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FRAUEN/466: Sri Lanka - Sprachbarrieren und Gewalt, Staat soll seine Bürger am Golf absichern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Februar 2013

Sri Lanka: Mit glühenden Nägeln gequält - Staat soll Bürger am Golf absichern

von Amantha Perera



Colombo, 28. Februar (IPS) - Die Srilankerin Lahandapurege Ariyawathie ist inzwischen der Meinung, als Haushaltshilfe vor zwei Jahren in Saudi-Arabien großes Glück gehabt zu haben - trotz der 24 glühenden Nägel, die ihr von ihrem damaligen Arbeitgeber ins Fleisch getrieben worden waren. Immerhin: Sie hat überlebt.

Sechs Nägel konnten der 52-Jährigen bis heute nicht aus ihrem Körper entfernt werden. "Trotzdem habe ich das Gefühl, verhältnismäßig glimpflich davongekommen zu sein", meint sie vor ihrem Haus im srilankischen Bezirk Matara - ein 'Geschenk' des Büros für ausländische Beschäftigung und der Nationalen Wohnungsbehörde nach den Protesten, die ihr Erlebnis am Golf ausgelöst hatte.

Ihre Landsmännin Rizana Nafeek sollte ihre Heimat nicht wiedersehen. Sie wurde im Januar in Saudi-Arabien im Zusammenhang mit dem Tod eines in ihrer Obhut stehenden Säuglings enthauptet. "Das Gleiche hätte mir widerfahren können", meint Ariyawathie.

Nafeek saß seit 2005 hinter Gittern, ab 2007 in der Todeszelle. Sie war im Alter von 17 Jahren mit einem manipulierten Pass nach Saudi-Arabien gekommen. Nach Angaben ihrer Familie und von Personen, die mit ihrem Fall vertraut sind, hatten skrupellose Stellenvermittler die Eltern überredet, die minderjährige Tochter als Haushaltshilfe nach Saudi-Arabien zu schicken.

In dem Haushalt, in dem sie tätig war, wurde sie ohne Vorkenntnisse als Babysitterin für das vier Monate alte Baby beschäftigt, dass Nafeek zufolge erstickte, als es aus einer Babyflasche trank. Die Anklage lautete auf Mord. Menschenrechtsaktivisten zufolge wurde der jungen Frau weder eine faire Verhandlung noch rechtliche Unterstützung zuteil.


Allgemeine Hilflosigkeit

Nafeeks Eltern, die in Muttur im nordöstlichen Bezirk Trincomalee leben, haben sich mit dem grausigen Schicksal ihrer Tochter abgefunden. Oder besser gesagt: Sie haben resigniert. "Was können wir schon tun? Wir müssen weitermachen. Wir sind machtlos", meint der Vater Abdul Mohammed Nafeek.

Experten geben den srilankischen Rekrutierungsagenturen eine Mitschuld an der Hilflosigkeit der Haushaltshilfen und deren Angehörigen. Sie schickten ihre Scouts in weit entlegene Dörfer, um junge Frauen wie Nafeek aufzuspüren. "Ihnen wird eingeredet, völlig schutzlos zu sein", meint Miyuru Gunasinghe vom 'Law and Society Trust', einer srilankischen Rechtshilfeorganisation.

Gunasinghe zufolge sollte sich Sri Lanka ein Beispiel an den Philippinen nehmen, die mit Saudi-Arabien bilaterale Verträge zum Schutz der Arbeitsrechte von Hausmädchen geschlossen haben. Die Philippinen hatten bis zur Aushandlung des Abkommens ein Jahr lang keine einheimischen Arbeitskräfte nach Saudi-Arabien geschickt. Die bilateralen Verträge garantieren die Auszahlung von Mindestlöhnen und die Einhaltung grundlegender Arbeitsrechte.

Sri Lanka hat solche Abkommen mit Bahrain und Jordanien geschlossen. Die Vereinbarungen stellen auch sicher, dass die Beschäftigten gleich behandelt werden müssen und nicht durch Einzelverträge oder Stammesgesetze benachteiligt werden können.

Obwohl die Enthauptung Nafeeks einen Aufschrei der Empörung ausgelöst hat, ist es der srilankischen Regierung noch nicht gelungen, ein entsprechendes Abkommen mit den Saudis zu schließen. Zwei Wochen nach der Hinrichtung von Nafeek billigte das Kabinett lediglich einen Vorschlag des Ministers für auswärtige Beziehungen, Dilan Perera, das Alter für Frauen, die in Saudi-Arabien arbeiten wollen, auf 25 Jahre hochzusetzen. Für alle übrigen Länder in Nahost soll es bei 23 Jahren bleiben.

Nach Ansicht von Gunasinghe vom Law and Society Trust reicht die Erhöhung der Altersgrenze nicht aus. "Du kannst 25 Jahre alt sein, doch wenn du nur fünf Jahre zur Schule gegangen bist, sprichst du kein Englisch und kannst dich auch nicht richtig bewerben. Du hast also das gleiche Problem." Die Expertin plädiert für die Durchführung von Belastungskursen. Auch sollten ausschließlich qualifizierte Kräfte mit der Aussicht auf gute Bezahlung ins Ausland geschickt werden.


Gefährliche Sprachbarrieren

Srilankerinnen, die im Ausland als Haushaltshilfen arbeiten wollen, sind verpflichtet, an einem 21-tägigen Pflichtprogramm für Haushaltsführung teilnehmen. Zum Abschluss erhalten sie ein entsprechendes Zertifikat. Ariyawathie hatte an dem dreiwöchigen Regierungsprogramm teilgenommen, dass auch ein Sprachtraining beinhaltet. Doch genutzt hat ihr das am Golf wenig. Sie sei ausgebeutet worden, weil sie nicht mit ihren Arbeitsgebern kommunizieren konnte. "Ich habe sie einfach nicht verstanden", sagt sie.

Gunasinghe ist der Meinung, dass die Regierung den Rekrutierungsagenturen strikte Auflagen machen und das Gesetz über die Beschäftigung im Ausland unter Berücksichtigung von Arbeitsrechten reformieren sollte. In seiner jetzigen Form regelt das Gesetz nur die Förderung ausländischer Beschäftigung. "Wären die Millionen im Ausland beschäftigten Srilanker wahlberechtigt, würden sich die Politiker ihres Landes stärker für ihre Belange einsetzen", sagte die Juristin.

Obwohl viele Srilanker im schlecht bezahlten Niedriglohnsektor arbeiten - Haushaltshilfen verdienen manchmal nur 100 US-Dollar im Monat - sind die Auslandsüberweisungen in die Heimat der größte Devisenbringer des Inselstaates. In diesem Jahr sollen es fünf Milliarden Dollar werden. Derzeit arbeiten rund zwei Millionen Srilanker im Ausland. Mindestens 800.000 Frauen sind dort in Privathaushalten beschäftigt, die meisten in den Golfstaaten.

Trotz aller Schwierigkeiten, die Lage der Arbeitsemigranten zu verbessern, sind einige Veränderungen sichtbar geworden. Seit Ende 2011, als eine Vielzahl von Missbrauchsfällen für Schlagzeilen sorgte, ist das Interesse vieler Srilanker an einer Stelle in Saudi-Arabien merklich zurückgegangen. Arbeitsagenten zahlen Frauen, die sich für die Annahme eines Jobs in dem Land entschließen, inzwischen eine Prämie von 800 Dollar.

In Muttur, Nafeeks Heimatdorf, haben Frauen eine Unterschriftenkampagne gegen die Entsendung von Srilankerinnen nach Saudi-Arabien durchgeführt. "Wir wollen nicht, dass Rizana zu einer Zahl in der Statistik wird", meint Mohammed Jihad, ein Sozialarbeiter im Dorf. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://lawandsocietytrust.org/
http://news.lk/press-releases/press-releases-cabinet-decisions/4206-decisions-taken-by-the-cabinet-at-its-meeting-on-24012013

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2013