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INTERVIEW/423: Treff für den Frieden - Es macht Sinn sich zu stellen ...    Ajamu Baraka im Gespräch (SB)


Interview mit dem US-Politaktivisten und -Bürgerrechtler Ajamu Baraka 18. November 2018 in Dublin


2016 bewarben sich nicht nur für die Demokraten Hillary Clinton und für die Republikaner Donald Trump um die Präsidentschaft, sondern für Amerikas Grüne auch die Ärztin und langjährige Friedensaktivistin Jill Stein. Im August jenes Jahres erkor Stein den schwarzen Bürgerrechtler und Politaktivisten Ajamu Baraka zu ihrem Vizepräsidentschaftkandidaten. Zwar konnten Stein und ihr vermeintlich "radikaler" Kampfgefährte durch spektakuläre Aktionen wie die Teilnahme an Protesten gegen den Bau der Dakota Access Pipeline durch das Indianerreservat Standing Rock für Schlagzeilen sorgen, trotzdem haben sie am Wahltag lediglich ein Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen können. Nach der Wahl wurde Stein im Rahmen der Fake-News-Posse namens "Russiagate" seitens einiger Medien und Kongreßmitglieder zur Agentin des Kremls aufgebauscht, nur weil sie im Wahlkampf einige Male beim russischen Nachrichtensender RT aufgetreten war. An der "International Conference Against US/NATO Military Bases", die Mitte November in Dublin stattfand, nahm Baraka als Nationalorganisator der Black Alliance for Peace teil. Die Gelegenheit, mit dem Redakteur und Kolumnisten der Zeitschrift Black Agenda Report über die politische Lage in den USA zu sprechen, hat sich der Schattenblick nicht entgehen lassen.


Pressekonferenz des Kandidatenduos der grünen Partei der USA - Foto: 2016 by Voice of America, freigegeben als public domain

Ajamu Baraka und Jill Stein beim Wahlkampfauftritt im August 2016
Foto: 2016 by Voice of America, freigegeben als public domain

Schattenblick: Viele Leute, die Ihre kritische Haltung gegenüber dem Politbetrieb in den USA aus Ihren Schriften kennen, waren wirklich überrascht, als Sie die Einladung von Jill Stein annahmen, deren "running mate" bei der Bewerbung um die Präsidentschaft der USA als Kandidatin der Grünen beim Wahlkampf 2016 zu werden. Wie kam es zu dem Entschluß und was haben Sie sich von Ihrer Teilnahme am wenig aussichtsreichen Kampf Steins um den Einzug ins Weiße Haus gegen die Demokratin Hillary Clinton und den Republikaner Donald Trump versprochen?

Ajamu Baraka: Ich habe die Einladung Steins angenommen und mich am parteipolitischen Prozeß deshalb beteiligt, weil ich das Gefühl hatte, 2016 könnte zu einem ganz wichtigen Wahljahr werden. Ich dachte, der Wahlkampf in jenem Jahr bot eine großartige Gelegenheit, den Stimmen der Menschen, die schon länger von den Demokraten und Republikanern einfach angewidert sind, Gehör zu verschaffen. Die einzige Partei, die meines Erachtens Chancen hätte, das Monopol der Demokraten und Republikaner auf das politische System der USA zu durchbrechen, sind die Grünen. Als Jill Stein mir das Angebot machte, sie als Vizepräsidentschaftskandidat zu unterstützen, mußte ich kurz überlegen, ob ich die Strapazen auf mich nehmen wollte. Doch die Chance, mich am Aufbau einer echten politischen Alternative zu den Demokraten und Republikanern zu beteiligen, war zu verlockend. Ich mußte mitmachen. Darum hatte ich Ja gesagt.

SB: Sind sie rückblickend der Ansicht, daß sich der Einsatz für Sie, für die Grünen und Jill Stein gelohnt hat oder war das Ganze Zeitverschwendung, weil Teil einer politischen Scharade?

AB: Ich denke schon, daß es sich gelohnt hat. Im Rahmen der begrenzten Demokratie, die es in den USA gibt, war die landesweite Kampagne der Grünen wichtig, weil sie den Menschen, die mit Demokraten und Republikanern nichts am Hut haben, eine Wahlalternative und eine Plattform bot, wo auch sie sich Gehör verschaffen konnten. Die vielen Kriegsgegner oder die Menschen, die stärkere Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels fordern, hatten zum ersten Mal seit langem wieder eine Präsidentschaftskandidatin, der sie ihre Stimmen geben konnten. Der Wahlkampf der Grünen hat viele Menschen zusammengebracht, die das vorherrschende Zwei-Parteien-System zu Fall bringen wollen. Es sind Energien freigesetzt und Ideen ausgetauscht worden, die den Kampf um ein anderes politisches System lange beflügeln werden. Jill Stein und ich haben Probleme im Wahlkampf beim Namen genannt und thematisiert, die ansonsten in der Diskussion gar nicht aufgetaucht wären, wie zum Beispiel Erlaß der Schulden aus den Studiengebühren vieler Hochschulabsolventen, den Bau bezahlbaren Wohnraums, um die Obdachlosigkeit zu beenden, die Schaffung einer nationalen Krankenversicherung für alle, damit jeder die medizinische Betreuung erhält, die er braucht, sowie den Umbau der Wirtschaft Richtung erneuerbarer Energien. Von daher denke ich schon, daß unser Einsatz im Wahlkampf etwas gebracht hat.

SB: Aber die von Ihnen erhoffte Schwächung des faktischen Monopols der Demokraten und Republikaner auf politische Ämter in den USA scheint nicht eingetreten zu sein. Bei den Zwischenwahlen 2018, die Anfang November stattfanden, haben die Kandidaten der Grünen keinen einzigen Sitz im Repräsentantenhaus in Washington erobern können - von Senatssitzen ganz zu schweigen. Was sagen Sie dazu?

AB: Sie haben recht. Was gewählte Volksvertreter betrifft, haben die Grünen auch diesmal keinen Durchbruch erzielt. Das liegt vielleicht an strategischen Mängeln bei der Präsidentschaftskampagne der grünen Partei 2016. Damals haben die Grünen nicht in ausreichendem Maße die Mobilisierung der eigenen Wählerschaft und das Interesse potentieller Wähler an der Partei in den Aufbau entsprechender Strukturen auf der Ebene der Landkreise und der Bundesstaaten kanalisiert. Bevor man in Washington erfolgreich sein will, muß man sich erst einmal in den Kongreßhäusern der einzelnen Bundesstaaten etablieren. Da sind die Grünen erst am Anfang. Die Partei muß aus ihren Versäumnissen lernen und sich überlegen, wie man das große öffentliche Interesse, das die Teilnahme am präsidialen Wahlkampf mit sich bringt, besser nutzen kann, um das eigene Profil zu schärfen und mehr Wechsel- bzw. Nichtwähler für die Grünen zu gewinnen.


Ajamu Baraka am Stehpult von vorn - Foto: © 2018 by Ellen Davidson (stopthesewars.org)

Ajamu Baraka auf der Anti-US/NATO-Basen-Konferenz in Dublin
Foto: © 2018 by Ellen Davidson (stopthesewars.org)

SB: Wesentliche Mittel zur Aufrechterhaltung des Machtmonopols der Demokraten und Republikaner im amerikanischen Politsystem sind erstens das Gerrymandering, die Manipulation bei dem Zuschnitt der Wahlbezirksgrenzen, um die eine oder andere der beiden großen US-Parteien zu bevorteilen zuungunsten aller möglichen Drittbewerber, und zweitens die Wahlunterdrückung, das heißt der Einsatz bürokratischer Hürden, um Menschen aus den ärmeren Bevölkerungsschichten an der Wahlbeteiligung zu hindern. Es hat den Anschein, als sei es Demokraten und Republikanern wichtiger, das gemeinsame Betrugssystem aufrechtzuerhalten, als wer von ihnen die eine oder andere Abstimmung am Ende gewinnt. Als nach der Präsidentenwahl Jill Stein mehrere Gerichtsklagen wegen ungezählter Wählerstimmen in den Bundesstaaten Michigan, Pennsylvania und Wisconsin einreichte, haben die Demokraten sie demonstrativ nicht unterstützt, obwohl eine Zulassung dieser Stimmen bzw. eine Neuauszählung in den drei genannten Bundesstaaten Hillary Clinton doch noch den Sieg über Donald Trump beschert hätte. Können Sie uns das bitte erklären?

AB: Ihre Beschreibung des Verhaltens der Clinton-Kampagne in bezug auf die Gerichtsklagen der Grünen trifft nicht ganz zu. Als Jill Stein das Ergebnis in den drei genannten Bundesstaaten wegen Unregelmäßigkeiten gerichtlich anfocht, war im Hintergrund die Unterstützung für ihre Klagen seitens der demokratischen Parteiführung weit stärker als es öffentlich den Anschein hatte. Ohne die Hilfe einiger demokratischer Großspender hätten die Grünen die Klagen nicht einreichen und durchfechten können, denn so etwas kostet in den USA bekanntlich viel Geld. Von daher gab es sehr wohl bei den Demokraten Kräfte und Personen, die stark daran interessiert waren, den Wahlsieg Trumps für nichtig erklären und Clinton doch noch erste Präsidentin der USA werden zu lassen.

Dies wiederum hat eine heftige Diskussion innerhalb der Grünen ausgelöst, denn einigen Mitgliedern war nicht ersichtlich, warum sich ihre Partei für die Demokraten in die Schlacht werfen sollte. Schließlich würde eine Neuauszählung nichts an der Tatsache ändern, daß Stein weit ab auf dem dritten Platz hinter Trump und Clinton gelandet war. Die Gegner der Klagen bei den Grünen machten sich Sorgen, ihre Partei könnte sich durch den gerichtlichen Vorgang den Ruf einhandeln, Steigbügelhalter der Demokraten zu sein. Bei den Demokraten war man der Meinung, Hillary Clinton sollte nicht den Eindruck erwecken, eine schlechte Verliererin zu sein; gleichwohl hat die Parteiführung den juristischen Vorstoß Steins unterstützt und das nicht zu knapp.

SB: Einige Beobachter befürchten, daß durch die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten und die damit einhergehende Stärkung des weißen Rassismus in den USA die Schikanen, mit denen vor allem in den Südstaaten die Republikaner regelmäßig die Teilnahme weiter Teile der schwarzen Bevölkerung bei Wahlen zu blockieren versuchen, drastisch zunehmen werden. Sehen Sie das auch so?

AB: Absolut. Schauen wir die Vorgänge im Bundesstaat Georgia an, wo bei den Wahlen Anfang November die erstmalige Wahl einer schwarzen Person in das Amt des Gouverneurs mittels Tricks wie der Streichung zahlreicher Namen von der Wählerliste verhindert wurde. Der Republikaner Brian Kemp hat die Demokratin Stacey Abrams am Ende nur ganz knapp geschlagen. Tausende nicht gezählte bzw. nicht zugelassene Stimmen haben Abrams den Sieg gekostet. Am Wahltag hat in vielen Wahllokalen in mehrheitlich schwarzen Bezirken die Wahlmaschine nicht richtig funktioniert oder ganz den Geist abgegeben. Das lag daran, daß die neuen Maschinen alle zu den Wahllokalen in mehrheitlich weißen Bezirken, die alten und defekten in die schwarzen Gemeinden geschickt wurden. Kein Mittel ist den weißen Rassisten offenbar zu schäbig, wenn es darum geht, die schwarzen Mitbürger an der Ausübung ihres Wahlrechts zu hindern.

Das Problem wird zunehmen und das nicht nur wegen Trump und seiner Anhänger. 2013 hat der Oberste Gerichtshof in Washington Section 5 des Voter Registration Act, das den Bundesbehörden die Befugnis einräumte, den Ablauf der Wahlen in den einzelnen Bundesstaaten zu kontrollieren, Mißstände anzuprangern und zu beseitigen, für nicht verfassungskonform erklärt. Seitdem haben die Parteibonzen der Demokraten und Republikaner in den Bundesstaaten wieder freie Hand und ergreifen erneut zahlreiche Maßnahmen zum praktischen Ausschluß armer und schwarzer Bürger von den Wahlen.

SB: Eine wissenschaftliche Studie zur Präsidentenwahl 2016 hat ergeben, daß Donald Trump in jenen Gemeinden einen besonders hohen Stimmenanteil erzielt hat, in denen viele Irak- und Afghanistankriegsveteranen und ihre Angehörigen leben. Das hängt vermutlich mit der Tatsache zusammen, daß Trump im Wahlkampf in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik eine "isolationistische" Position bezog, das heißt Amerika sollte sich um die Gesundung der eigenen Wirtschaft kümmern, seine Soldaten aus Afghanistan, dem Irak und Syrien abziehen und bessere Beziehungen zu Rußland pflegen. Hiervon ist seit dem Einzug Trumps ins Weiße Haus - von den Friedensgesprächen mit Nordkorea einmal abgesehen - wenig zu spüren gewesen. Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die Chancen ein, daß die nicht wenigen Wähler, die wegen seiner Kritik an unsinnigen Militärinterventionen der USA im Ausland pro Trump gestimmt haben, für eine progressivere Politik, meinetwegen für eine Stimmabgabe für die Grünen, gewonnen werden können?


Ajamu am Stehpult von der Seite - Foto: © 2018 by Schattenblick

Foto: © 2018 by Schattenblick

AB: Ich halte das für durchaus möglich. Ein wichtiger Grund für die Niederlage Hillary Clintons liegt im Verhalten der demokratischen Partei. Die Unfähigkeit, man könnte vielleicht sogar sagen die Weigerung der Demokraten, ein Programm anzubieten, das den wirtschaftlichen Sorgen und Nöten weiter Teile der Gesellschaft Rechnung trägt, hat sich gerächt.

2012 hatten neun Millionen mehr Wähler aus der Arbeiterklasse für Barack Obama gestimmt und diesem damit eine zweite Amtszeit als Präsidenten beschert, als für Hillary Clinton vier Jahre später gestimmt haben. Die Demokraten und Hillary Clinton haben diese Leute nicht erreicht, nicht mobilisieren können - und deshalb die Präsidentenwahl verloren. Woran liegt das? 2012 bestand noch die Hoffnung, daß die Demokraten die schlimmsten Auswirkungen der 2008 hereingebrochenen Finanz- und Wirtschaftskrise würden abfedern können und sie nicht auf die einfachen Menschen abwälzen. 2016 war diese Hoffnung längst verflogen. Die Demokraten hatten sich in der Zwischenzeit unter der Führung der Obama-Regierung mittels Bankenrettungen und Steuererleichterungen für die Schwerreichen als genauso gehorsame Diener des Großkapitals wie die Republikaner erwiesen.

Im Wahlkampf trafen Jill Stein und ich dauernd auf Leute, die sich von den Demokraten regelrecht im Stich gelassen fühlten. Also haben wir frühzeitig gespürt, daß die Clinton-Kampagne in großen Schwierigkeiten, was die Mobilisierung ihrer traditionellen Wählerschaft betrifft, steckte. Viele der Leute, die sich bei Wahlkampfveranstaltungen uns gegenüber über die Demokraten und ihr wenig arbeiterfreundliches Programm beschwerten, hatten Bedenken, Jill Stein ihre Stimme zu geben, weil sie nicht glaubten, daß die grüne Präsidentschaftskandidatin eine realistische Chance zu gewinnen hatte. Viele dieser Menschen und Leute haben deshalb Donald Trump gewählt, weil sie in ihm ein Mittel - wie mangelhaft auch immer - sahen, Veränderung im Washingtoner Politbetrieb herbeizuführen. Trump hat viele Protestwähler für sich gewinnen können, weil er im Vergleich zu Clinton immerhin die Themen, die sie beschäftigten, wie Arbeitslosigkeit und sinkende Lebensstandards, in seinen Reden ansprach und Verbesserung versprach.

SB: Wenn man die Berichterstattung der großen amerikanischen Konzernmedien wie der New York Times seit dem Wahlsieg Trumps verfolgt, bekommt man den Eindruck, in den USA herrscht eine seit dem Bürgerkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts niemals dagewesene Krise, die Bevölkerung wäre zutiefst gespalten, Demokraten und Republikaner bis aufs Blut verfeindet und zu einer produktiven Zusammenarbeit unfähig. Stimmt dieses Bild überhaupt oder wird nicht die Öffentlichkeit mit einer Art Politzirkus gefüttert, deren Inszenierer auf Mittel des beliebten Fernsehprofiwrestlings à la WWE zurückgreifen?


Ajamu Baraka im Porträt - Foto: © 2018 by Ellen Davidson (stopthesewars.org)

Foto: © 2018 by Ellen Davidson (stopthesewars.org)

AB: Ich glaube, die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Unter den Eliten tobt ein heftiger Streit, der natürlich durch die hysterische Art der Berichterstattung um eventuelle Kontakte des Wahlkampfteams von Trump zum Kreml völlig überhöht wird. Der Streit hat aber handfeste Gründe. Donald Trump vertritt jenen Teil des amerikanischen Kapitals, der traditionell auf den Binnenmarkt orientiert gewesen ist. Das sind große und mittelgroße Unternehmen, die weit weniger als die international agierenden US-Großkonzerne von der Globalisierung profitiert haben. Die Inhaber und Leitungen ersterer Unternehmen haben das Gefühl, sie hätten vom neoliberalen Kurs, den die USA wirtschaftlich seit den siebziger Jahren verfolgen, nur Nachteile gehabt. Wenn Donald Trump verspricht, er werde Amerika wieder "great" machen, so ist damit gemeint, daß er die Industriearbeitsplätze, die in den letzten dreißig, vierzig Jahren von den USA nach Mexiko, China und in andere Billiglohnländer ausgelagert worden sind, zurückholt. Die Maßnahmen, die er ergreift, um dies zu verwirklichen, wie zum Beispiel Strafzölle, bedrohen die Interessen jener US-Konzerne, die global tätig sind. Also gibt es zwischen ihnen und den Verfechtern eines wirtschaftlichen Nationalismus starke Spannungen. Das ist der Hintergrund der politischen "Krise", denn die Interessensvertreter beider Lager bekämpfen sich in Politik und Medien tatsächlich mit harten Bandagen.

Als Trump bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung Ende September vollmundig erklärte, er sei ein "Nationalist", hat er in erster Linie gemeint, er wolle die Binnenwirtschaft der USA ankurbeln, die hier agierenden Unternehmen stärken und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeiter- und Mittelschicht schaffen. Seine Wähler und seine Unterstützerkreise in Teilen der US-Wirtschaft haben die Botschaft sehr wohl verstanden. Seine Gegner haben die Äußerung dahingehend ausgelegt, daß er ein Bekenntnis zum weißen Rassismus abgelegt hätte. Dieser Unterton war möglicherweise auch von Trump gemeint. Das will ich nicht bestreiten. Aber es ging ihm in erster Linie um den Wirtschaftsnationalismus, dem er sich verpflichtet fühlt. Die multinationalen Großkonzerne sehen diesen Kurs von Trump mit Unbehagen, denn sie erwarten dadurch für ihre eigenen Geschäfte nur Nachteile und Schwierigkeiten. Darum sind sie und ihre Freunde in den Medien dauerhaft bemüht, Trump schlecht zu machen und ihn als Idioten aussehen zu lassen. Gleichwohl sind praktisch alle amerikanischen Wirtschaftskapitäne und Politiker auf Trumps Seite, wenn er die, aus ihrer Sicht, unfairen Handelspraktiken Chinas anprangert und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreift.

Gleichzeitig ist das von Ihnen angesprochene Phänomen der Verflachung der politischen Berichterstattung auf das Kasperletheaterniveau unbestreitbar und gleichzeitig erschreckend. Einerseits bauschen die liberalen, pro-demokratischen Medien wie die New York Times Trump zum Chaos-Kandidaten, zum Rüpelpräsidenten auf. Andererseits lebt Trump diese Rolle voll aus, indem er provokante Stellungnahmen oder Twitter-Meldungen von sich gibt und gezielt Reizthemen auf eine plumpe Art anspricht, um die eigene Wählerbasis zu mobilisieren und die Gegner in Rage zu versetzen. Dadurch entsteht der Eindruck, daß in Washington politisches Durcheinander herrscht und daß die traditionellen Regeln und Gepflogenheiten nicht mehr gelten.

Macht man sich die Mühe, sich von dem ganzen Polittheater und Mediendonner nicht blenden zu lassen, so wird ersichtlich, daß hinter den Kulissen tatsächlich ein ganz schwerer Kampf tobt, bei dem es um die politische und wirtschaftliche Ausrichtung der USA geht. Dessen ungeachtet sind sich die Globalisierer und die Wirtschaftsnationalisten vollkommen einig, was das Bestreben Washingtons betrifft, die militärische, politische und wirtschaftliche Vorherrschaft der USA auf der internationalen Ebene aufrechtzuerhalten. Deswegen haben Republikaner und Demokraten vor kurzem ohne nennenswerte Debatte im Kongreß gemeinsam den Wehretat für 2019 auf sage und schreibe 760 Milliarden Dollar - und damit sogar auf mehr als die Trump-Regierung ursprünglich beantragt hatte - erhöht. Und als Trump nach nur wenigen Monaten im Weißen Haus wegen des angeblichen Einsatzes von Giftgas durch die Truppen Baschar Al Assads Raketen auf syrische Militäreinrichtungen abfeuern ließ, jubelten alle im Kongreß und befanden, der neue Präsident würde Amerika wieder Respekt in der Welt verschaffen. Beide Parteien, Demokraten und Republikaner, unterstützen bedingungslos die Agenda des Pentagons und den Dauerkrieg, den die USA unter verschiedenen Vorwänden seit dem 11. September 2001 praktisch auf allen Kontinenten führt, denn sie sehen darin die einzige Chance, die globale Hegemonie Amerikas aufrechtzuerhalten. Demokraten und Republikaner in Washington treiben ein Spiel, das zu durchschauen wir, die Opfer des Spiels, angehalten sind.

SB: Wir bedanken uns herzlich für dieses Interview, Ajamu Baraka.


Ajamu Baraka in kämpferischer Pose mit geballter rechter Faust an der Brust - Foto: © 2018 by Schattenblick

Fight the Power
Foto: © 2018 by Schattenblick


Bericht und Interviews zur ersten "International Conference Against US/NATO Military Bases" in Dublin im Schattenblick unter:
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7. Dezember 2018


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