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SUCHT/037: Einschätzungen der aktuellen Drogenpolitik in Deutschland (idw)


Frankfurt University of Applied Sciences - 08.08.2018

Einschätzungen der aktuellen Drogenpolitik in Deutschland

5. Alternativer Drogen- und Suchtbericht vorgestellt


Der 5. Alternative Drogen- und Suchtbericht (ADSB) will Defizite in der Drogenpolitik identifizieren und gibt, basierend auf Einschätzung von Expertinnen und Experten aus der Sucht- und Präventionsforschung sowie der Drogenhilfe, Empfehlungen für erfolgreiche Maßnahmen. Auch in diesem Jahr ist dieser im Vorfeld der Veröffentlichung des Drogen- und Suchtberichts der Bundesregierung erschienen. Er enthält wissenschaftlich-fundierte sowie jugend- und verbraucherschutzorientierte Antworten auf aktuelle Herausforderungen der Drogenpolitik der Bundesregierung. Initiatoren sind das Institut für Suchtforschung Frankfurt am Main (ISFF) an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), das Centre for Drug Research (CDR) der Goethe-Universität Frankfurt am Main, akzept e.V. - Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik, die Deutsche AIDS-Hilfe sowie das Selbsthilfe-Netzwerk JES Bundesverband. Der Bericht wurde am 8. August 2018 von Prof. Dr. Heino Stöver, Geschäftsführender Direktor des ISFF, und Dr. Bernd Werse, Leiter des CDR, an der Frankfurt UAS vorgestellt.

Der komplette ADSB kann unter www.alternativer-drogenbericht.de eingesehen werden.

"Wie in den Vorjahren richten sich unsere Forderungen und Anregungen im Alternativen Drogen- und Suchtbericht gegen die eher selektiv einzuordnende Drogenpolitik der Bundesregierung, die sich im Wesentlichen auf illegale Substanzen bezieht. Der von ihr herausgegebene Drogen- und Suchtbericht zeigt deshalb hauptsächlich, wie die Strafverfolgung den Drogenhandel und -konsum vergeblich versucht in Schach zu halten, er zeigt jedoch nicht die Versäumnisse und Reformstaus bei der Regulierung legaler Drogen. Der ADSB richtet sich mit konkreten Veränderungsvorschlägen von Expertinnen und Experten an die Politik und Fachverbände und zeigt Wege zu einer rationalen, evidenzbasierten Drogenpolitik auf", so Stöver. "Es gibt viel zu viele relevante Themen, die von der Drogenpolitik der Bundesregierung teilweise oder komplett vernachlässigt werden. In puncto legaler Drogen ist Deutschland ein Entwicklungsland. Daher wurde es dringend notwendig, diesen Themen mit dem ADSB ein Forum zu bieten", erklärt Werse.

Die Autoren des 5. ADSB kritisieren unter anderem, dass Konsumentinnen und Konsumenten immer stärker in den Fokus von Strafverfolgungsbehörden gerieten. Die gestiegene Zahl von Delikten betreffe inzwischen zu über 70 % die Konsumentinnen und Konsumenten selbst und die (eigentlich) erlaubten Mengen zum Eigenbedarf. "Mit polizeilichen Mitteln ist es kaum möglich, Herstellung und Vertrieb von Drogen zu unterbinden. Stattdessen müssen Lösungen gefunden werden, um den Drogenmarkt zu regulieren und eine medikamentengestützte Behandlung zu ermöglichen", erklärt Stöver. "Es geht um eine Regulation der Drogennachfrage, statt sie allein der Polizei zu überlassen, sowie um die Ermöglichung eines legalen Zugangs zu der am häufigsten genutzten illegalen Droge Cannabis." Der ADSB geht dafür auf Beispiele funktionierender Drogenkontrollpolitik anderer Länder ein. Der Bericht stellt zudem die Frage in den Fokus, wie der Umgang mit drogenkonsumierenden Gefängnisinsassen erfolgen solle und welche Maßnahmen beim Übergang von der Haft in die Freiheit beachtet werden müssten. Weitere Schwerpunktthemen der 5. Ausgabe des ADSB sind der Umgang mit dem Konsum von Cannabis sowie der Umgang mit den legalen Drogen Alkohol und Tabak. "Während Menschen, die ab und zu einen Joint rauchen, mit dem Strafrecht bedroht werden, erlaubt Deutschland als mittlerweile einziges EU-Land noch die Außenwerbung für Tabak. Alkohol ist so billig und verfügbar wie in keinem anderen westlichen Land. Hier besteht dringender Reformbedarf von beiden Seiten, zumal aus der Präventionsforschung bekannt ist, dass sowohl schrankenlose Kommerzialisierung als auch strikte Repression das Schadenspotenzial einer Droge erhöhen", ergänzt Werse.


Zur Person Stöver:
Prof. Dr. Heino Stöver ist Dipl.-Sozialwissenschaftler und Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Frankfurt UAS. Er leitet seit rund 10 Jahren das Institut für Suchtforschung Frankfurt am Main (ISFF). Stövers Forschungsschwerpunkte sind von großer gesellschaftlicher Bedeutung, da die Zielgruppen seiner Forschung gesundheitlich und teils sozial stark belastet sind und oft zu spät behandelt werden; die späte Behandlung verursacht hohe Kosten und kann zum Tod führen. In den letzten fünf Jahren hat Stöver mehr als 20 Forschungsprojekte für nationale und internationale Auftraggeber durchgeführt und dafür Dritt- und Forschungsfördermittel in Höhe von mehr als 2,5 Mio. Euro eingeworben. Zurzeit leitet er u.a. das Teilprojekt "Evaluation von Maßnahmen zur Schadensminimierung im Hinblick auf offene Drogenszenen" im Rahmen des BMBF-Verbundvorhabens DRUSEC. Darüber hinaus ist er an mehreren EU-Verbundprojekten beteiligt. Stöver hat beispielsweise am Projekt "Central Asia Drug Action Programme" mitgewirkt, bei dem eine Beratungs- und Behandlungsstruktur für Drogenkonsumierende in Zentralasien entwickelt wurde und das von der EU Kommission mit insgesamt 900.000 Euro gefördert wurde.

Zur Person Werse:
Dr. Bernd Werse ist Dipl.-Soziologe und leitet seit 15 Jahren das Forschungsbüro Centre for Drug Research an der Goethe-Universität. Er ist Vorstandsmitglied der European Society for Social Drug Research (ESSD). Schwerpunkte seiner Forschung sind unter anderem der Gebrauch neuer psychoaktiver Substanzen (NPS), Drogentrendforschung und Drogenkleinhandel. Neben anderen Drittmittelprojekten leitet er aktuell das BMBF-Forschungskonsortium DRUSEC, das sich mit vier deutschen Partnern und einem französischen Partnerkonsortium mit subjektiver und objektiver Sicherheit im öffentlichen Raum im Umfeld von "harten" Drogenszenen und Ausgehumfeldern beschäftigt. Insbesondere bezüglich der Themen NPS und Drogenpolitik wird seine Expertise häufig von Medien und Tagungsveranstaltern angefragt.

Zum Institut für Suchtforschung (ISFF):
Das Institut für Suchtforschung (ISFF) an der Frankfurt UAS arbeitet seit 1997 an der Weiterentwicklung zielgruppenspezifischer und lebensweltnaher Prävention, Beratung und Behandlung von Suchterkrankungen. Es erforscht Sucht in ihren verschiedenen Erscheinungsformen sowie die mit Sucht in Zusammenhang stehenden Probleme und Aspekte. Das Institut fördert den Ausbau von interdisziplinären Beziehungen zu Kooperationspartnern auf nationaler und internationaler Ebene. Forschungsprozesse und -resultate finden in Lehre und Studium Berücksichtigung.

Zum Centre For Drug Research (CDR):
Das Centre for Drug Research (CDR) wurde 2001 als Einrichtung der sozialwissenschaftlichen Drogenforschung gegründet. Es ist dem Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung an der Goethe-Universität angegliedert. Das CDR verknüpft empirische Forschung mit akademischer Lehre. Es finanziert sich ausschließlich über Drittmittel. Mit dem seit 2002 durch die Stadt Frankfurt geförderten Monitoring-System Drogentrends (MoSyD) werden Entwicklungen im Bereich des Konsums psychoaktiver Substanzen und neue Konsumtrends in Frankfurt am Main erfasst und analysiert. Außerdem ist das CDR erfolgreich bei der Einwerbung von weiteren Drittmitteln, z.B. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Förderprogramme der Europäischen Union. Schwerpunkte in diesem Zusammenhang sind die sozialen und kulturellen Eigenschaften des Drogenhandels und das noch junge Thema "Neue psychoaktive Substanzen".

Weitere Informationen zum ISFF unter:
www.frankfurt-university.de/isff

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution295

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Frankfurt University of Applied Sciences, 08.08.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2018

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