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FRAUEN/572: Osttimor - 13 Jahre nach der Unabhängigkeit, Frauen warten auf Friedensdividenden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. März 2015

Osttimor: 13 Jahre nach der Unabhängigkeit - Frauen warten auf Friedensdividenden

von Lyndal Rowlands


Bild: © Alexia Skok

Frauen im ländlichen Osttimor
Bild: © Alexia Skok

New York, 11. März (IPS) - In Osttimor sind es vor allem die Frauen in den ländlichen Gebieten, die die Kluft zwischen Arm und Reich besonders deutlich zu spüren bekommen. Obwohl auch sie für die Unabhängigkeit ihres Landes kämpften und in entscheidendem Maße zum Wohlergehen ihrer Familien und zur Entwicklung Osttimors beitragen, werden sie für ihre Leistungen zu selten gewürdigt.

Osttimor ist ein Inselstaat, dessen Herz inmitten der heiligen Berge, der 'foho', schlägt. Von hier aus agierten auch die Widerstandskämpfer, die 24 Jahre lang der repressiven Besatzungsmacht Indonesiens die Stirn boten. Bella Galhos war eine von ihnen. Nach der Ermordung ihrer Brüder und der Folter an ihrem Vater infiltrierte sie die indonesische Armee, um den Feind von innen auszuhöhlen.

Nachdem sie das Vertrauen der Indonesier erworben hatte, wurde sie als vermeintliche timoresische Vorzeigefrau der Besatzungsmacht mit einem Stipendium nach Kanada entsandt. Am Zielort angelangt, desertierte sie jedoch und reiste durch Nordamerika, um die Gräuel Indonesiens in ihrem Land anzuprangern.

Seit ihrer Rückkehr aus dem Exil im Jahre 1999 ist Galhos zur Fürsprecherin der Frauen, Kinder und Umwelt ihres Landes geworden. In Maubisse, einem Ort 70 Kilometer südlich der Hauptstadt Dili, versucht sie eine 'grüne' Schule aufzubauen. Wie sie in einem Telefoninterview gegenüber IPS erklärte, fiel ihre Wahl aus verschiedenen Gründen auf den von den heiligen Bergen umgebenen Ort im Norden des Bezirks Ainaro. "Zunächst hat hier meine im letzten Jahr verstorbene Mutter unterrichtet, die eine großartige Lehrerin war", meinte sie.


'Grünes' Schulprojekt

Die Schule, die sie für ihr Projekt ausgewählt habe, war zudem die erste der Region, in der Mädchen unterrichtet wurden. "Ich wollte der Leistung meiner Mutter einen Mehrwert geben", erklärte Galhos. "Da ich in diesem Land aufgewachsen bin, weiß ich nur zu gut, dass Umweltfragen keinen hohen Stellenwert genießen. Und ich fürchte, dass wir auf lange Sicht große Probleme bekommen werden."

Wie sie weiter betonte, soll es für die Kinder einen Ort geben, zu dem sie kommen können, um zu lernen, wie man Obst und Gemüse anbaut. Auch hofft sie, ihnen im Umgang mit der Natur und den Menschen die Bedeutung von Frieden, Liebe und Freundlichkeit vermitteln zu können.

Galhos weiß aus eigener Erfahrung, dass gerade die Frauen in den ländlichen Gebieten Osttimors mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert sind. So fehle es ihnen an wichtigen Informationen und an einer grundlegenden Gesundheitsversorgung. Häusliche Gewalt sei ein verbreitetes Phänomen. Außerdem sei die Armut in den Dörfern, in denen die meisten Menschen von der kleinbäuerlichen Landwirtschaft lebten, groß.

"Die Unterernährung der Kinder ist nicht zu übersehen. Schon ihr Blick verrät, dass sie kein protein- und vitaminreiches Essen erhalten." Die Timorerin hofft, dass sich ihr Projekt als soziale Initiative trägt, wenn es ihr gelingt, das Ökotourismuspotenzial auszuschöpfen.

Wie sie beklagte, hat die Regierung auf ihren Projektantrag noch nicht reagiert. Vor acht Monaten hatte sie ihn an verschiedene Ministerien geschickt. "Als Frau in einem männerdominierten Land gibt es für mich nicht wirklich viele Stellen, die mir helfen würden."

Osttimor hat einen Teil der Erdöleinnahmen des Landes für Entwicklungszwecke beiseitegelegt. Dennoch gibt es Befürchtungen, dass die Gelder nicht die Ärmsten und die Frauen in den ländlichen Gebieten erreichen.

Bisher ist Galhos, was den Aufbau ihres grünen Schulprojekts angeht, auf eigene Mittel angewiesen. Die Hoffnung, dass der Staat ihr Projekt unterstützt, ist nicht sehr groß. Dennoch will sie nicht aufgeben, weil das Vorhaben einen sozialen und entwicklungspolitischen Wert habe, von dem die Menschen in der Region um Maubisse profitieren könnten, sagte sie.


Film setzt Speerfischerinnen ein Denkmal

Auch in einem anderen Teil des Landes haben es Frauen schwer, sich Gehör und Anerkennung zu verschaffen. Immerhin wurde den Speerfischerinnen von Adara auf der Insel Atauro mit dem Kurzfilm 'Wawata Topu' als bester ausländischer Dokumentarstreifen bei den 'American Online Film Awards' in New York ein Denkmal gesetzt.


Bild: © David Palazón

Die 'Wawata Topu' sind die Speerfischerinnen Osttimors
Bild: © David Palazón

"Wenn man sich die vorhandene Bibliographie zur Fischerei ansieht, fällt gleich auf, dass die Frauen nicht erwähnt werden", erläuterte der Kodirektor und -produzent des Films, Enrique Alonso. "Auch wenn es in jüngster Zeit einige Berichte gibt, die das Schema durchbrechen, bleiben die Frauen Osttimors in aller Regel unsichtbar."

Landesweit sei zu beobachten, dass Timoresinnen in den Fischereigebieten eine entscheidende Rolle bei der Erwirtschaftung der Familieneinkommen spielten. Auch verbesserten sie mit der Zucht von Nutztieren und als Kunsthandwerkerinnen die Lebenssituation ihrer Angehörigen. Darüber hinaus hielten sie die Korallenriffe sauber.

Alonso zufolge sind die Wawata Topu lebendige Beispiele dafür, dass Frauen keineswegs eine marginale Rolle spielen, wie gern behauptet wird. Der Film zeigt auch, dass ihnen in der Lieferkette eine entscheidende Bedeutung zukommt.

Der Filmproduzent wies ferner darauf hin, dass Frauen jeden Samstag vier Stunden bis zum Markt zurücklegten, um ihren Fang zu verkaufen. "Sie sind diejenigen, die den Fisch, der auch von Männern gefangen wird, Woche für Woche abtransportieren und verkaufen. Sie sind diejenigen, deren Verhandlungsgeschick über die Einkommen der Familien entscheidet."

Der Film zeigt, wie sich die Frauen von Adara den schwierigen Bedingungen in ihrem Umfeld anpassen und geschlechtsspezifische Barrieren allein dadurch, dass sie sich als Speerfischerinnen bewährt haben, einreißen konnten.

"Wie Maria, die Pionierin, in dem Film, erzählt, wurde sie zur Speerfischerin, weil sie Hunger hatte. Sie überwand die sozialen Barrieren, indem sie sich den männlichen Speerfischern anschloss", so Alonso. Mit dem Film wollte man die Leistungen und Herausforderungen dieser Frauen sichtbar machen. (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/03/from-the-mountains-to-the-sea-timorese-women-fight-for-more/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. März 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2015

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