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AGRAR/1535: Südafrikas Zuckerindustrie auf Expansionskurs (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, November/Dezember 2011

Fader Beigeschmack
Südafrikas Zuckerindustrie auf Expansionskurs

von David Marx


Wenn von "land grabbing" in Afrika die Rede ist, stehen meist China und Indien am Pranger. Doch wenn es um Zucker geht, mischt sich ein weiterer Mitspieler im großen Stil unter die "Landdiebe" - Südafrika. Durch bilaterale Verhandlungen zwischen "Agri South Africa" (AgriSa) und Staaten oder privaten Unternehmern haben die Südafrikaner bereits bei 22 afrikanischen Ländern ihren Fuß in den Türen. Vor allem in der Zuckerindustrie wächst Südafrika im wahrsten Sinne des Wortes über seine Grenzen hinaus.


Viele der über 20.000 weißen Großfarmer in Südafrika halten Ausschau nach neuen Betätigungsfeldern außerhalb ihres Landes. Sie sehen ihre Existenz in Südafrika durch die Landreform, durch arbeitsrechtliche Vorschriften, durch die Mindestlöhne für ihre Farmarbeiter und durch steigende Steuern bedroht. So blicken viele Farmer wie ihre simbabwischen Kollegen auf die nördlichen Ufer des Sambesi oder spielen mit dem Gedanken, ihr Glück weit im Norden, in Georgien zu suchen. Der georgische Staat buhlt zurzeit um die mit landwirtschaftlicher Erfahrung und Kapital ausgestatteten Farmer.

Im vergangenen Jahr 2010 wurde zur Unterstützung der südafrikanischen Farmer ein sechs Millionen Rand schwerer Fonds eingerichtet, knapp die Hälfte ging in ausländische Investitionen. Die südafrikanische Ministerin für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei, Tina Joemat-Pettersson, kommentierte diesen Fonds mit den Worten: "Wenn wir keine Möglichkeiten für weiße Farmer in diesem Land finden, müssen wir es irgendwo anders auf diesem Kontinent tun."

Dieser Devise folgen zurzeit im großen Maßstab die beiden südafrikanischen Zucker-Riesen Illovo und Tongaat-Hulett. Beide sind durch Jahrzehnte der staatlichen Beihilfe groß geworden, Südafrika ist ihnen zu klein geworden. Ihre Expansion auf den Kontinent bestätigt, was immer wieder South African Imperialism genannt wird.

Diese Expansion steht auf drei Säulen. Zum einen werden staatliche Ländereien gekauft oder gepachtet, wie in Malawi, Mosambik und Sambia. Zum anderen werden so genannte outgrower schemes vereinbart: Die Zuckerfirmen schließen mit lokalen Bauern einen Vertrag, die diese als Subunternehmer an das Unternehmen bindet. Die dritte Säule bildet das contract farming. In diesen Verträgen werden die Bedingungen für den Zuckeranbau und die Verarbeitung sowie die Vermarktung, die Mengen, die Qualitätsstandards und der Lieferplan durch den Käufer geregelt.

Auf diese Weise haben die beiden Unternehmen knapp die Hälfte der Zuckerproduktion im Südlichen Afrika unter ihre Kontrolle gebracht. lllovo ist Mehrheitseigner an nationalen Unternehmen wie Umbumbo Sugar Ltd of Swaziland (60 Prozent) oder Maragra Açúcar Moçambique (74 Prozent). Es ist das größte Zuckerunternehmen in der SADC-Region und beliefert Binnen- und kontinentale Märkte sowie den Weltmarkt.

Zusätzlich angetrieben wird diese Expansion durch die Nachfrage nach Biokraftstoffen und Strom aus Biomasse. Das weckt auch die Begehrlichkeiten überseeischer Interessenten. Im Sommer 2006 übernahm die Associated British Foods eine Aktienmehrheit von 51 Prozent an Illovo. Auf diese Weise konnte sie die niedrigen Produktionskosten und gleichzeitig die Quoten zwischen der EU und Ländern wie Mosambik oder Simbabwe nutzen, um zollfrei in die EU importieren zu können. Noch deckt die EU den Großteil des Zuckerbedarfs selbst - trotz hoher Produktionskosten. Subventionen und Schutzmaßnahme werden aber Schritt für Schritt abgebaut, so dass interkontinentale Beteiligungen interessanter werden. Auf den Plätzen vier und sechs der Länder, die in EU exportieren, lagen in den Jahren 2000/2001 Swasiland und Simbabwe. Auch hier betrieb Illovo schon damals die Zuckerfabriken.

Das Sugar Cooperation Agreement der SADC begünstigt ebenfalls die beiden Unternehmen. Das Abkommen spricht sich dafür aus, "ein stabiles Klima für Investitionen zu schaffen, das zum Wachstum und zur Entwicklung der Zuckerindustrie in den Mitgliedsstaaten" führt, um "die Wettbewerbsfähigkeit der zuckerproduzierenden Mitglieder zu verbessern".


Mitgestaltung der Zukunft?

Die südafrikanischen - vorrangig weißen - Farmer haben das Know-how und die landwirtschaftliche Erfahrung, um in anderen Ländern die niedrigen Produktionskosten effizienter nutzen zu können. So sind sie nicht nur für Georgien und die Zuckerbranche in Afrika attraktiv. Andre Botha von AgriSA sagte dazu: "Von überall in Afrika erreicht uns die Botschaft: Wir suchen nach südafrikanischen Farmern. Das ist von großer Bedeutung für uns. Denn es bedeutet, dass unserer Mitwirken an der Zukunft des afrikanischen Kontinents anerkannt wird." Eine Wertschätzung, welche sie in ihrer Heimat all zu oft vermissen.

Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft AgriSA bildete 2010 ein Komitee, um die Aktivitäten der Farmer ins Ausland auszudehnen. Damit wurde eine neue Dimension der südafrikanischen Expansion erreicht. Denn neben den Farmern, die schon in Sambia, Botswana, Kenia, Malawi, Mosambik und weiteren Ländern ihren Geschäften nachgehen, und den Firmen, die über die Landesgrenzen hinaus gewachsen sind, koordiniert AgriSA nun Anfragen aus dem Ausland. Solche Staaten bieten in der Regel bevorzugte Investitionsbedingungen an. Sambia zum Beispiel verzichtet auf Importsteuern für Produktionsgüter und Mehrwertsteuer. Die Regierung stellt den Ausbau der Infrastruktur in der betreffenden Region in Aussicht, um den südafrikanischen Fachkräften zwei 150.000 ha große Ackerflächen schmackhaft zu machen.

Viele der Anfragen beziehen sich auf den Zuckerrohranbau. Hierzu gab es unter anderen Anfragen aus Mali, Madagaskar, Simbabwe und Namibia. Mittlerweile steht AgriSA in Verhandlungen mit zweiundzwanzig afrikanischen Regierungen, ohne dass dabei der Zuckerindustrie Vorrang eingeräumt wird. Der spektakulärste Coup gelang mit der Regierung von Kongo-Brazzaville. Das Land importiert 95 Prozent seines Nahrungsbedarfs und sieht eine mögliche Lösung dieses wirtschaftlichen Missstandes darin, eine Fläche von 10 Mio. Hektar (ca. zwei Mal so groß wie die Schweiz) an südafrikanische Farmer für 99 Jahre zu verpachten. Dieses Abkommen wurde im Oktober 2009 zwischen der Regierung und AgriSA unterzeichnet (s. K. Sharife, "Der Große Treck nach Norden", in afrika süd 1/2010).

Um die Interessen ihrer Klientel optimal zu bedienen, versucht AgriSA nationale Ableger zu gründen, um vor Ort kompetente Beratung und politische Unterstützung in Sachen landrechtlicher Fragen und Interessen der "fremden Farmer" anzubieten. Vorbild ist dabei der südafrikanisch-mosambikanische Farmerverband AgriSAMoz.

Den Sitz hat AgriSAMoz in Pretoria. Von dort aus werden die Geschicke von Spitzenpolitikern und Offiziellen der beiden Staaten geführt. Die mosambikanische Seite verfolgt dabei das Interesse, den landwirtschaftlichen Sektor zu verbessern und auszubauen. Und allem Anschein nach scheint dieser Wunsch auch in Erfüllung zu gehen. Denn die Zuckerrohrproduktion hat sich zwischen 2002 und 2010 fast verdoppelt. Das liegt aber nicht nur an den südafrikanischen Heilsbringern, sondern auch an den mosambikanischen Kleinbauern. Mit den robusten Pflanzen lässt sich mehr Geld verdienen. Deshalb stellen kleine Bauern von der Nahrungsmittelproduktion für den lokalen Markt auf den Zuckerrohranbau um. José Armando Chonge, ein kleiner Landwirt aus dem Südwesten Mosambiks, sagte 2005 gegenüber der Zeit: "Ich mag das Zuckerrohr, weil ich das Geld mag. Und das Zuckerrohr bringt Geld."

Das große Geld geht aber zurück nach Südafrika. 2010 hatte Illovo mit einer halben Millionen Tonnen einen Anteil von ca. einem Fünftel der Landesproduktion Mosambiks inne. Die Rohstoffverarbeitung liegt in den Hauptproduktionsgebieten Xinavane und Mafambisse zu über 88 Prozent bzw. 75 Prozent beim südafrikanischen Tongaat-Hulett. Der mosambikanische Staat hält die restlichen Prozent in der Verarbeitung.

Der Zuckerriese Illovo lässt den Großteil der Rohrernte nicht in Mosambik, sondern in Südafrika raffinieren. Obwohl das Heimatland der Firma mit 361.000 Tonnen von insgesamt sechs Mio. Tonnen in der SADC die geringste Zuckerrohrernte von allen Ländern einfährt, ist es der größte Zuckerproduzent mit 663.000 Tonnen von regionalweiten 1,7 Mio. Tonnen.

Doch Zucker ist nicht nur Zucker. Die Zuckerindustrie fördert eine ganze Reihe nachgeordneter Gewerbe in Logistik, Transport, Kühlung und Finanzdienstleistungen. Auch hierfür gibt es Spezialisten im Südlichen Afrika, und auch hier kommt der Marktführer aus Südafrika. PGBI Engineers & Constructors vereint nach eigenen Angaben ein Team von hoch gelobten Technologen, die eine Vielzahl von spezialisierten Dienstleistungen für Zucker anbieten. Auf Auftrag der International Finance Corporation, eine Institution der Weltbankgruppe, erstellte PGBI einen Leitfaden für die Zuckerindustrie. Dieser enthält nützliche Tipps, wie man mit Land-, sozialen, und ökologischen Belangen umgehen muss, ohne dabei seine Finanziers zu verschrecken. PGBI arbeitet in Simbabwe, Swasiland, Tansania, Mosambik, Sambia, Kenia, Ghana und anderen afrikanischen Staaten. Und das nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Finanzwelt und die Regierungen. Obendrein ist PGBI selbst Shareholder einer 10.000 ha großen Fläche im Caprivi in Namibia, die die Regierung für den Zuckerrohranbau bestimmt hat. Das meiste in diesem undurchsichtigen Geflecht von bi- und multilateralen Abkommen und Aufträgen findet fern von den Augen und Ohren der Öffentlichkeit statt.


Auch Südafrikas Banken expandieren

In den 1980er und 1990er Jahren fanden umfassende Deregulierungsprozesse in Südafrika statt. Sie führten unter anderem zum Niedergang der staatlichen Land Bank. Damit wurden den Großfarmern subventionierte Kredite entzogen. Südafrikanische Geschäftsbanken wurden zu den primären Kreditgebern für die Landwirtschaft. Allen voran die Standard Bank, aber auch ABSA und Standard Chartered unterstützen AgriSA bei ihrer Ausbreitung in andere afrikanische Länder.

Auch die Banken beschränken sich nicht auf Südafrika. Die Standard Bank zum Beispiel übernahm jüngst 90 Prozent der Uganda Commercial Bank und treibt das gleiche Spiel wie Illovo im Nachbarland Kenia (55 Prozent Anteile an Kilombero Sugar Ltd.).

Ein Anteil von 20 Prozent der Standard Bank gehört wiederum der Industrie- und Handelsbank Chinas, die dieses Paket 2007 für 5,5 Billionen US-Dollar erwarb. Aber nicht nur die Banken, sondern auch die Mutterorganisation der Farmer steht mit den Chinesen in Kontakt. Theo de Jager, Vorsitzender der Abteilung Landaffairs AgriSA, sprach von einem Besuch einer Gruppe von Farmern in China, die dort gemeinsame Investitionsabkommen und Joint Ventures mit chinesischen Staatsfirmen abschließen wollten.

Bei dieser komplexen Entwicklung von einem südafrikanischen Imperialismus zu sprechen, wäre zu kurz gegriffen. Folgen alle Involvierten doch nur dem einheitlichen Trend, sich mit größtmöglichem Gewinn am globalen Kapitalismus zu beteiligen.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 6, November/Dezember 2011, S. 18 - 19
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2012