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KRIMINALITÄT/064: Papua-Neuguinea - Hohe Mordraten, illegaler Waffenhandel wird zum Problem (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. September 2012

Papua-Neuguinea: Dramatisch hohe Mordraten - Illegaler Waffenhandel wird zum Problem

von Catherine Wilson



Brisbane, Australien, 5. September (IPS) - In Papua-Neuguinea, dem größten Inselstaat von Melanesien im Südpazifik, floriert der illegale Waffenhandel. Die Folgen sind gravierend: 60 Prozent aller Schwerverbrechen werden mit Gewehren und Co begangen, die zum Teil noch aus Bürgerkriegszeiten stammen. Die Folge sind exorbitant hohe Mordraten.

In der autonomen Region Bougainville im Osten von Papua-Neuguinea scheint eine Entwaffnung der Bevölkerung mehr als zehn Jahre nach dem Bürgerkrieg kaum durchsetzbar zu sein.

"Inzwischen kommen Gewehre hauptsächlich bei häuslicher Gewalt, Raubüberfällen und der Beilegung von Landkonflikten zum Einsatz", sagte Helen Hakena von der 'Leitana Nehan Women's Development Agency' in Bougainville. Kürzlich sei es dort zu bewaffneten Überfällen sowie Schießereien zwischen Waffenbesitzern und der Polizei gekommen, berichtete sie. "Viele Menschen akzeptieren Waffen als normalen Bestandteil des Alltags."

Da die Entwicklung und die wirtschaftliche Erholung in Bougainville in den vergangenen zehn Jahren nur schleppend vorankamen, sind viele Probleme aus der Zeit des Bürgerkriegs noch immer nicht gelöst.

"Wir beobachten, dass Gewehre zwischen Bougainville und anderen Teilen des Landes sowie über die Grenzen verschoben werden. Leute aus dem Gebirge kommen oft hierher, um Waffen zu kaufen", berichtete Hakena.

In den vergangenen 25 Jahren haben die Bewohner der Region zahlreiche Konflikte miterlebt, darunter den Unabhängigkeitskampf in Bougainville 1989 bis 1998, den Bürgerkrieg auf den Salomonen 1999 bis 2003 sowie vier Militärputsche auf den Fidschi-Inseln zwischen 1987 und 2006.

In Bougainville wurden bei den Kämpfen 20.000 Menschen getötet und mehr als 60.000 vertrieben. Einer 'verlorenen Generation' von Kindern wurde Bildung vorenthalten, und die Infrastruktur stark beschädigt. Auf den Salomonen wurden ganze Gemeinden durch bewaffnete Gewalt und Brandstiftung ausgelöscht. Die Entwicklung kam zum Stillstand, und die lokale Wirtschaft brach zusammen.


Hohe Verbreitung von Waffen schürt Gewalt

Seit fast einem Jahrzehnt hat es in der Region Melanesien, zu der Papua-Neuguinea, die Salomonen, Vanuatu, Fidschi und Neukaledonien gehören, keinen bewaffneten Konflikt mehr gegeben. Gordon Nanau, der Politologie an der Südpazifik-Universität auf den Fidschi-Inseln lehrt, sieht aber darin aber keinen Grund zur Beruhigung.

"Ganz gleich, ob ernste Konflikte im Gang sind oder nicht - die Verbreitung von Waffen sollte Anlass zu größter Sorge sein", sagte er. "Die Bewohner der Pazifik-Inseln sind über den Waffenschmuggel beunruhigt. Wenn Waffen im Umlauf sind, ist die Lage in den Gemeinden weniger sicher. Der Waffennachschub durch den Pazifikraum muss um jeden Preis unterbunden werden."

In den Inselstaaten wird nur ein kleiner Teil der weltweit legal gehandelten kleinen und leichten Waffen verkauft. Der gesamte globale Handel erreicht in diesem Jahr den Schätzungen zufolge ein Volumen von etwa 8,5 Milliarden US-Dollar. In der Pazifikregion sind allein rund 3,1 Millionen Waffen im Besitz von Zivilisten. Jeder zehnte Zivilist besitzt somit statistisch gesehen eine Waffe. Damit liegt der anteilige Waffenbesitz um 50 Prozent über dem globalen Durchschnitt.

Innerhalb Melanesiens besitzen die Papua-Neuguineer mit 72.000 oder statischen 1,2 Gewehren pro 100 Personen die meisten Waffen. Hinzu kommen 19.000 Feuerwaffen im Besitz von Polizei und Streitkräften. An zweiter Stelle folgt Neukaledonien mit 50.000 Gewehren in der Hand von Zivilisten. Während der Entwaffnung auf den Salomonen sollen 90 Prozent aller Schußwaffen beschlagnahmt worden sein. 1.775 Gewehre sind offenbar noch in privater Hand. Dies entspräche einem Verhältnis von 0,35 pro 100 Menschen.

Mit Waffengewalt begangene Verbrechen sind in Papua-Neuguinea an der Tagesordnung. Die Hauptstadt Port Moresby mit rund 450.000 Einwohnern ist mit einer Mordrate von 54 pro 100.000 Menschen geschlagen. Der globale Durchschnitt liegt dagegen bei weniger als sieben pro 100.000. Im südlichen Hochland von Papua-Neuguinea, wo schätzungsweise 90 Prozent der Waffenbesitzer keinen Waffenschein besitzen, haben 23 Prozent aller Familien bereits Angehörige durch waffenbedingte Gewalt verloren.

Das unabhängige Forschungsprojekt 'Small Arms Survey' am 'Graduate Institute of International and Development Studies' in Genf kommt zu dem Schluss, dass Kriminalität durch den Verfall traditioneller Werte, Unterbeschäftigung, Ungleichheit und Streit um Rohstoffe vorangetrieben wird. Das Bedürfnis nach Selbstverteidigung und das Gefühl, den eigenen Clan verteidigen zu müssen, motivierten Menschen dazu, sich Waffen anzuschaffen.

Die Hilfsorganisation 'Oxfam International' hat darauf hingewiesen, dass sich Kleinwaffen vor allem in der Pazifikregion verheerend auswirken, da die Regierungen nicht in der Lage seien, den Waffenhandel und -besitz zu kontrollieren, Korruption vorherrsche und jede Menge Munition in die Hände von Einzelpersonen und bewaffneten Gruppen gelange.


Viele Waffen aus Beständen der Sicherheitskräfte

Die meisten Schusswaffen, die bei Verbrechen und Konflikten in Melanesien zum Einsatz kommen, sind nach Erkenntnissen des Small Arms Survey der Polizei und dem Militär gestohlen worden.

In Papua-Neuguinea wurden schätzungsweise 30 Prozent der im staatlichen Besitz befindlichen Waffen an Zivilisten und militante Gruppen verkauft. Der illegale Handel werde von Politikern und der gebildeten Oberschicht des Landes finanziert. Armut und niedrige Löhne haben demnach die Korruption in die Höhe getrieben. In Papua-Neuguinea und in den Nachbarstaaten werden Untersuchungen zufolge Waffen häufig gegen Drogen getauscht.

Da die Justizbehörden in den Pazifikstaaten chronisch unterfinanziert sind, kann nicht einmal die Einhaltung geltender Waffenkontrollgesetze garantiert werden. Regionale Abkommen zur Regulierung des Waffentransports gibt es nicht, während die Gesetze in den einzelnen Staaten deutlich voneinander abweichen. Der regionale Zusammenschluss 'Pacific Islands Forum', dem 16 unabhängige Staaten angehören, unterstützt das Kleinwaffenaktionsprogramm der Vereinten Nationen und hat Maßnahmen angestoßen, die die Verbreitung von Waffen im Pazifikraum einschränken sollen.

Eine weitere regionale Initiative ist das 'Pacific Transnational Crime Network', das Rückhalt von der australischen Bundespolizei bekommt. In dem Netzwerk arbeiten Justiz-, Zoll- und Einwanderungsbehörden im Kampf gegen das grenzüberschreitende Verbrechen zusammen. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.smallarmssurvey.org/
http://www.oxfam.org/
http://www.un.org/disarmament/convarms/SALW/
http://www.ipsnews.net/2012/09/gun-violence-a-growing-concern-in-papua-new-guinea/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 5. September 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2012