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ARBEIT/500: Zehn Jahre Hartz-"Reformen" - und kein Ende in Sicht (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 34 vom 24. August 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Armut per Gesetz
Zehn Jahre Hartz-"Reformen" - und kein Ende in Sicht

von Manfred Dietenberger



"Beginnend ab heute elf Uhr" werde es innerhalb der nächsten drei Jahre zwei Millionen Arbeitslose weniger geben. So prahlte Peter Hartz vor genau zehn Jahren als er den Bericht der Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt", theatralisch inszeniert im Französischen Dom zu Berlin, dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) überreichte. Damit fiel der Startschuss zur Hatz auf Arbeitslose und sozial Schwächere. Der Weg zur Agenda 2010 und zu den Hartz-Gesetzen war frei.

Was damit an Abbau von Sozial- und Arbeitsrecht eingeläutet wurde, stellte alle früheren Kürzungsmaßnahmen der Regierung Schmidt (wie etwa "Operation 82") in den Schatten. In Folge der dann - ausgerechnet von der rot-grünen Regierung - umgesetzten Hartz-Reformen wurden die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt, die Zumutbarkeitsregeln für die Aufnahme von Arbeit verschärft und die Bundesagentur für Arbeit aufgebaut. Damit fing die Geschichte der Etablierung des Niedriglohnsektors an.


Hartz IV ein "Gewinn für die Gesellschaft"?

Ex-Bundeskanzler Schröder bezeichnete jetzt, zehn Jahre danach, die Hartz-Arbeitsmarktreformen unverfroren als "Gewinn für die Gesellschaft": Die Reform der Sozial- und Arbeitslosenhilfe sei zwar anfangs schmerzhaft gewesen. "Aber wenn wir heute die Erfolge sehen, dann hat es sich für unser Land gelohnt." Die Gesellschaft sei, so Schröder weiter, durch die Einführung von Hartz IV nicht unsozialer geworden, denn es sei "nicht unsozial, wenn der Staat einfordert, dass jemand, der arbeiten kann und dem Arbeit angeboten wird, diese auch annimmt".

Ins gleiche Horn blies die Arbeitslosenministerin Ursula von der Leyen (CDU): "Unterm Strich haben sich die Reformen am Arbeitsmarkt gelohnt - nämlich das Zusammenlegen von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe." In Wirklichkeit ist die gesunkene Arbeitslosigkeit nicht den Hartz-Gesetzen, sondern nur den vielen verfälschenden Tricks bei der Erstellung der Arbeitslosenstatistik geschuldet.

Im Zuge der Finanzkrise wird nun von der kapitalhörigen schwarz-gelben Regierung diese Sozialpolitik mit der Abrissbirne namens "Fiskalpolitik" innerhalb EU zur Norm gemacht. Besonders skandalös ist die Lage der 7,4 Millionen Hartz-Betroffenen: Armutslöhne für Hunderttausende, subventioniert durch den Staat via "Aufstockung". Schikane, Demütigung, Sanktionen für Erwerbslose - alles unter dem Deckmantel der Phrase vom "Fordern und Fördern". Die Umsetzung des zweiten Teils der Parole wurde bis heute nicht einmal ansatzweise umgesetzt.


Auf dem Weg zum "Vier-Klassen-Arbeitsmarkt"

Nur ein Jahrzehnt nach den Hartz-Vorschlägen haben wir hierzulande einen zweigeteilten Arbeitsmarkt und sind auf bestem Wege in einen "Vier-Klassen-Arbeitsmarkt". Es gibt noch die erwerbstätigen Normalverdiener, daneben aber schon die rasch wachsende Masse der so genannten "working poor", also derer, die von ihrer Arbeit alleine nicht leben können und auf zusätzliche staatliche Leistungen angewiesen sind. Dazu gibt es noch die gut verwertbaren Arbeitslosen, auf die sich alle arbeitsmarktpolitischen Förderangebote konzentrieren, und am traurigen Ende kommen noch hunderttausende Langzeitarbeitslose dazu, die vom Staat längst abgeschrieben und im Stich gelassen werden. Von den rund drei Millionen Arbeitslosen beziehen nur etwa 30 Prozent Arbeitslosengeld I, während 70 Prozent - also über zwei Millionen Arbeitslose - in Hartz IV "festgehartzt" sind. Fast 800.000 Menschen in Deutschland sind Langzeitarbeitslose. Schluss damit! Das kollektive Menschenrecht auf auskömmliche Arbeit muss von uns gegen die Profitinteressen des Kapitals verteidigt bzw. erst noch erkämpft werden. Aber schon Goethe wusste: "Wer das Recht auf seiner Seite hat, muss derb auftreten. Ein höflich Recht will gar nichts heißen".

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 34 vom 24. August 2012, Seite 1
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2012