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LEISTUNGEN/453: Fünf Jahre Hartz IV - Reform vor die Wand gefahren? (idw)


Universität Duisburg-Essen - 07.01.2010

UDE: Fünf Jahre Hartz IV - Reform vor die Wand gefahren?


Vor fünf Jahren wurden die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe zum so genannten "Arbeitslosengeld II" zusammengeführt. Diese "Hartz-IV"-Reform hat auf dem deutschen Arbeitsmarkt einiges geändert und geringfügige Verbesserungen erreicht. Aber das ursprüngliche Ziel der "Leistungen aus einer Hand" droht an Bürokratie und "politischer Gestaltungsunfähigkeit" zu scheitern. Diese Zwischenbilanz zieht Prof. Dr. Matthias Knuth, Forschungsdirektor am Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen.

Bei den Hartz-Reformen spielte die Verbesserung und Beschleunigung der Arbeitsvermittlung die zentrale Rolle. Doch nach den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit wurden im Jahre 2007 nur 1,1% und im Jahre 2008 nur 1,5% der ALG II Beziehenden (Jahresdurchschnittsbestände) in ungeförderte Beschäftigung (also nicht in 1-Euro-Jobs und ohne Arbeitgeberzuschuss) vermittelt. Immerhin zwischen 23% (2005) und 27% (2008) des jahresdurchschnittlichen Bestandes gelang es, eine Arbeit aufzunehmen. "Doch für eine Reform, in deren Zentrum die raschere Vermittlung stand, sind diese Ergebnisse nicht wirklich überzeugend", meint Prof. Knuth.

Die jährlichen Übergänge aus Arbeitslosigkeit in Erwerbstätigkeit, der wichtigste Indikator für die Öffnung des Arbeitsmarktes für Arbeitslose und für die "Verflüssigung" der Arbeitslosigkeit, haben im vergangenen konjunkturellen Aufschwung ein wenig zugenommen - vor allem bei den Arbeitslosen mit Versicherungsanspruch. Die Wirkung der Reformen könnte vor allem auf Abschreckung beruhen, vermutet Knuth: "Das "Fördern und Fordern" in der "Grundsicherung für Arbeitsuchende" beschleunigt stärker den Arbeitsmarktzugang derjenigen, die vermeiden wollen, in dieses System hineinzufallen, als derjenigen, die schon drin sind." Und das erfolgreiche Viertel, das pro Jahr aus der Grundsicherung heraus Arbeit aufnimmt, setze sich vor allem aus jenen zusammen, die ohne Versicherungsanspruch arbeitslos wurden und nur kurze Zeit im System verbringen - z.B. Hochschulabsolventen, Berufsrückkehrerinnen und gescheiterte Selbständige. Folglich bilden Langzeitbezieher die Mehrheit des Bestandes.

Ein wichtiges Anliegen der Reform wurde jedoch durchaus erfüllt: Mehr Personal betreut die Leistungsempfänger, die Fallzahlen pro Fachkraft wurden gesenkt, wenn auch nicht im versprochenen Umfang. Analysen des IAQ, die im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Evaluation durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass Intensität und Inhalt der Betreuung durchaus einen statistisch nachweisbar positiven Effekt auf die Arbeitsaufnahme haben. Andererseits jedoch fehlt es oft an der erforderlichen fachlichen Qualität des Arge-Personals, kritisiert Knuth. Viele Betroffene nehmen die intensivierte Betreuung nicht als willkommene Unterstützung wahr, sondern als frustrierende und demütigende Gängelei, als "Fordern ohne Fördern".

Die zentrale Rechtfertigung für die Zusammenlegung von Arbeitslosen und Sozialhilfe war, dass man nur auf diesem Wege Zuständigkeiten und Leistungen "aus einer Hand" verwirklichen könne. "Die Vermischung von Bundeszuständigkeiten mit traditionell kommunalen führte allerdings dazu, dass sich die Reform in den Fallstricken der Verfassung verheddern musste", so Knuth. "Aus dieser Situation politischer Gestaltungsunfähigkeit könnte nur eine Änderung des Grundgesetzes herausführen, sonst müssen die Arbeitsgemeinschaften zum Ende des Jahres 2010 aufgetrennt werden. Die meisten Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II hätten es dann mit zwei Ämtern zu tun. Zumindest ihren offiziellen Sinn, Leistungen aus einer Hand zu gewährleisten, hätte die Reform damit verloren, und man kann wohl kaum erwarten, dass Betreuung und Förderung durch die Aufspaltung in getrennte Aufgabenwahrnehmung besser werden."

Redaktion: Claudia Braczko

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Duisburg-Essen, Ulrike Bohnsack, 07.01.2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2010