UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen - Köln, 09.09.2014
Flüchtlingskinder in Deutschland
In erster Linie Kinder
Neue UNICEF-Studie zeigt vielfache Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen, die nach Deutschland geflohen sind
Jeder dritte nach Deutschland einreisende Flüchtling ist ein Kind oder Jugendlicher. Schätzungsweise 65.000 Flüchtlingskinder leben mit unsicherem Aufenthaltsstatus in Deutschland. Trotz ihrer schwierigen Lebenssituation erhalten diese Mädchen und Jungen nur unzureichende staatliche Unterstützung. Sie leben mit ihren Familien oft jahrelang in Gemeinschaftsunterkünften ohne Privatsphäre. Medizinisch werden sie nur notdürftig versorgt. Bürokratische Hindernisse erschweren ihren Zugang zu Schulbildung. Das Handeln der Behörden widerspricht häufig den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention. Zu diesem Ergebnis kommt die neue UNICEF-Studie "In erster Linie Kinder - Flüchtlingskinder in Deutschland", die vom Bundesfachverband Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. (B-UMF) im Auftrag von UNICEF Deutschland erstellt wurde. Die Untersuchung beleuchtet umfassend die Situation der Kinder, die mit ihren Familien in Deutschland Zuflucht suchen.
"Wenn Flüchtlingskinder in Deutschland ankommen, ist ihnen vorher oft Schreckliches widerfahren", sagte Christoph Strässer, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe bei der Vorstellung der Studie in Berlin. "Es ist unsere Pflicht dafür zu sorgen, dass sie in Deutschland ihre traumatischen Erfahrungen der Flucht überwinden, um wieder Kind sein zu können."
"Mädchen und Jungen, die in Deutschland Zuflucht suchen, erfahren in allen Lebensbereichen Zurücksetzung. Ihre Rechte auf umfassende Unterstützung und gleiche Chancen werden viel zu häufig missachtet", sagte Anne Lütkes, Vorstandsmitglied UNICEF Deutschland. "Flüchtlingskinder sind in erster Linie Kinder. Sie haben ihr Zuhause verloren und brauchen besondere Förderung."
"Gesetzgeber und Behörden vernachlässigen das Kindeswohl oft komplett, wenn sie über Aufenthaltsrechte entscheiden", ergänzte Thomas Berthold, Autor der Studie und Referent beim Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V. (B-UMF). "Das ist fatal, denn oft ist es die Lebenssituation der Kinder, die Familien zur Flucht bewegt."
Die Angst davor, dass Kinder zwangsrekrutiert werden, die Gefahr von Beschneidungen oder Zwangsverheiratungen, verschlossene Bildungswege oder die Gefahr, Opfer von Kinderhandel zu werden - dies alles sind kinderspezifische Fluchtgründe. So wie bei dem 14-jährigen Ehmal, der im Rahmen der Studie interviewt wurde. Seine Eltern flohen aus Angst um ihn aus Afghanistan nach Deutschland. Schutzgelderpresser hatten dem Vater mit der Entführung seines Sohnes gedroht.
In den meisten Verfahrensschritten des Ausländerrechts existieren keine adäquaten Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder. Andererseits fungieren Jugendliche und manchmal sogar Kinder als Dolmetscher oder Mittler zu Behörden und übernehmen so eine Rolle innerhalb der Familie, die sie überfordert. So übernahm Abbas aus dem Libanon nach der Flucht der Familie mit 13 Jahren die Rolle seines Vaters, der in Deutschland keinen regulären Aufenthaltstitel erhielt und seine Familie deshalb nicht unterstützen konnte - sei es bei Behördengängen oder der Schulsuche.
Nach der UN-Kinderrechtskonvention, die von Deutschland ebenso wie von fast allen Staaten der Welt ratifiziert ist, muss das Kindeswohl in allen Kinder betreffenden Maßnahmen vorrangig berücksichtigt werden. Die Studie "In erster Linie Kinder", für die schriftliche Quellen zur Lebenssituation von Flüchtlingskindern sowie persönliche Interviews mit Betroffenen und Experten ausgewertet wurden, zeigt jedoch, dass diese Kinder in der deutschen Realität regelmäßig in allen Lebensbereichen benachteiligt werden:
Die Studie "In erster Linie Kinder" und eine Zusammenfassung unter:
www.unicef.de
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Quelle:
UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen
Pressemitteilung vom 9. September 2014
Herausgeber: Deutsches Komitee für UNICEF, Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2014