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INTERVIEW/237: Weckruf für die schweigende Mehrheit ...    Reiner Braun im Gespräch (SB)


Zum 29. NATO-Gipfeltreffen am 4. und 5. September 2014 in Wales

Telefon-Interview mit Reiner Braun (IALANA) am 5. September 2014



Am 4. und 5. September fand im Fürstentum Wales das 29. NATO-Gipfeltreffen statt, das ganz im Zeichen des Bürgerkrieges in der Ukraine und der Spannungen mit Rußland sowie der blutigen Offensive des Kalifats Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak stand. Viele Korrespondenten, die aus Cardiff und Newport berichteten, wähnten die Welt bereits wieder im Kalten Krieg zwischen Weißem Haus und Kreml. Wie bei solchen Veranstaltungen in der Vergangenheit üblich wurde auch der jüngste Pow-Wow der nordatlantischen Staats- und Regierungschefs von Protestveranstaltungen der Friedensbewegung begleitet. Zu den Initiatoren des NATO-Gegengipfels gehörte Reiner Braun von der Organisation International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA), mit dem der Schattenblick am 5. September über seine Eindrücke aus Wales sprechen konnte.

Braun und Pflüger halten eine Regenbogenfahne mit der Aufschrift 'Pace - No to NATO' hoch - Foto: © 2014 by IALANA

Rainer Braun und Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung (IMI)
Foto: © 2014 by IALANA

Schattenblick: Der internationalen Presse nach zu urteilen, hat sich das Interesse am Gegengipfel in Wales in Grenzen gehalten. Am gestrigen Protestmarsch von der Innenstadt von Cardiff zum Hotel Celtic Manor, dem Veranstaltungsort des NATO-Gipfels bei Newport, nahmen nur mehrere hundert Menschen teil. Im Vergleich zu Strasbourg 2009 oder Chicago 2012 ist das ziemlich mager. Haben Sie eine Erklärung für die vergleichsweise niedrige Teilnehmerzahl?

Reiner Braun: In Newport und Cardiff hat in den vergangenen Tagen eine ganze Reihe von Protestaktionen stattgefunden. Zu der ersten großen am letzten Samstag kamen fast 5.000 Menschen. Gestern war ein Wochentag und in dem etwas abgelegenen Newport war eine Teilnahme von rund 800 Menschen laut Polizeiangaben durchaus respektabel. Man darf nicht vergessen, daß Chicago (NATO-Gipfel 2012) eine Metropole ist und der Gegengipfel in Strasbourg mit der deutsch-französischen Mobilisierung zum 60. Jahrestag der NATO-Gründung etwas ganz Besonderes war. Der gestrige Marsch war eine notwendige Aktion, um am ersten Tag des NATO-Gipfels auf uns aufmerksam zu machen. Und ich glaube, das uns das ganz gut gelungen ist.

Demonstrationsumzug im Vorort von Cardiff - Foto: © 2014 by IALANA

Friedensbewegung macht sich in der walisischen Hauptstadt bemerkbar
Foto: © 2014 by IALANA

Schaut man sich die Berichterstattung von BBC-Fernsehen gestern abend oder die britischen Zeitungen von heute morgen an, dann haben wir, glaube ich, unser Ziel - kein NATO-Gipfel findet mehr statt, ohne daß er von Protestaktionen der Öffentlichkeit, der FriedensfreundInnen, der Kriegskritiker begleitet wird - erreicht, sogar ganz ordentlich. Daß wir zur Zeit mit der Friedensbewegung insgesamt, was die Mobilisierung angeht, nicht zufrieden sein können, will ich nicht bestreiten. Aber wir arbeiten intensiv daran. Die Zeit in Cardiff und Newport haben wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Ländern Europas und den USA genutzt, um uns Gedanken darüber zu machen, wie wir insgesamt wieder mobilisierungsfähiger werden können. Mein Fazit lautet, daß sich die Aktionen und Proteste in Wales absolut gelohnt haben. Wir haben für eine Gegenöffentlichkeit in einer Situation gesorgt, die es so nie in den letzten Jahren nicht gegeben hat. Die vom NATO-Gipfel in Wales ausgehende Kriegssprache und Kriegspropaganda hat alles übertroffen, was in den letzten Jahren aufgeboten wurde.

SB: In den Medien ist die Rede vom gigantischen Sicherheitsaufwand, aber gleichzeitig auch vom Entgegenkommen der Polizei den Protestlern gegenüber. Es heißt zum Beispiel, daß entlang der Route Wasser für die Protestmärschler und auch Busse für die älteren Semester, die vielleicht den Rückweg nach Cardiff nicht geschafft hätten, bereitgestellt wurden. Wie würden Sie die britischen Vorkehrungen im Umfeld dieses Gipfels mit denen in Frankreich oder in den USA vergleichen?

RB: Aus meiner Sicht waren die Sicherheitsmaßnahmen in Ansätzen ähnlich teuer und umfassend, es gab aber auch Neues. Ich erinnere daran, daß wir in Strasbourg nicht in der Innenstadt protestieren durften. Im Gegensatz dazu durften wir in Newport von der Innenstadt bis zum Tagungsort demonstrieren.

SB. Auch in Cardiff?

RB: Auch dort. Gestern abend durften wir direkt vor dem Schloß, in dem die Damen und Herren von der NATO dinierten, unseren Protest zum Ausdruck bringen. War es in Chicago oder auch Strasbourg militaristisch bombastisch, war in Wales alles ein Stück zurückgefahren. Auffällig waren zwei Sachen, die aus meiner Sicht durchaus etwas miteinander zu tun hatten. Erstens habe ich selten eine so freundliche, fast begeisternd unterstützende Aufnahme von Protestaktionen durch die lokale Bevölkerung erlebt. Als wir gestern In Newport zum Tagungsort liefen - das waren immerhin fast sechs Kilometer -, standen unzählige Leute am Straßenrand, machten Fotos, winkten, freuten sich, kamen auf uns zu und sagten Dinge wie "Das ist richtig, was ihr macht" oder "Wir teilen eigentlich eure Meinung". In unserem Hotel wurden wir jeden Tag gefragt, wie unsere Protestaktionen gelaufen sind.

Zahlreiche Demonstranten vor der Mauer des Cardiffer Schlosses - Foto: © 2014 by IALANA

NATO-Führung igelt sich im Schloß zu Cardiff ein
Foto: © 2014 by IALANA

Die Sympathie der Bewohner von Cardiff und Newport war eindrucksvoll. Das korrespondierte auch damit, daß die englisch-walisische Polizei einen ausgesprochen freundlichen Umgangston mit uns pflegte. Sie hat alle ihre Aufgaben erfüllt, aber in einer Art und Weise, die andersdenkende Menschen nicht schikanierte. Die Polizisten waren für Gespräche offen. Tatsächlich haben sie uns auf dem Weg von Cardiff zum Hotel Celtic Manor Wasser hingestellt und in Absprache mit der Stadt Newport - soweit ich weiß, kam die Initiative vom Stadtrat - Busse für die Kolleginnen und Kollegen, für die ein 12- oder 15-Kilometermarsch doch ein bißchen viel gewesen wäre, zur Verfügung gestellt. Und sie haben auch mitgeholfen, daß wir - zum ersten Mal übrigens - unsere Protestresolutionen an NATO-Offizielle übergeben konnten.

SB: Wobei die versuchte Festnahme besagter NATO-Vertreter wegen Kriegsverbrechen dann doch nicht gelungen ist.

RB: Die Kollegin hat das, glaube ich, mehr scherzhaft-provokativ als ernst gemeint. Aber war es denn keine richtige Initiative?

Demonstranten und NATO-Vertreter vor provisorischem Sicherheitszaun um die Hotelanlage Celtic Manor - Foto: © 2014 by IALANA

NATO-Vertreter nehmen Protestschriften entgegen
Foto: © 2014 by IALANA

SB: Wie ist Ihr Eindruck insgesamt von der Gemütslage der Menschen in Großbritannien? Fühlen sich dort alle vom IS und Wladimir Putin bedroht? Kommt der britische Militarismus wieder hoch? Kaufen sie Premierminister David Cameron seine Bedrohungsszenarien ab?

RB: Wales ist für Großbritannien vielleicht nicht repräsentativ. Die politische Konstellation in Wales ist im Vergleich zum restlichen Vereinigten Königreich nach links versetzt. Im Stadtrat der Hauptstadt Cardiff gibt es von 75 Stadtratsmitgliedern nur sieben Konservative. Das spiegelt sich natürlich in einer von Arbeitertraditionen geprägten Region um Newport und Cardiff absolut wider. Südwales war früher eine Hochburg von Stahl Kohle und Werften. Heute weist die Region die höchste Arbeitslosigkeit in ganz Großbritannien auf. Man sieht Armut und Verelendung, wenn man durch Newport geht. Dies drückt sich an den leeren Schaufenstern, den vielen Ein-Pfund-Läden und Billiggeschäften aus. Daran merkt man, daß die Kaufkraft in dieser Region sehr gering ist. Dort fühlen sich die Menschen vor allen durch soziale Verelendung bedroht. Was sie immer und sofort mit uns verbunden hat, war unsere Aussage, wonach jährlich 1,7 Billionen Dollar für die Rüstung auf diesem Planeten angesichts von Hunger, Armut, Bildungskatastrophe und mangelnder Gesundheitsversorgung nie und nimmer zu verantworten sind, daß das geändert werden muß. Kein Wunder also, daß unser Slogan "Welfare not Warfare" die Menschen am Straßenrand am allermeisten berührt hat. Die Bedrohungsszenarien, die seitens der NATO-Verantwortlichen in die Köpfe der Menschen nicht nur in Großbritannien hineingehämmert werden sollen, greifen also kaum.

Demonstranten mit Transparent 'Scrap Trident - Save Our Public Services' - Foto: © 2014 by IALANA

Britische Kriegsgegner wollen Sozialstaat statt Atom-U-Bootflotte
Foto: © 2014 by IALANA

SB: Der NATO-Gipfel stand im Zeichen der Ukraine-Krise, über die seit Monaten in den westlichen Medien sehr einseitig berichtet wird. Sind auf dem Gegengipfel Menschen oder Augenzeugen aus der Ukraine oder Rußland aufgetreten, die vielleicht eine andere Sicht auf die Ereignisse und Lage dort präsentiert haben?

RB: Ja. Es traten auf unserem Eröffnungs- und auch beim Schlußplenum russische Kollegen auf, welche die Situation wesentlich differenzierter dargestellt haben. Ausgerechnet am Tag vor dem Auftakt unseres Gegengipfels ist ein bemerkenswerter Artikel in der renommierten Zeitschrift Foreign Affairs erschienen, in dem John Mearsheimer, einer der führenden Politikwissenschaftler der USA, ausführlich erläutert, warum die NATO die Hauptschuld an der Entstehung der Krise in der Ukraine und der Verschlechtung der Beziehungen des Westens zu Rußland trägt.[1] Diese nach meiner Einschätzung richtige Bewertung der Gesamtlage bildete die einheitliche Meinung von allen auf dem Gegengipfel und den verschiedenen Kundgebungen der Friedensbewegung in Wales. Für uns steht es außer Frage, daß das Vorpreschen der NATO gen Osten nach 1991, das gegen die Absprachen mit Moskau verstieß, die wesentliche Verantwortung für diese Krise trägt. Die NATO-Mächte waren es, welche die Rechten in der Ukraine erst ermuntert haben, den Kriegskurs gegen die eigene Bevölkerung mit der Brutalität zu fahren, wie sie ihn zur Zeit praktizieren.

SB: Glaubt man der politischen Führung in Polen und in den baltischen Staaten, haben die Menschen dort große Angst vor einer russischen Aggression. Was haben die osteuropäischen Teilnehmer auf ihrer Veranstaltung über die Lage in den Ostseeanrainerstaaten berichtet?

RB: Die osteuropäischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben eigentlich das bestätigt, was ich jüngst bei einem Besuch in Riga auch selbst erlebt habe. Es gibt in der Region eine zwar historisch gewachsene, aber immer wieder medial gezüchtete, politisch mißbrauchte Angst vor dem "russischen Bären". Man kann sie aus den Köpfen der Menschen dort nicht so schnell herausbekommen, nicht zuletzt deshalb, weil sie von den Politikern tagtäglich und Jahr für Jahr reproduziert wird. Wenn man aber den Menschen eine Alternative zu Krieg und NATO anbietet, was man mit dem Begriff gemeinsame Sicherheitspolitik im Rahmen OSZE umschreiben könnte, werden sie diesem Gedanken durchaus folgen. Die Sorge vor dem Nachbarland Rußland, die unleugbare historische Gründe hat, ist keine, welche die Menschen im Baltikum und Osteuropa alltäglich haben, sondern eine, die sie in einem positiven Sinne gerne verändern würden. Was auf alle Fälle beendet werden muß ist die ständige Kriegshetze. Wir müssen wieder dazu übergehen, daß ernsthaft im Dialog darüber nachgedacht wird, wie dieses Europa in ein sicheres Friedensfahrwasser gebracht werden kann.

SB: Das zweite große Thema auf dem NATO-Gipfel war der länderübergreifende Konflikt in Syrien und im Irak. Was meinen Sie, Herr Braun, wie man mit dem Phänomen Islamischer Staat umgehen sollte? Gab es beim Gegengipfel der Friedensbewegung in Wales auch Menschen aus dem Nahen Osten und, wenn ja, wie hörte sich deren Analyse der Situation an?

RB: Wir hatten auch Kolleginnen und Kollegen dabei, die ursprünglich aus dem Irak und aus anderen Ländern der Region kamen, aber im wesentlichen in Großbritannien leben. Zu der jüngsten Entwicklung möchte ich eine wichtige Bemerkung vorwegschicken: Das, was wir in Syrien und im Irak mit IS erleben, hat der Westen selbst gezüchtet. Nur daß sich die Schlange an "unserer" eigenen Brust jetzt selbständig macht. Das darf man niemals vergessen. Ohne den angloamerikanischen Einmarsch in den Irak 2003 und den damit einhergehenden Krieg, ohne die Dämonisierung von Saddam Hussein, den ich überhaupt nicht in Schutz nehmen will, und ohne den völlig einseitigen kriegerischen Umgang mit Baschar Al Assad wäre die heutige Situation niemals entstanden.

Umzug der Friedensdemonstranten überquert die Severn-Brücke - Foto: © 2014 by IALANA

Kriegsgegner halten Palästina, Chelsea Manning u. a. die Fahne hoch
Foto: © 2014 by IALANA

Es gibt meiner Meinung nach kurzfristige und längerfristige Überlegungen, was man machen muß. Die längerfristige Überlegung hat aus meiner Sicht zwei wesentliche Elemente. Das erste heißt: Ohne soziale Gerechtigkeit in der Großregion wird es keinen Frieden geben. Die Verarmung, die Verelendung, die Perspektivlosigkeit, die Prekarisierung von ganzen Generationen wird bei den radikal-fundamentalistischen Kräften immer wieder für Nachschub sorgen, solange man diese Mißstände nicht beseitigt. Das zweite Element besteht darin, daß wir für die Region Nahost so etwas wie eine Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit schaffen müssen, im Rahmen derer alle Probleme, vom Dauerkonflikt Palästina-Israel bis zur Frage der gerechten Aufteilung der Wasserressourcen, auf einen Tisch kommen und wo versucht wird, sie in einem längeren Prozeß anzugehen und zu beheben. Ich spreche hier von einer längerfristigen politischen Strategie, die nicht in einem Klima von Konfrontation und Krieg, sondern nur in einem der Kooperation zum Erfolg gelangen kann.

Kurzfristig und am dringendsten erforderlich sind humanitäre Hilfe und - jetzt sage ich genau das Gegenteil von der Politik der Bundesregierung - ein Stopp jeglicher Form von Waffenhandel und Rüstungsexport. Wie man einem Alkoholiker den Alkohol entziehen muß, so muß auch diese Region von Waffen trockenlegen, um es einmal platt auszudrücken. Waffen gibt es dort mehr als genug. Jeder kann sich jede Waffe besorgen, solange der Nachschub nicht versiegt. Das bedeutet, daß wir hier Katar, der Türkei und Saudi Arabien das Handwerk legen müssen. Die Beendigung der Aufrüstung der extremistischen Gruppen soll notfalls mit Sanktionen, der Sperrung von Bankkonten und Einreiseverboten für politische Führer durchgesetzt werden, solange sie sich nicht dem Kurs des Waffenstopps anschließen und sich für ihn einsetzen. Die Grenze zur Türkei soll für Flüchtlinge geöffnet und für Waffen und Dschihadisten gesperrt werden. Diese Typen müssen sofort in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Das sind alles Maßnahmen, die man sofort ergreifen könnte, über die aber keiner redet. Das verwundert mich sehr und erweckt bei mir den Verdacht, daß hinter der Bekämpfung von IS eigentlich ganz andere Interessen stehen, als etwa den Menschen in der bedrängten Region zu helfen.

Junge Musliminnen in Schuluniform nehmen an den Protesten teil - Foto: © 2014 by IALANA

Kriegsgegnerschaft für jung und alt
Foto: © 2014 by IALANA

SB: Selbst wenn der Bürgerkrieg in der Ukraine durch eine dauerhafte Feuerpause beigelegt werden könnte, der neue Kalte Krieg ist da, und zwar mit allen Konsequenzen. Damit ist der Traum von einer atomwaffenfreien Welt, wie ihn Obama am Rande des NATO-Gipfels 2009 verkündete, geplatzt. Wie geht die Friedensbewegung mit der neuen Situation um? Gibt es irgendwelche Lichtblicke, die Anlaß zur Hoffnung geben?

RB: Der Traum von einer atomwaffenfreien Welt wird, solange es Kernwaffen gibt, nicht beerdigt werden. Obama hat ihn nie wirklich geträumt, sondern als taktisches Instrument klug eingesetzt. Er hat selbst eingeräumt, daß das Ziel in seiner Lebenszeit nicht erreicht werden würde. Ich denke, daß wir in eine ganz schwierige Orientierungsphase kommen, in der wir große Aktionen der Friedensbewegung als Antwort auf diese Kriegs- und Konfrontationspolitik entwickeln müssen. Wir haben dazu noch Diskussionsbedarf. Allgemein starren die Menschen auf der ganzen Welt mit Entsetzen auf die Wiederauferstehung des totgeglaubten Kalten Krieges. In Deutschland zum Beispiel lehnt die Bevölkerungsmehrheit Krieg und Konfrontation ganz eindeutig ab. Um viele Menschen zu gewinnen, sich aktiv für den Frieden aktiv einsetzen, werden wir noch ein Zeit aber auch Aktion brauchen.

Meine Tendenz geht dahin, daß wir uns sehr schnell aktionsorientiert in die gesellschaftliche Auseinandersetzung einbringen müssen. Darüber werden wir uns in den nächsten Wochen noch beraten. Ohne Aktionen können wir das gesellschaftliche Klima nicht in unserem Sinne beeinflussen und keine Defensive bei der Politik der Regierung erreichen. Ich habe keine kurzfristige Antwort darauf, außer der, daß wir klug überlegen müssen, wie wir all die Kräfte, die in der aktuellen Situation vor den Kopf gestoßen sind, mobilisieren können. Das sind weit mehr als nur die traditionellen Unterstützer der Friedensbewegung. Obwohl ich weiß, daß es kontrovers ist, könnte ich mir vorstellen, auch mit den friedensengagierten Teilen der Montagsmahnwachen enger zusammenzuarbeiten, um gemeinsam mit den Gewerkschaften und Kirchen, die sich seit langem für eine Entspannungspolitik stark machen, zu neuen Aktionen zu kommen. Ohne größere Aktionen werden wir das Klima nicht verändern; das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. Sie ist kompliziert, weil auch wir uns auf diese Situation erst einstellen müssen. Aber ich bin optimistisch, daß wir intellektuell und auch aktionsmäßig in der Lage sind, das zu schaffen.

SB. Wir bedanken uns sehr, Herr Braun, für das Interview.

Kriegsgegner als Plakatträger mit eindeutiger Botschaft - Foto: © 2014 by IALANA

Friedensbewegung an NATO: "Wacht auf!"
Foto: © 2014 by IALANA


Fußnote:

[1] John J. Mearsheimer, "Why the Ukraine Crisis Is the West's Fault", Foreign Affairs, September/October 201 Issue,
http://www.foreignaffairs.com/articles/141769/john-j-mearsheimer/why-the-ukraine-crisis-is-the-wests-fault

12. September 2014