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ARBEIT/552: Kambodscha - Kampf um Mindestlöhne in der Textilindustrie noch nicht zu Ende (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. März 2014

Kambodscha: Kampf um Mindestlöhne in der Textilindustrie noch nicht zu Ende - Ruhe vor dem Sturm

von Michelle Tolson


Bild: © Michelle Tolson/IPS

Arbeiter während der Mittagspause in Phnom Penh
Bild: © Michelle Tolson/IPS

Phnom Penh, 7. März (IPS) - In Kambodscha herrscht gespannte Ruhe, seitdem die Regierung im Januar mit harter Hand gegen protestierende Textilarbeiter vorgegangen ist. Das Versammlungsrecht wurde ausgehebelt und 23 Gewerkschaftsaktivisten stehen Gerichtsverfahren ins Haus. Auch wenn niemand auf die Straße geht, gärt im Lande die Unzufriedenheit.

Inzwischen denkt die Regierung darüber nach, das Versammlungsverbot wieder aufzuheben. "Die Regierung sollte Demonstranten nicht unterdrücken, wenn ihr daran gelegen ist, dass Kambodscha als demokratisches Land wahrgenommen wird", meint Phorn Sreywin, eine 26- jährige Textilarbeiterin.

Zwar tritt das Arbeiter-Informationszentrum (WIC) für die Rechte von Frauen in der Textilbranche ein, doch Forderungen nach höheren Mindestlöhnen werden in dem südostasiatischen Land regelmäßig abgebügelt.

"Es hätte niemals ein solches Versammlungsverbot geben dürfen. Es ist verfassungswidrig und verstößt gegen verschiedene Abkommen, die Kambodscha ratifiziert hat", kritisiert Naly Pilorge, Direktorin der Menschenrechtsorganisation LICADHO.

Doch nach Ansicht der Vereinigung der Textilhersteller in Kambodscha (GMAC), die zu 93 Prozent ausländische Unternehmer aus Singapur, Hongkong, Taiwan und Südkorea vertritt, besitzen die Beschäftigten kein Streikrecht. "Die Versammlungsfreiheit darf nicht als Rechtfertigung für illegale Verhaltensweisen herhalten und die Möglichkeiten des Staates, seinen Regierungsaufgaben nachzukommen, unterwandern", heißt es in einer Erklärung auf der Website von GMAC, die auf Proteste am 2. und 3. Januar anspielte, die das Eingreifen des Militärs nach sich zogen.


Gewerkschaften Legitimität abgesprochen

Der GMAC zufolge haben die Arbeiter bei ihrem Protest Gewalt angewendet. Darüber hinaus beschuldigt die Vereinigung die Gewerkschaften, in den Textilfabriken auch weiterhin Unfrieden zu stiften. Viele der Organisationen seien gar nicht repräsentativ und versuchten, sich mit ihren Aktivitäten bei den Beschäftigten beliebt zu machen. Die Mitgliederzahlen würden künstlich aufgebläht.

Aktivisten weisen diese Darstellung jedoch als Einschüchterungsmanöver zurück. Vertreter von Gewerkschaften aus aller Welt demonstrieren vor kambodschanischen Konsulaten, um die Textilarbeiter des Landes zu unterstützen. Der GMAC wurde zudem dafür kritisiert, dass sie die Militäraktion gegen streikende Textilarbeiter am 3. Januar gebilligt hatte, die vier Menschen das Leben kostete. Mehr als 30 Demonstranten wurden schwer verletzt.

Wenige Tage vor Beginn der Proteste hatte das Arbeitsministerium einer Anhebung des Mindestlohns von 80 auf 95 US-Dollar im Monat zugestimmt. Den Gewerkschaften ging dieses Angebot jedoch nicht weit genug. Sie verlangten ein Mindesteinkommen von 160 Dollar monatlich. Den Vertretern drohen nun der Verlust ihrer Arbeitsplätze und Gerichtsverfahren, wie Sophea Chrek von WIC berichtet.

Der Arbeitsexperte Dennis Arnold hat in einem Bericht dargelegt, wie die Verhandlungsstärke kambodschanischer Arbeiter nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens der Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2005 erheblich abgenommen hat. Vor dem Abkommen hätten die meisten Arbeiter in registrierten Fabriken mit langfristigen Arbeitsverträgen gearbeitet und Urlaubsgeld, Krankengeld und Mutterschutz in Anspruch nehmen können. Später wurden diese Verträge auf drei bis sechs Monate gekürzt und die Sozialleistungen abgeschafft.

Schätzungen zufolge arbeiten rund 400.000 Menschen in registrierten Textilfabriken. Würden auch diejenigen dazugezählt, die in den nicht registrierten und in den Zulieferbetrieben beschäftigt sind, ergäbe sich Arnold zufolge eine Gesamtzahl von 600.000 Beschäftigten. Durch Bürokratie und Korruption treibe die wirtschaftliche Elite die ohnehin schon enormen Produktionskosten weiter in die Höhe, kritisiert Arnold. Die Fabrikbesitzer nähmen diese Kosten zum Vorwand, um die Gehälter nicht zu erhöhen. (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/03/labour-anger-simmers-cambodia/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2014