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ORGANISATION/582: Militärbudgets für UN bisher keine Quelle zur Finanzierung von SDGs (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Dezember 2015

Entwicklung: Militärbudgets für UN bisher keine Quelle zur Finanzierung von SDGs

von Thalif Deen *


NEW YORK (IPS) - Bis zu fünf Billionen US-Dollar jährlich müssten die Vereinten Nationen aufbringen, um die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) umsetzen zu können. Bei der intensiven Suche nach Finanzmitteln lässt die Weltorganisation die umfangreichen Militärbudgets der Mitgliedsstaaten bisher aber außer Acht.

Lediglich der Präsident von Kasachstan, Nursultan Nasarbajew, forderte auf dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel im September in New York alle Mitgliedsländer auf, ein Prozent ihrer Rüstungsetats für die Finanzierung der SDGs bereitzustellen. Die Reaktionen auf seinen Appell nahmen sich allerdings bescheiden aus. In einer Zeit zunehmender Terroranschläge in Europa und im Nahen Osten wird die Staatengemeinschaft eher auf- als abrüsten.

Während die UN die schwindelerregend hohen Kosten für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele, darunter die Beseitigung von Armut und Hunger auf der gesamten Welt, mit 3,5 bis fünf Billionen Dollar jährlich veranschlagen, waren die globalen Rüstungsausgaben im vergangenen Jahr mit mehr als 1,8 Billionen Dollar ebenfalls enorm.


Fast anderthalb Billionen Dollar jährlich im Kampf gegen Armut benötigt

Das 'Sustainable Development Solutions Network' (SDSN) der Vereinten Nationen schätzt, dass allein die Überwindung der Armut etwa 1,4 Billionen Dollar im Jahr erfordern würde. Die Kosten für den weltweiten Umweltschutz, die Verbesserung der Gesundheitsversorgung, universelle Bildung, die Gleichbehandlung der Geschlechter und weitere Ziele kämen noch hinzu.

Colin Archer, Generalsekretär des in Genf ansässigen 'International Peace Bureau' (IFB) erklärte, es sei "enttäuschend, dass die Option, einige der Militärschätze der Welt zu nutzen, auch dieses Mal nicht in Betracht gezogen wird". IFB, ein global agierendes Netzwerk aus mehr als 300 Organisationen, das eine Welt ohne Kriege anstrebt, versucht laut Archer seit mehr als zehn Jahren, sich mit diesem Vorschlag Gehör zu verschaffen. Der Generalsekretär kündigte an, dass 2016 zu diesem Thema ein internationaler Kongress in Berlin geplant sei.

IFB fordert, dass die Staatengemeinschaft ihre Rüstungsausgaben um jährlich zehn Prozent senkt und die freiwerdenden Mittel für soziale und ökologische Projekte bereitstellt, bis 2030 die Frist zur Umsetzung der SDGs erreicht ist. "Dies ist ein bescheidener Vorstoß, mit dem wir auch moderate Kräfte überzeugen wollen", sagte Archer. Mehrere UN-Resolutionen, darunter die Resolution, die auf der UN-Sondersitzung zu Abrüstung und Entwicklung 1987 verabschiedet wurde, sowie viele Reden, etwa von US-Präsident Dwight Eisenhower, hätten in diese Richtung gezielt. Letztlich habe sich bisher aber kaum etwas verändert.

Während des Kalten Krieges sei die Diskussion über Militärausgaben von der Dringlichkeit der atomaren Krise überlagert worden, so Archer. Das Thema lasse sich bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Die 'Global Campaign on Military Spending' (GCOMS) sei jedoch die erste weltweit organisierte Initiative, die dieses Ziel erreichen wolle.

Laut dem 'Stockholm International Peace Research Institute' (SIPRI) gaben im Jahr 2014 die USA mit 610 Milliarden Dollar den mit Abstand höchsten Betrag für die Rüstung aus, gefolgt von China (216 Milliarden Dollar), Russland (84,5 Milliarden Dollar), Saudi-Arabien (80,8 Milliarden Dollar), Frankreich (62,3 Milliarden Dollar) und Großbritannien (60,5 Milliarden Dollar).

Großbritannien kündigte erst kürzlich an, nach jahrelangen Kürzungen die Rüstungsausgaben wieder aufzustocken. Premierminister David Cameron erklärte, seine Regierung werde den Militäretat im Laufe der kommenden zehn Jahre um umgerechnet 18 Milliarden Dollar erhöhen.


Eisenhower kritisierte 1953 Rüstungspolitik

Im April 1953 hatte der damalige US-Präsident Eisenhower vor Vertretern des Amerikanischen Verbands der Zeitungsverleger gesagt, dass jedes neue Gewehr oder Kriegsschiff "letztlich einen Diebstahl an den Menschen bedeutet, die hungern und kein Essen haben und an denjenigen, die frieren und sich nicht warm anziehen können. Die bewaffnete Welt verschwendet nicht nur Geld, sondern auch den Schweiß der Arbeitenden, das Genie der Wissenschaftler und die Hoffnungen der Kinder."

Einen Teil der Rüstungsausgaben in die Entwicklungsfinanzierung umzuleiten, sei "eine komplexe Angelegenheit", meint Archer. Um dieses Ziel zu erreichen, brauche man eine einflussreiche zivilgesellschaftliche Bewegung, die Druck auf Parlamentarier und die Medien ausübe. Darauf arbeite IFB hin. In den meisten Ländern müsse vermutlich aber erst ein Linksruck bei Wahlen erfolgen.

Nach Ansicht des Aktivisten gewinnt nationalistisches Denken, dem zufolge die militärische Verteidigung einen Schutzwall gegen äußere Bedrohungen bildet, zunehmend an Boden. Dennoch ließen die katastrophalen Folgen der Kriege im Irak und in Afghanistan die Öffentlichkeit in westlichen Ländern immer skeptischer werden.

IFB hatte darauf hingewiesen, dass die hohen globalen Investitionen in den Rüstungssektor dazu geführt haben, dass grundlegende Bereiche wie Ernährung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Beschäftigung und Umweltschutz erheblich unterfinanziert seien.

In den meisten Staaten ist das Ungleichgewicht zwischen den Rüstungsetats und den Budgets für Entwicklungshilfe deutlich sichtbar. Doch trotz der globalen Wirtschaftskrise und der zunehmenden Kritik der Öffentlichkeit an überhöhten Militärausgaben gibt es wenige konkrete Anzeichen dafür, dass die Regierungen tatsächlich umdenken wollten. (Ende/IPS/ck/03.12.2015)

* Dieser Artikel ist Teil eines gemeinsamen Medienprojekts von IPS Nordamerika mit Global Cooperation Council und Devnet Tokyo.


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/12/military-budgets-unexplored-source-for-development-funding/

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IPS-Tagesdienst vom 3. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2015

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