapitalismus nur auf revolutionärem Weg beseitigt werden kann und sich Die Linke um die Frage, wie der Kapitalismus zu überwinden ist, ein wenig herumdrückt und um die Frage der Revolution sowieso.

SB: Als in der Linkspartei der Demokratische Sozialismus ins Gespräch gebracht wurde, zog dies eine heftige Reaktion in der Öffentlichkeit nach sich. Daraufhin hat Die Linke diesen Begriff schnell wieder entsorgt und ihren reformistischen Kurs fortgesetzt. Siehst du in der Linkspartei dennoch die Möglichkeit einer Radikalisierung oder würdest du eher vom umgekehrten Weg ausgehen?

PK: Es ist immer ein bißchen schwer, über andere Organisationen zu reden. Aber was die Perspektive betrifft, glaube ich nicht, daß es innerhalb der Linkspartei irgendwann einmal jemanden geben kann, der sagt, wir sind wieder unter dem Banner von Marx, Engels und Lenin versammelt. Ich glaube vielmehr, daß der Trend der Anpassung nicht zu stoppen ist. Das heißt nicht, daß es nicht in der Linkspartei viele ehrliche Genossinnen und Genossen gibt, die um die Veränderung dieser Gesellschaft kämpfen - wahrscheinlich gibt es dort sogar mehr Menschen, die sich als Kommunistinnen und Kommunisten fühlen, als wir Mitglieder haben. Aber was die Organisation angeht, handelt es sich meines Erachtens letztlich um eine linkssozialdemokratische Formation, die innerhalb dieses Parlamentarismus angekommen ist.

SB: Die DKP hat im vergangenen Jahr mit der Neuwahl ihres Vorstands offenbar eine Kurskorrektur vorgenommen. Nachdem sich zuvor eine gewisse Aufweichung früherer Positionen abgezeichnet hatte, was wohl dem Wunsch nach größerem Zuspruch geschuldet war, scheint seither sowohl eine Rückbesinnung auf die Eigenständigkeit als Partei als auch ein stärkerer Bezug zu jüngeren Menschen Raum zu greifen.

PK: Der letztjährige Parteitag hat auf mindestens drei Feldern eine Schärfung unseres Profils vorgenommen. Da ist zum einen eine klare Orientierung auf die Jugend und die Zusammenarbeit mit der uns eng verbundenen Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), zum zweiten ein stärkeres Selbstbewußtsein, was unsere Existenzberechtigung angeht, und drittens eine Klärung unseres weltanschaulichen Profils in Richtung der Ideen von Marx, Engels und Lenin.

SB: Die DKP hat lange bestimmte Politikfelder wie beispielsweise die Ökologiebewegung als kleinbürgerliche Strömungen wahrgenommen und mehr oder minder ausgeblendet. Es gibt indessen Jugendbewegungen, die zwar mit dem traditionellen Kommunismus überhaupt nichts am Hut haben und nicht einmal dessen Theorie kennen, aber in ihrem Bereich durchaus entschiedene Positionen vertreten und praktisch umsetzen. Siehst du die Möglichkeit, in dieser Hinsicht eine Art Brückenschlag vorzunehmen?

PK: Wenn wir in unsere eigene Geschichte zurückblicken, stellen wir fest, daß die DKP nach ihrer Gründung durchaus intensiv an der damals noch nicht so genannten Ökologiefrage dran war. Es gab zum Beispiel das Umweltschutzmobil der DKP, was viele gar nicht mehr wissen, mit dem Umweltskandale aufgedeckt wurden, und ähnliches mehr. Unser Problem war dann folgendes, daß wir mit dem Aufkommen der grünen Partei, die die Ökologiefrage besetzte, zu Recht gesagt haben, daß es sich dabei um eine kleinbürgerliche Partei handelt. Wir haben jedoch den falschen Schluß daraus gezogen, daß auch die ökologische Frage eine kleinbürgerliche sei. Wir müssen es andersherum angehen und sehen, daß die erlebten ökologischen Veränderungen bis hin zum jüngsten Unwetter im Ruhrgebiet tatsächlich auf Klimaveränderungen im großen Ausmaß hindeuten, die letzten Endes nicht zurückzudrängen sind, solange die kapitalistische Produktionsweise auf diesem Erdball regiert, solange das Profitprinzip und das Konkurrenzprinzip vorherrschen.

Deswegen müssen wir die vielen Widersprüche in allen Feldern, die das Leben der Menschen und die Umwelt betreffen, in ihrer Gesamtheit analysieren und werden letzten Endes feststellen, daß sie in der Regel vom Grundwiderspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital ausgehen. Wir müssen sie in einer interessensvertretungsorientierten Politik aufgreifen und in dieser Politik aufzeigen, daß dahinter der Grundwiderspruch steht. Das heißt also, wer von der Klimakatastrophe redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen! Das zu transportieren ist unsere Aufgabe, aber das heißt eben auch, gegen die Klimakatastrophe zu kämpfen.

SB: In der gestrigen Podiumsdiskussion zum Thema "EU - überwinden oder neu gründen?" klagte eine Teilnehmerin aus dem Publikum: Warum könnt ihr euch nicht einigen? Warum müßt ihr euch immer um Nebensächlichkeiten streiten? Darin kam der verständliche Wunsch nach einem Zusammenschluß der Linken zum Ausdruck, bei dem bestimmte Teilwidersprüche zurückgestellt werden. Wie würdest du deine Grenzen in dieser Hinsicht ziehen?

PK: Ich kann in der Bündnispolitik viele Teilwidersprüche zurückstellen. Das ist überhaupt kein Problem, solange wir als Kommunistische Partei nicht darauf verzichten müssen, weiterhin unsere grundsätzlichen Positionen zu vertreten. Das heißt, ich schreibe keinem Bündnis vor, daß es in seinen Konsens den Antikapitalismus mit hineinnehmen muß, bevor ich mitmache. Aber sobald das Bündnis mir vorschreibt, daß ich den Antikapitalismus nicht mehr vertreten darf, endet für mich die Bündnismöglichkeit. Da müssen wir sicherlich mit einer hohen Flexibilität, aber gleichzeitig mit einer ebenso hohen Prinzipienfestigkeit rangehen.

SB: Es gibt vor dem Festgelände den kleinen Stand einer Gruppierung, die offenbar nicht zugelassen wurde. Handelt es sich um eine Ausgrenzung dieser Organisation durch die Veranstalter?

PK: Das ist eine bewußte Maßnahme. Die MLPD bezeichnet uns in ihrem Statut als neorevisionistisch und damit als Feind der Arbeiterklasse. Ich lade in der Regel zu meinem Geburtstag auch nicht Leute ein, die mich beschimpfen.

Bei einer Podiumsdiskussion - Foto: © 2014 by Schattenblick

Patrik Köbele und Moderator Hans Christoph Stoodt
Foto: © 2014 by Schattenblick

SB: Derzeit wird die Kriegspolitik in Deutschland vehement vorangetrieben. In der öffentlichen Darstellung findet eine Art Tabubruch statt, während neue Denkmuster vorgeschrieben und kritische Stimmen fast schon pathologisiert werden, als könne man als vernünftiger Mensch abweichende Positionen unmöglich vertreten. Was muß man dem aus deiner Sicht entgegenhalten?

PK: Wir haben da einen gewissen Vorteil, weil wir seit unserer Gründung die Schmuddelkinder sind und insofern mit so etwas einigermaßen umgehen können (lacht). Aber es ist schon wahr: Wenn man sich die aktuellen Ereignisse in der Ukraine ansieht und einerseits die politischen Tabubrüche, daß ein SPD-Außenminister Faschisten hoffähig macht, und andererseits die mediale Gleichschaltung erlebt, dann muß man schon erkennen, was dahintersteckt, nämlich Interessen des deutschen und des US-Imperialismus an der Umkreisung Rußlands. Um diesen potentiellen Konkurrenten zu schwächen, ist man offensichtlich bereit, schlimmste Bündnisse bis hin zur Einbeziehung von Faschisten einzugehen. Erst wenn man in dieser Weise eine zutreffende Analyse vorgenommen hat, kann man inhaltlich gegenhalten.

Wir dürfen uns dabei keinerlei Illusionen über die Rolle der Medien mehr machen, weil sie mittlerweile instrumentalisiert werden und sich instrumentalisieren lassen für einen Kurs, der auf höhere Aggressivität des deutschen Imperialismus nach innen und außen abzielt. Da sehe ich eine riesige Gefahr. Man wird graswurzelmäßig dagegenhalten müssen, aber wir müssen sicherlich auch mal an die Journalistenverbände herantreten, weil es sehr erschreckend ist, daß offensichtlich jegliches Recherchieren unterlassen wird. Man kann doch nicht übersehen, daß auf diesem Maidan neben der Bühne ein fünf Meter großes Bandera-Transparent hängt, das jedoch in den deutschen Medien und selbst in der Fernsehberichterstattung nirgendwo auftaucht. Das muß ja etwas mit einem bewußten Vorgehen zu tun haben, und da tragen natürlich auch die Gewerkschaftsbewegung und die Journalistenverbände eine große Verantwortung. Wenn wir diese Verantwortung nicht wahrnehmen, dann lassen wir eine Militarisierung der Politik in diesem Land zu, die Schlimmstes bedeuten kann.

SB: In der Veranstaltung "100 Jahre Erster Weltkrieg und imperialistische Kriege heute" sagte eine Diskussionsteilnehmerin, nur Rußland könne den Vormarsch der NATO noch aufhalten. Diese Aussage erntete Beifall, zog aber auch Widerspruch nach sich. Wie würdest du die Rolle Rußlands in dieser Konfliktlage einschätzen?

PK: Wir dürfen uns zunächst einmal keinen Illusionen hingeben. Rußland ist aus meiner Sicht ein kapitalistischer Staat, und insofern wünsche ich natürlich auch der Arbeiterklasse Rußlands, daß es ihr perspektivisch gelingen wird, diesen Kapitalismus in ihrem Land zu überwinden. Verschiedene Faktoren führen jedoch aktuell dazu, daß in dem Ukraine-Konflikt aus meiner Sicht Rußland eine antiimperialistische Rolle spielt. Das müssen wir nutzen und stützen, aber wir dürfen keine Illusionen haben, wie dauerhaft so etwas ist.

Wir müssen zugleich jede Äquidistanz zurückweisen, da es völliger Unsinn wäre, wenn man sich heute hinstellt und sagt, weil Rußland ein kapitalistischer Staat und Deutschland ein imperialistischer Staat ist, sind beide gleich und deshalb interessiert uns das Ganze nicht. Denn was dort passiert, ist natürlich eine Einkreisungspolitik, die bewaffnete Konflikte einkalkuliert, die sich sehr schnell ausweiten können. Zudem muß man auf die Gefahr hinweisen, daß möglicherweise auch der US-Imperialismus kalkuliert, daß ein bewaffneter Konflikt am Rande eines potentiellen Konkurrenten, nämlich der EU, für ihn ganz interessant sein kann. Für uns ist er jedoch eine riesige Bedrohung.

SB: Du hast in der Podiumsdiskussion angesprochen, daß die imperialistische Expansion nach außen zugleich die Gefahr birgt, daß die Repression nach innen verschärft wird. Was ist aus deiner Sicht diesbezüglich zu befürchten?

PK: Wir haben einerseits Repression nach innen durch das Anwachsen faschistischer Kräfte. In diesem Zusammenhang sehe ich die große Gefahr, daß mit der AFD jetzt eine Partei existiert, die so eine Art Scharnierfunktion zwischen der bürgerlichen Rechten und den Faschisten bildet. Es ist zum ersten Mal der Fall, daß Teile des Großkapitals relativ offen auf solch eine Organisation setzen. Das ist ein Punkt.

Zudem existieren nach wie vor die verschiedenen Spitzelapparate, die wir als Kommunisten nur zu gut kennen. Und wir erleben, daß die verschiedenen Polizeien und anderen staatlichen Machtorgane immer mehr Bürgerkriegsübungen machen. Insofern droht die Gefahr, daß an vielen Schrauben gedreht und die Repression nach innen erhöht wird.

Aber am meisten Sorgen macht mir die Situation, daß die Arbeiterbewegung dieses Landes auf so einen Kurs so gut wie gar nicht vorbereitet ist, weil sie sich zum großen Teil der Illusion hingibt, man könnte mit einer scheinbaren Sozialpartnerschaft durchkommen. Das gab es noch nie und das wird es auch nie geben! Diese Illusion hat natürlich zu einer gewissen ideologischen Entwaffnung der Arbeiterbewegung geführt.

SB: Im Vorfeld des UZ-Pressefestes wurde die obligatorische Frage nach der Teilnehmerzahl aufgeworfen, weil man sie für einen gewissen Indikator der aktuellen Lage der Linken in Deutschland hält. Wie sieht deine persönliche und an dieser Stelle natürlich vorläufige Bilanz des diesjährigen Festes aus?

PK: Ich kann nur sagen, daß ich glücklich und zufrieden bin. Ich glaube, es ist uns wirklich ein tolles Pressefest gelungen, durch das nicht einmal dieses blöde Wetter einen Strich machen konnte. Was die Besucherzahl angeht, bin ich mir ziemlich sicher, daß sie am Freitag höher als zum Auftakt des vergangenen Pressefestes und es gestern mindestens genauso voll war. Wir können es im Moment noch nicht genau sagen, weil man die Beteiligung vor allem an Umsatzzahlen und ähnlichem ablesen kann. Das Pressefest war jedenfalls ein Riesenerfolg und für die Stimmung der Besucher und der Partei grandios.

SB: Patrik, vielen Dank für dieses Gespräch.

Bisherige Beiträge zum 18. UZ-Pressefest in Dortmund im Schattenblick unter
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BERICHT/181: Weggenossen unverdrossen - Abbruch, Umbruch, Aufbruch ... (SB)
INTERVIEW/225: Weggenossen unverdrossen - Brasiliens ungezügelte Proteste, Eduardo G. Serra im Gespräch (SB)

6. Juli 2014