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KRIMINALITÄT/076: El Salvador - New Yorker Ex-Bürgermeister Giuliani soll Verbrechensstatistik senken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Januar 2015

El Salvador: New Yorker Ex-Bürgermeister Giuliani soll Verbrechensstatistik senken

von Edgardo Ayala


Bild: © Tomás Andréu/IPS

Anführer der 'Mara Salvatrucha' in einem Gefängnis in El Salvador
Bild: © Tomás Andréu/IPS

San Salvador, 19. Januar (IPS) - In El Salvador hat der nationale Unternehmerverband ANEP den ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani als Verbrechensbekämpfungsexperte engagiert. Giuliani wird zugute gehalten, die Kriminalitätsrate in New York während seiner Amtszeit von 1994 bis 2001 deutlich gesenkt zu haben. Sein Team wird nun in Kürze in der Hauptstadt San Salvador erwartet.

El Salvador zählt zu den Ländern mit der weltweit höchsten Gewaltrate. Statistisch gesehen kommen auf jeweils 100.000 Einwohner 63 Morde. Im Vergleich dazu lag der globale Durchschnitt 2012 nach Angaben der UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) bei 6,2 Morden pro 100.000 Einwohnern.

Die beiden größten Gangs, 'Mara Salvatrucha' (MS13) und 'Barrio 18', verfügen in den Städten El Salvadors über ein Heer von schätzungsweise 60.000 jungen Mitgliedern. Im vergangenen Jahr wurden in dem verarmten Land mit einer Bevölkerung von rund 6,2 Millionen Einwohnern 3.912 Morde begangen - 57 Prozent mehr als im Vorjahr.

Im März 2012 hatten die Gangs mit Billigung der damaligen Regierung von Mauricio Funes (2009 bis 2014) einen Waffenstillstand geschlossen, der zu einem deutlichen Rückgang der Mordrate in den folgenden 15 Monaten auf 41 pro 100.000 führte.

Funes hat sich selbst nie öffentlich zu dem Deal bekannt, sondern sich lediglich als Faszilitator der Einigung verstanden, durch die den inhaftierten Bandenmitgliedern erlaubt wurde, mit ihren Stellvertretern außerhalb der Gefängnismauern zu kommunizieren. Seit dem Ende seiner Präsidentschaft liegt der Pakt zwischen den Maras praktisch brach.


Geringe Erwartungen

Experten zufolge wird die Beteiligung Giulianis an der Verbrechensbekämpfung die Bemühungen der Regierung um eine Senkung der hohen Mordrate im Vorfeld der Anfang März anstehenden Kommunal- und Parlamentswahlen nur weiter erschweren.

Auch alle Hoffnungen darauf, dass ein von der Regierung eingesetzter nationaler Rat das Problem der steigenden Kriminalität in kurzer Zeit in den Griff bekommen könnte, schwinden zusehends. In erster Linie gehe es den Politikern darum, Wählerstimmen zu gewinnen, meint Raúl Mijango, der einst an der Vermittlung eines Waffenstillstands zwischen großen Verbrecherbanden beteiligt war.

Am 1. März werden in dem zentralamerikanischen Land die 84 Mitglieder des Einkammerparlaments und die Bürgermeister der 262 Gemeinden gewählt. Im Gegensatz zu den Präsidentschaftswahlen, die alle fünf Jahre stattfinden, werden diese Wahlen alle drei Jahre abgehalten.

Im vergangenen September hatte die Regierung des linken Staatspräsidenten Salvador Sánchez Cerén einen 'Nationalen Rat für öffentliche Sicherheit und bürgerschaftliches Miteinander' gegründet, um den weiteren Anstieg der Kriminalität zu verhindern.

Mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen schloss Sánchez Cerén, ein früherer Guerillakommandant während des Bürgerkriegs 1980 bis 1992, am 5. Januar aus, dass die Banden in irgendeiner Form an den Beratungen des neuen Sicherheitsrates teilnehmen werden.

Bild: © Mit freundlicher Genehmigung der Regierung von El Salvador

Mitglieder des Nationalen Rats für öffentliche Sicherheit
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung der Regierung von El Salvador

Mijango führt die explizite Absage Ceréns und seiner Partei, der früheren Rebellenorganisation 'Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí' (FMLN), allein darauf zurück, dass keine Wähler abgeschreckt werden sollen. Meinungsumfragen haben ergeben, dass die meisten Salvadorianer die Gangs ablehnen.


UN-Generalsektretär unterstützt neuen Rat für Öffentliche Sicherheit

Der Nationale Rat setzt sich unter anderem aus Wissenschaftlern, Kirchenvertretern, Geschäftsleuten, Vertretern internationaler Organisationen und einfachen Bürgern zusammen. Dem Technischen Sekretariat des Gremiums gehören auch Vertreter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP, der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und der Europäischen Union an. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat den Bemühungen der Regierung im Kampf gegen das Verbrechen Unterstützung zugesagt.

Die Aussichten darauf, dass auf diesem Gebiet Fortschritte erzielt werden, werden aber auch dadurch geschmälert, dass die Zusammenarbeit von ANEP mit Giuliani in Teilen der Gesellschaft auf Ablehnung stößt. ANEP steht der ultrarechten Nationalen Republikanischen Allianz (Arena) nahe, die das Land von 1989 bis 2009 regierte.

Giulianis Team wird nun in Kürze in der Hauptstadt San Salvador erwartet. Kritiker in dem zentralamerikanischen Land werfen ihm vor, in New York mit eiserner Faust vorgegangen zu sein. Viele fühlen sich dadurch an die 'Null Toleranz'-Politik der Arena-Partei während ihrer 20-jährigen Herrschaft erinnert. Die auf Repression basierenden Strategien haben letztlich keine greifbaren Ergebnisse erbracht.

Mijango befürchtet, dass die Unternehmerschaft in El Salvador mit Hilfe Giulianis die Arbeit des Nationalen Rats für Öffentliche Sicherheit torpedieren könnte. ANEP werde seinen Einfluss auf die Medien des Landes so nutzen, dass sich die Berichterstattung auf den New Yorker Ex-Bürgermeister konzentriere und die Aktivitäten des Rates ebenso wie Regierungsarbeit ignoriert wenn nicht gar diskreditiert würden. (Ende/IPS/ck/2015)


Links:

http://www.ipsnews.net/2015/01/electioneering-undermines-fight-against-crime-in-el-salvador/
http://www.ipsnoticias.net/2015/01/medidas-efectistas-agrietan-acuerdos-anticrimen-en-el-salvador/

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IPS-Tagesdienst vom 19. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2015


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