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FRAUEN/630: Life through her eyes - Gewalt gegen Frauen in Kolumbien (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 135, 1/16

Life through her eyes

Gewalt gegen Frauen in Kolumbien

von Claudia Dal-Bianco


In Kolumbien ist die Menschenrechtslage aufgrund des 45 Jahre andauernden Bürgerkriegs im Land sehr schwierig. Alle Konfliktparteien sind für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Die kolumbianische Künstlerin Judith A. Valencia setzt sich für Frauenrechte ein und berichtet über ihre Erfahrungen als Menschenrechtsaktivistin und über die aktuelle Situation von Frauen in Kolumbien.


Vor kurzem war Judith A. Valencia noch Bewohnerin der kolumbianischen Stadt Tumaco im Departement Nariño. Sie organisierte Workshops zur Förderung und zum Schutz von Menschen- und Frauenrechten, vor allem im Kontext von bewaffneten Konflikten und gegen sexuelle Ausbeutung. Aus einer künstlerischen und psychologischen Perspektive befasste sie sich mit Themen wie Gewalt, Vergewaltigung, Folter und Konfliktlösungen. In Zusammenarbeit mit der Stiftung "Valle del Silencio" entwickelte sie Kunst-Workshops mit menschenrechtlichen Inhalten. International wurde sie zu Kunstausstellungen eingeladen und hielt Vorträge.

Aufgrund ihrer Arbeit als Menschenrechtsverteidigerin wurde Judith A. Valencia 2015 von illegalen Milizen bedroht, gekidnappt, verhört, missbraucht und dazu aufgefordert, ihre Tätigkeiten als Frauenrechtsaktivistin einzustellen.

Zurzeit lebt sie in Rom und wartet auf die Durchführung ihres Asylverfahrens aufgrund ihrer politischen Verfolgung in Kolumbien. Sie fürchtet um ihr Leben und kann daher nicht mehr nach Kolumbien zurückkehren. Ihre Rechte wurden, wie die von so vielen Menschen in Kolumbien, nicht gewahrt. So werden Stimmen von Gewaltopfern immer leiser und immer weniger gehört.

Der kolumbianische Staat schützt seine Bürger_innen nicht vor Gewalt, obwohl er Abkommen ratifiziert hat, die zu einer sicheren Menschenrechtslage beitragen sollten, so die Aktivistin. Diese Übereinkünfte werden jedoch nicht umgesetzt. Die Vereinbarungen bestehen zwar auf dem Papier, aber sie sind weit von der Alltagsrealität entfernt. Judith A. Valencia verurteilt dafür die Regierung, ebenso wie nationale und internationale Agenturen, die die Gräueltaten des Bürgerkriegs - wie sie meint - nur tatenlos beobachten.


Femizide in Kolumbien

Bei seiner Überprüfung der Menschenrechtslage in Kolumbien stellte der Internationale Strafgerichtshofs (IStGH) einige (kleine) Fortschritte, bei der Ermittlung und Verfolgung von Verbrechen sexueller Gewalt fest. 98 % der Fälle in Kolumbien sind jedoch ungelöst. Der IStGH selbst sagt: "Trotz der hohen Zahl an Gewaltverbrechen in bewaffneten Konflikten kommt es nur zu wenigen Verfahren."

In Kolumbien wird durchschnittlich jeden zweiten Tag eine Frau ermordet. Im Juli 2015 wurde das neue Gesetz 1761, auch als "Rosa Elvira Cley" bekannt, verabschiedet, das Femizid als Straftat mit einer Gefängnisstrafe von 20 bis 41 Jahren ahndet. Trotzdem äußerten sich UN-Women und das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte in Kolumbien besorgt über die hohe Zahl der Frauenmorde. Im November 2015 - während der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen - wurden wieder sieben Frauen in Bogota ermordet, und laut Nationalem Institut für Rechtsmedizin haben derzeit mindestens 617 Frauen ein hohes Risiko, getötet zu werden.

Jede Form von Gewalt gegen Frauen ist eine schwere Verletzung ihrer Menschenrechte - ein Angriff auf ihre Würde und das Recht auf ein Leben frei von Gewalt. Femizide sind die extremste Form der Verletzung von Frauenrechten. Solche Frauenmorde sind Folge der gesellschaftlichen Toleranz der Gewalt gegen Frauen und das Fehlen entschiedener strafrechtlicher Verfolgungen durch staatliche Institutionen.


Webtipps: www.nomoreviolence.tk

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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 135, 1/2016, S. 26
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
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Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
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Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
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andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2016

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