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INTERNATIONAL/158: Sri Lanka - Missbrauch von Kindern immer mehr verbreitet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Oktober 2013

Sri Lanka: Missbrauch von Kindern verbreitet - Vorbeugende Maßnahmen sowie Opfer- und Zeugenschutz gefordert

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Experten fordern im Kampf gegen Kindesmissbrauch schärfere Gesetze und mehr Aufklärung
Bild: © Amantha Perera/IPS

Colombo, 11. Oktober (IPS) - Der zunehmende Missbrauch von Kindern in Sri Lanka könnte nach Ansicht von Experten mit Hilfe verschärfter Gesetze wirksam bekämpft werden. Allerdings gilt das geplante Kinderschutzgesetz in seiner jetzigen Form, das noch vor Jahresende dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden soll, als ungeeignet, Abhilfe zu schaffen.

Konkrete Zahlen über das Ausmaß der Verbrechen liegen nicht vor. Jedoch geht man davon aus, dass jeden Tag drei bis vier Fälle von schwerem Kindesmissbrauch zur Anzeige kommen. "Fest steht, dass die Übergriffe zunehmen", meint Ediriweera Gunasekera von der Nationalen Kinderschutzbehörde. Die Institution ist dafür zuständig, Präventivmaßnahmen zu entwickeln, die Verbrechen zu dokumentieren und Opferhilfe zu leisten. Nach Polizeiangaben wurden im vergangenen Jahr 1.759 Kinder vergewaltigt, 296 mehr als 2011.

Seit der Reform des Strafrechts 1995 werden sexuelle Handlungen an Kindern unter 16 Jahren als Vergewaltigungsdelikte eingestuft oder gemäß Paragraph 365 des Strafgesetzbuchs als unnatürliche sexuelle Handlungen kriminalisiert. Doch Verfahrensverzögerungen und die Abwesenheit von Zeugen- und Opferschutzmaßnahmen halten viele Familien davon ab, den Missbrauch ihrer Kinder anzuzeigen und um Hilfe für die Opfer anzusuchen, wie aus einer neuen Studie des Weltkinderhilfswerks UNICEF hervorgeht.

In keinem der mehr als 1.450 2011 bekannt gewordenen Fälle kam es zu einer Verurteilung der Täter, was auch auf die Ineffizienz der Gerichte zurückgeführt wird. In den vergangenen sechs Jahren haben sich etwa 8.000 unbehandelte Fälle angesammelt. Vertretern des Sri-Lanka-Büros von UNICEF zufolge ist das Justizsystem des 20 Millionen Einwohner zählenden Landes hoffnungslos überfordert und bedarf einer Rundumerneuerung.

Auch Harini Amarasuriya, Dozentin an der Offenen Universität von Sri Lanka und Ko-Autorin des UNICEF-Berichts, ist der Meinung, dass Opfer- oder Zeugenschutz in Sri Lanka viel zu kurz kommen. "Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass sich dies ändern wird", sagt sie. Sprecher des Justizministeriums und der Nationalen Kinderschutzbehörde haben bestätigt, dass im Entwurf für das neue Kinderschutzgesetz Zeugen- und Opferschutzmaßnahmen nicht vorkommen.


Gerichtsverfahren sollen beschleunigt werden

UNICEF zufolge gibt es wohl Anstrengungen, den Überhang der unbehandelten Gerichtsfälle von Kindesmissbrauch abzubauen. Die UN-Organisation hatte mit verschiedenen Regierungsvertretern im letzten Jahr Trainingskurse für Polizeibeamte und Justizbeamte durchgeführt, um einen effektiven Umgang mit Missbrauchsfällen zu gewährleisten.

Zudem hat die Polizeibehörde Sonderbezirksbüros eingerichtet, die das gleiche Ziel verfolgen. Ferner gibt es seit letztem Jahr zwei Sondergerichte - eins in Colombo, das andere im nördlichen Jaffna -, die auf die Ahndung sexueller Übergriffe auf Kinder spezialisiert sind.

Amarasuriya räumt zwar ein, dass sich die Aufklärungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen in gewisser Hinsicht ausgezahlt hätten, was sich in einer wachsenden Zahl von Strafanzeigen widerspiegle, doch müssten sie weiter verstärkt werden. "70 Prozent der missbrauchten Kinder sind Mädchen, die als Opfer stärker stigmatisiert werden als vergewaltigte Jungen", berichtet sie.

UNICEF zufolge häufen sich die Übergriffe in ländlichen Gebieten wie dem nordzentralen Bezirk Anuradhapura und dem zentralen Rathnapura. Forscher fanden ebenfalls heraus, dass der Missbrauch von Kindern offenbar ein Faktor ist, der Vergewaltigungen, sexuellem Missbrauch und Gewalt gegen Frauen Vorschub leistet.


Täter als Kinder oft gedemütigt und vernachlässigt

"Die Erfahrung des emotionalen Missbrauchs und der Vernachlässigung, die Männer als Kinder erlebt haben, wird in China und Sri Lanka mit der Vergewaltigung von Nicht-Partnerinnen in Beziehung gesetzt", betont eine Studie des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), für die 13.000 Frauen und Männer in sechs Ländern im asiatischen-pazifischen Raum befragt worden waren.

Demnach gaben 18 Prozent aller befragten Frauen an, Opfer einer Vergewaltigung geworden zu sein. 32 Prozent erklärten, Erfahrungen mit körperlicher Gewalt oder einer Vergewaltigung oder Beidem gemacht zu haben. 27 Prozent der srilankischen Männer räumten ein, ihre Partnerinnen körperlich misshandelt und/oder vergewaltigt zu haben.

"Der Missbrauch von Kindern ist ein verbreitetes Phänomen in der Region", heißt es in der Untersuchung. So berichtete die Hälfte der befragten Männer, im Kindesalter emotionalen Übergriffen wie Demütigungen und Beleidigungen ausgesetzt gewesen und/oder von ihren Eltern vernachlässigt worden zu sein. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.unicef.org/srilanka/2013_Child_Marriage_Case_Studies.pdf
http://www.partners4prevention.org/resource/why-do-some-men-use-violence-against-women-and-how-can-we-prevent-it-quantitative-findings
http://www.ipsnews.net/2013/10/new-laws-may-fail-to-protect-children-in-sri-lanka/

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IPS-Tagesdienst vom 11. Oktober 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2013