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FRAUEN/551: Gewalt gegen Seniorinnen - Viele Übergriffe werden aus Scham nicht angezeigt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. August 2014

Frauen: Gewalt gegen Seniorinnen - Viele Übergriffe werden aus Scham nicht angezeigt

von Chau Ngo


Bild: © Boris Bartels/cc by 2.0

Ältere Frauen machen häufiger als bisher angenommen Erfahrungen mit Gewalt
Bild: © Boris Bartels/cc by 2.0

New York, 18. August (IPS) - Ältere Frauen werden offenbar häufiger Opfer von Gewalt und Misshandlung als bisher angenommen. Wie die Frauenaktivistin Patricia Brownell und ihre Kolleginnen in Gesprächen mit Seniorinnen im US-Bundesstaat New York herausfanden, gehen die Übergriffe auf das Konto von Ehemännern, Söhnen und Töchtern sowie von Unbekannten und Pflegekräften.

"Die Opfer wollten zunächst nicht über das Erlebte sprechen, weil sie sich schuldig fühlten. Sie suchten den Fehler bei sich", meinte Brownell, die Vizepräsidentin des Nationalen Komitees zur Verhinderung von Übergriffen auf Ältere, im IPS-Gespräch.

Untersuchungen zu diesem Phänomen konzentrieren sich in der Regel auf Nordamerika und Europa. So kam eine 2011 in fünf europäischen Staaten durchgeführte Studie zu dem Ergebnis, dass etwa 28 Prozent der älteren Frauen Übergriffe erdulden müssen.

Nur wenig ist über die Situation in Entwicklungsländern bekannt, wo die sozio-ökonomische Lage problematischer ist. Brownell berichtete in diesem Zusammenhang über Witwen, die diskriminiert werden, und Frauen, die der Vorwurf der Hexerei zu Zielscheiben von Gewalttaten macht.


Körperliche und psychische Misshandlungen

Gewalt gegen jüngere Frauen erregt meist eine größere Aufmerksamkeit als Misshandlungen von Seniorinnen, die auf der körperlichen, psychologischen und emotionalen Ebene ablaufen können. Die Weltgesundheitsorganisation WHO berichtet zudem über sexuellen Missbrauch, Betrug und Diebstahl sowie Vernachlässigung.

In einer Rede vor der Fünften Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zu den Rechten Älterer erklärte Silvia Perel-Levi, Vorsitzende des NGO-Komitees über das Altern, in Genf, dass sich ein uneinheitliches Bild biete. Der Anteil der Befragten, die Gewalt und Misshandlungen erfahren hätten, variiere zwischen sechs und 44 Prozent, je nach geographischer Lage und sozio-ökonomischen Verhältnissen.

Die Tatsache, dass in den vergangenen Jahren mehr über Gewalt gegen ältere Frauen berichtet worden sei, lasse jedoch noch nicht darauf schließen, dass sich das Problem verschärft habe, sagte Perel-Levin. "Ich denke, es hat immer Gewalt und andere Übergriffe gegeben, doch die Vorfälle wurden nicht untersucht und publik gemacht. Das war immer tabu. Wir haben noch nicht genug Daten zu Gewalt gegen ältere Frauen."

Nach Ansicht von Aktivisten wird das Problem bisher vernachlässigt, da fälschlicherweise davon ausgegangen wird, dass ältere Frauen weniger unter häuslicher Gewalt zu leiden haben. Untersuchungen zu dem Thema haben sich bislang eher mit der Lage von Frauen unter 49 Jahren beschäftigt. Erst kürzlich ist das Altersspektrum erweitert worden.

"Möglicherweise können sich nicht viele Menschen vorstellen, dass auch ältere Frauen vergewaltigt und von ihren Männern geschlagen werden", betonte Perel-Levin. Viele Frauen werden häufig erst im fortgeschrittenen Alter Opfer von Übergriffen, etwa durch die eigenen Angehörigen. In einer Großfamilie zu leben, bedeutet nicht automatisch Schutz vor Gewalt. In mehreren asiatischen Ländern behandeln die Schwiegertöchter, die sich um die Mütter ihrer Männer kümmern müssen, die Frauen schlecht.

In Entwicklungsländern haben es Opfer auch dann schwer, wenn sie die Gewalt zur Anzeige bringen, wie Kazi Reazul Hoque von der Nationalen Menschenrechtskommission in Bangladesch erläuterte. In dem südasiatischen Land gehörten misshandelte Seniorinnen meist den sozial schlechter gestellten ethnischen und religiösen Minderheiten an. Der ehemalige Richter Hoque wies darauf hin, dass es für die Opfer vor Gericht immer noch sehr schwierig ist, diesen "Krieg" zu führen.

Aktivisten forderten die Weltfrauenorganisation 'UN Women' auf, die Gewalt gegen ältere Frauen näher zu untersuchen. James Collins, Vertreter der Weltorganisation beim Internationalen Rat für Soziale Wohlfahrt, sicherte zu, das Thema auf künftigen Foren über die neuen Nachhaltigkeitsziele zur Sprache zu bringen. (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/08/abuse-of-older-women-overlooked-and-underreported/

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IPS-Tagesdienst vom 18. August 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2014