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FRAUEN/365: Malawi - Kampagne gegen Straßenhändler nach gewaltsamen Übergriffen auf Frauen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Januar 2012

Malawi: Kampagne gegen Straßenhändler nach gewaltsamen Übergriffen auf Frauen

von Claire Ngozo

Vizepräsidentin Joyce Banda (re.) neben Frauenministerin Reen Kachere - Bild: © Claire Ngozo/IPS

Vizepräsidentin Joyce Banda (re.) neben Frauenministerin Reen Kachere
Bild: © Claire Ngozo/IPS

Lilongwe, 26. Januar (IPS) - In den drei größten Städten Malawis haben Frauenaktivisten nach jüngsten Übergriffen auf Frauen und Mädchen eine Boykottkampagne gegen die für die Gewalt verantwortlichen Straßenverkäufer gestartet. Händler waren wenige Tage nach einem gescheiterten Versuch der Behörden von Lilongwe, sie aus dem Zentrum der Hauptstadt zu verbannen, auf Malawierinnen losgegangen und hatten ihnen die Kleider vom Leib gerissen. Zu ähnlichen Übergriffen kam es auch in Blantyre und Mzuzu.

Aus den Innenstädten sind sie kaum wegzudenken, die vielen fliegenden Händler, die an Straßenecken und auf Bürgersteigen alles Mögliche verkaufen: von Kleidung über Elektroartikel bis zu Nahrungsmitteln und Haushaltswaren. Nach ihren Attacken auf malawische Frauen und Mädchen drohen ihnen nun empfindliche finanzielle Einbußen.

Unter dem Motto 'lero nkugule, mawa undivule', was in Chichewa, der Sprache der Volksgruppe der Chewa, soviel heißt wie 'heute kauf ich bei dir, morgen ziehst du mich aus', haben Frauenaktivisten am 18. Januar zum Boykott der Straßenhändler aufgerufen. "Wir werden sie lehren, mit Frauen respektvoll umzugehen", sagte dazu Seodi White von der malawischen Sektion der einflussreichen regionalen Frauenorganisation 'Women in Law in Southern Africa'.

Wie White gegenüber IPS erklärte, sind alle Malawier zur Teilnahme an der Boykottaktion aufgerufen. "Wir wollen die Botschaft rüberbringen, dass wir einen Dress Code, wie er uns in der Vergangenheit aufgezwungen wurde, nicht dulden werden." Unter der Diktatur, die 1994 zu Ende ging, war es Frauen verboten, Hosen, Miniröcke und Shorts zu tragen.


Händler mit Verbindungen zum Präsidenten

Bei den jüngsten Übergriffen hatten fliegende Händler erklärt, sie seien vom Staatspräsidenten instruiert worden, die Straßen von freizügig bekleideten Frauen zu säubern. Die informellen Geschäftsleute stehen seit einigen Monaten in der besonderen Gunst von Staatschef Bingu wa Mutharika.

Im Juli letzten Jahres hatte Mutharika an die 2.000 Händler in seinem Palast im Anschluss an landesweite Proteste gegen schlechte Regierungsführung und den kontinuierlichen Niedergang der Wirtschaft geladen und verköstigt. Bei den Demonstrationen vom 20. bis 21. Juli waren bei Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften 21 Menschen ums Leben gekommen und weitere 275 festgenommen worden.

Während des Abendessens bekniete Mutharika seine Gäste, an nicht an den Erhebungen gegen seine Person teilzunehmen. Er stellte ihnen dafür ein ewiges Bleibrecht in Lilongwe in Aussicht. Im Monat darauf ermöglichte der Präsident den Straßenhändlern Zugang zu günstigen Krediten.

Doch am 5. Januar dieses Jahres versuchte die Stadtverwaltung, die fliegenden Händler zum Umzug in ein eigens für sie vorgesehenes Quartier zu zwingen. Nachdem die Polizei gegen den Widerstand der Betroffenen machtlos war, musste das Militär gerufen werden, um die aufgebrachte Meute auseinanderzutreiben. Doch schon am nächsten Tag standen die Händler wieder an ihren alten Plätzen.

Die Lage hatte sich noch nicht beruhigt, als Straßenhändler am 17. Januar gewaltsam gegen Frauen und Mädchen vorgingen. Ein Opfer ist Joyce Ngwira, die in der Altstadt von Lilongwe angegriffen und gewaltsam ausgezogen wurde. Wie sie IPS berichtet, hat sie sich von dem Schock und der Demütigung noch nicht erholt. "Obwohl ich eine dezente Hose trug, stürmte eine Gruppe Männer auf mich zu und riss mir die Kleider vom Leib." Passanten hätten ihr schließlich geholfen zu entkommen.

Die in Lilongwe ausgebrochene Gewalt gegen Frauen strahlte schnell auf Blantyre und Mzuzu aus. Seither haben viele Frauen ihren Kleidungsstil geändert. Sie tragen lange T-Shirts und Kleider, wenn sie zur Arbeit oder zum Einkaufen gehen. Polizeipatrouillen sichern inzwischen die Straßen. Mindestens 15 Personen wurden festgenommen, wie der Polizeisprecher Dave Chingwalu erklärte. "Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie Frauen belästigt werden. In unserem Land gilt die freie Kleiderwahl, und niemand hat das Recht, Frauen vorzuschreiben, wie sich anzuziehen haben."

Frauenaktivisten und Menschenrechtler beriefen am 20. Januar eine Konferenz ein, an der auch Vizepräsidentin Joyce Banda, Frauenministerin Reen Kachere und andere Politiker teilnahmen, um gegen die frauenfeindlichen Übergriffe zu protestieren. Gleich zu Anfang der Attacken hatte Banda gegenüber den Medien erklärt, dass der Frust über die miserable Wirtschaftslage im Lande als Ursache der Gewalt zu betrachten sei. "Das große Leid sorgt dafür, dass Menschen ihren Frust an anderen ablassen."


Land in der Krise, Entwicklungshilfe auf Eis

Malawi ächzt unter der Wucht riesiger Probleme, seitdem die Geber im letzten Jahr den Geldhahn zugedreht haben. Bis zu 40 Prozent des nationalen Haushalts war bis dato mit Geberhilfe finanziert worden. 80 Prozent des Entwicklungsbudgets hatte das Land im Rahmen der Gemeinsamen Haushaltsförderung von Deutschland, Großbritannien, Norwegen, Afrikanischer Entwicklungsbank, EU und Weltbank erhalten.

Deutschland und Großbritannien weigern sich, bis zu 400 Millionen Dollar freizugeben. Auch die 'Millennium Challenge Corporation', eine Entwicklungsagentur der US-Regierung, kündigte im letzten Jahr an, 350,7 Millionen Dollar einzufrieren, die für die Verbesserung des Energiesektors bestimmt waren.

Die Boykottkampagne mache sich bereits bei den Einnahmen der Händler bemerkbar, meinte Ganizo Makupa, Vorsitzender der Vereinigung der Verkäufer von Blantyre. Er gab jedoch zu bedenken, dass es sich bei den Übeltätern um eine kleine Minderheit handele, die den Ruf der anderen Händler ruiniere. "Wir bedauern die Vorfälle und suchen nach Wegen, wie wir für mehr Disziplin in unseren Verband sorgen können." (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2012