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ORGANISATION/569: Papstbesuch und UN-Vollversammlung - in New York herrscht Sicherheitsstufe Rot (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. September 2015

UN: In New York herrscht Sicherheitsstufe Rot - Organisationsalptraum vor Papstbesuch und Vollversammlung

von Thalif Deen


NEW YORK (IPS) - Vor dem Besuch von Papst Franziskus bei den Vereinten Nationen am 25. September laufen die Sicherheitsvorbereitungen auf Hochtouren. Erstmals wird ein Oberhaupt der Katholischen Kirche vor der UN-Vollversammlung eine Rede halten.

Für die Stadt New York entwickelt sich die Lage allmählich zu einem Albtraum. Das UN-Viertel wird sich in den kommenden Tagen voraussichtlich in eine Kriegszone verwandeln. Tausende Polizisten werden zu Fuß oder in gepanzerten Fahrzeugen im Einsatz sein, ebenso Bombenspürhunde und Roboter, die Sprengsätze entschärfen können.

Mitten auf einer Straße wird ein Kommandozentrum eingerichtet. Zudem sollen Überwachungskameras, Strahlungsdetektoren, Straßensperren und Sicherheitskontrollen an allen Straßenecken und Kreuzungen mögliche Anschläge vereiteln.


Papst und 170 Regierungschefs gleichzeitig in New York

Polizeikommissar William Bratton erklärte Reportern, dass sich noch nie zuvor der Papst und 170 Staats- und Regierungschefs gemeinsam in New York und noch dazu unter dem selben Dach und für mindestens einen Tag aufgehalten hätten. "90 Prozent der führenden Vertreter der Welt werden gleichzeitig in der Stadt sein."

"Hätte ich die Wahl, würde ich stattdessen Urlaub in Syrien oder Afghanistan machen", meinte ein UN-Beamter, der in dieser Situation seinen Humor noch nicht verloren hat.

Drei Tage nach der Ansprache des Papstes werden die Staats- und Regierungschefs am 28. September zu einer Debatte zusammenkommen. Die meisten von ihnen werden allerdings schon am 24. September eintreffen, um dem Kirchenoberhaupt zuhören zu können.

In Planung sind bilaterale Begegnungen hinter verschlossenen Türen. UN-Sprecher Stephane Dujarric sagte, dass solche Treffen auch dieses Mal stattfinden würden. Zu diesem Zweck seien an vier verschiedenen Orten im Gebäude 40 Kabinen aufgestellt worden. Im vergangenen Herbst hätten zur Eröffnung der Vollversammlung 1.321 bilaterale Unterredungen stattgefunden, so Dujarric. "In diesem Jahr erwarten wir eine noch höhere Zahl, die Gespräche des Generalsekretärs noch nicht eingeschlossen."


Obama trifft Putin

Im Vorfeld wird darüber spekuliert, ob US-Präsident Barack Obama seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin auf bilateraler Ebene treffen wird. Putin hatte die Vereinten Nationen zuletzt im Jahr 2005 besucht.

Die Treffen am Rande der Vollversammlung könnten auf lange Sicht die wichtigsten Ereignisse des Tages werden, meint Barbara Crossette, die früher das Büro der 'New York Times' bei den UN geleitet hatte.

Der Sitz der Vereinten Nationen, Hotels und andere Orte in der Stadt, an denen sich internationale Delegationen aufhalten werden, sind ein neutrales Terrain für Gespräche, die in vielen Hauptstädten der Welt derzeit kaum möglich wären. Und der soziale Umgang sei Teil der Diplomatie, sagt Crossette, die derzeit dem Rat für auswärtige Beziehungen angehört.

Autofahrer in New York werden bereits jetzt durch elektronische Hinweistafeln auf das Großereignis eingestimmt. "UN-Treffen - Verspätungen zu erwarten" ist darauf zu lesen.

Papst Franziskus wird womöglich einer der wenigen Besucher sein, die einen globalen Ansatz verfolgten und sich auf die derzeit dringenden Fragen konzentrierten, meint Samir Sanbar, eine ehemaliger stellvertretender UN-Generalsekretär und Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit. "Aber wie man im Nahen Osten so schön sagt - eine Hand allein kann nicht klatschen", sagt Sanbar, der selbst aus dem Libanon stammt und unter fünf UN-Generalsekretären gearbeitet hat.

Laut Dujarric werden etwa 144 Staats- und Regierungschefs sowie 46 Minister vor der Vollversammlung sprechen. Die Vereinten Nationen hätten ungefähr 8.900 Delegierte akkreditiert, erklärt er. Die Zahl werde aber wahrscheinlich noch um mehrere Tausend steigen, bis am 28. September die Generaldebatte beginne. Mehr als 3.000 Journalisten seien zugelassen worden.


Terminmarathon für Ban Ki-moon

Generalsekretär Ban Ki-moon wird demnach während der Debattenwoche etwa 230 verschiedene Termine wahrnehmen. Dazu gehören das Verlesen von Erklärungen, bilaterale Treffen und Auftritte vor der Presse.

Neben Obama und Putin werden politische Spitzenvertreter Argentiniens, Brasiliens, Chinas, Frankreichs, des Irans, Kanadas, Mexikos, Nigerias, Simbabwes und Südkoreas die Schwergewichte unter den Rednern sein. Sie alle treten am ersten Tag der Generaldebatte vor das Mikrofon.

Vor dem UN-Gebäude wird neben der Fahne des Vatikans auch die palästinensische Flagge gehisst werden. Beide haben seit längerem Beobachterstatus, während 193 Staaten vollwertige Mitglieder der Weltorganisation sind. Die Entscheidung zum Hissen der Flaggen wurde mit 119 gegen acht Stimmen bei 45 Enthaltungen angenommen. Ein 'Nein' kam unter anderem von den USA, Israel, Kanada und Australien sowie von den Marshall-Inseln, Mikronesien, Palau und Tuvalu. Die meisten Enthaltungen kamen aus westeuropäischen Staaten.

Ban sagte kürzlich vor der Presse, die diesjährige Eröffnung der Vollversammlung stehe im Zeichen von "Tumulten und Hoffnung". An vielen Orten hätten sich Konflikte verschlimmert, und Zivilisten zahlten dafür den Preis. Andererseits bestehe Grund zur Hoffnung, da sich eine nie dagewesene Zahl von Staats- und Regierungschefs am Sitz der Vereinten Nationen versammelte, um Lösungen zu suchen und eine "inspirierende neue Entwicklungsagenda" anzunehmen. Wie Ban betonte, benötigten weltweit etwa 100 Millionen Menschen - etwa jeder 70. Erdenbürger - Unterstützung, um überleben zu können. 60 Millionen seien auf der Flucht. (Ende/IPS/ck/21.09.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/09/pope-world-leaders-turn-u-n-into-veritable-war-zone/

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IPS-Tagesdienst vom 21. September 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. September 2015

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