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AGRAR/1645: Subventionen für kleinere Betriebe und Hofnachfolgen - Mehr als "Museumsprämien"? (idw)


Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) - 27.01.2014

Agrarsubventionen für kleinere Betriebe und Hofnachfolgen: Mehr als "Museumsprämien"?

IAMO Policy Brief 14 setzt sich kritisch mit den Umsetzungsbeschlüssen der deutschen Agrarministerkonferenz zur aktuellen EU-Agrarreform auseinander



Kleinere Agrarbetriebe und Hofnachfolger sollen zukünftig durch besondere Zulagen begünstigt werden, so will es die Agrarministerkonferenz in ihren Umsetzungsbeschlüssen zur aktuellen EU-Agrarreform. Die IAMO-Wissenschaftler Alfons Balmann und Christoph Sahrbacher zeigen im IAMO Policy Brief 14, dass die beschlossenen Maßnahmen die Überlebenswahrscheinlichkeit unrentabler Betriebe zwar leicht erhöhen, aber nicht deren Entwicklungsperspektiven verbessern. Die mit den Beschlüssen verbundene regionale Umverteilung von Subventionen zugunsten der vergleichsweise wirtschaftsstarken süddeutschen Bundesländer führe letztlich dazu, dass dort wenig rentable kleinere Betriebe mit anderen ebenfalls kleineren und mittleren Betrieben um Flächen und Subventionen konkurrieren, so dass letztere in Form höherer Bodenpreise und einer Strukturkonservierung verpuffen. Auch ignorieren die Beschlüsse, dass die größeren ostdeutsche Betriebe insgesamt zwar rentabler als süddeutsche seien, letztere jedoch wesentlich vermögender und besser mit Eigenkapital ausgestattet. Strukturell betrachtet schaden die Maßnahmen zwar so wenig, wie sie nützen, tragen aber dazu bei, neue Besitzstände und Subventionsabhängigkeiten zu schaffen und so überfällige Reformen zu behindern, so die Autoren.


Regelungen zur Gemeinsamen EU-Agrarpolitik und die Beschlüsse der deutschen Agrarministerkonferenz

Die im September 2013 beschlossenen Reformen der EU-Agrarpolitik sehen vor, die Direktzahlungen zwischen den Mitgliedsländern teilweise anzugleichen und sie in eine Basisprämie von 70% und eine Umweltkomponente von 30% aufzuteilen. Darüber hinaus können sich die Mitgliedstaaten entscheiden, ob sie die Basisprämie ab einer bestimmten Gesamthöhe pro Betrieb kappen oder für die ersten Hektare eines jeden Betriebs erhöhen möchten. Die deutsche Agrarministerkonferenz hat sich für einen Zuschlag von 50 €/ha für die ersten 30 ha und 30 €/ha für weitere 16 ha entschieden. Darüber hinaus sollen Junglandwirte für bis zu 90 ha eine zusätzliche Förderung von 50 €/ha erhalten, um deren Entwicklungsperspektiven zu verbessern.


Umverteilung von Ost- nach Süddeutschland

Oben genannte Maßnahmen werden aus dem Gesamttopf der Direktzahlungen gegenfinanziert. Weil die landwirtschaftliche Betriebsstruktur Deutschlands so heterogen ist, bringen allein die Zuschläge für die ersten Hektare eine erhebliche regionale Umverteilung mit sich. In Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg spielen kleinere Betriebe eine große Rolle - anders als in Ostdeutschland, wo die meisten Betriebe deutlich mehr als die geförderten ersten Hektare bewirtschaften. Balmann und Sahrbacher kommen in ihren Berechnungen zu dem Schluss, dass die neuen Bundesländer infolge der Reform ca. 85 Mio. € an Subventionszahlungen einbüßen, während Bayern und Baden-Württemberg zusammen ca. 48 Mio. € hinzugewinnen. Bezieht man darüber hinaus die Junglandwirteförderung ein, die ebenfalls in größerem Maße Agrarbetrieben in Süddeutschland zugute kommt, ergebe sich insgesamt ein relativer Vorteil von etwa 30 €/ha gegenüber den neuen Bundesländern.


Kaum langfristige Effekte

Um zu untersuchen, wie sich die beschlossenen Maßnahmen längerfristig auf die Struktur der deutschen Landwirtschaft auswirken, haben die Wissenschaftler für Beispielregionen in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt Modellrechnungen durchgeführt, um den betrieblichen Strukturwandel, Flächenwanderungen, sowie die Entwicklung der Pachtpreise und Betriebseinkommen für unterschiedliche politische Rahmenbedingungen abzuschätzen. Dabei zeigte sich, dass die Struktureffekte der Zulagen insgesamt gering seien. Alfons Balmann erläutert: "Größere Betriebe im Osten verlieren durch die Kürzungen nur moderat, da sie letztlich zumeist mit anderen großen Betrieben konkurrieren und einen Teil der Einbußen durch niedrigere Pachtpreise kompensieren. Kleinere Betriebe profitieren kaum, da sie mit anderen kleineren Betrieben konkurrieren, die die Zulagen ebenfalls erhalten, so dass die Zulagen in Form höherer Pachtpreise und einer strukturkonservierenden Fortführung unrentabler Betriebe verpuffen. Damit verstärken die Zulagen die ohnehin bereits aus dem Erb- und Steuerrecht resultierenden und wenig zielgerichteten Anreize zur Fortführung wenig rentabler Betriebe ohne Entwicklungsperspektiven." Solche Anreize, die die Betriebe aber nicht in die Lage versetzen, sich zu entwickeln und zu modernisieren, seien somit nicht viel mehr als "Museumsprämien". Sofern kleinere Betriebe tatsächlich besondere Leistungen im Bereich Umwelt- und Tierschutz erbringen sollten, wäre es besser, diese über zielgerichtete Maßnahmen zu honorieren, argumentieren die Autoren.


Wissenschaftler kritisieren die Beschlüsse

Insgesamt stehen Balmann und Sahrbacher den Beschlüssen äußerst kritisch gegenüber: Offensichtlich liegen ihnen "populäre, aber wenig realitätsnahe Leitbilder" zugrunde. So seien kleinere Betriebe zwar zumeist nicht so rentabel wie größere. Allerdings seien etwa die kleineren süddeutschen Betriebe in der Regel wesentlich vermögender als die größeren ostdeutschen Betriebe. "Wohlgemeinte Politiken, die solche Gegebenheiten und Zusammenhänge ignorieren, schaffen Besitzstände und Abhängigkeiten und engen damit zukünftige politische Spielräume ein. Den Leistungsträgern der Landwirtschaft helfen sie nicht", so Balmann.

Publikation
Balmann, Alfons; Sahrbacher, Christoph (2014).
Mehr als "Museumsprämien"? Zur Förderung der ersten Hektare und Junglandwirte im Rahmen der EU-Agrarpolitik.
IAMO Policy Brief No. 14, Halle (Saale).
www.iamo.de/publikation/policybrief-14


IAMO Policy Briefs

In der Publikationsreihe IAMO Policy Brief werden in loser Folge gesellschaftlich relevante Forschungsergebnisse des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) kurz und allgemeinverständlich aufbereitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zielgruppe sind insbesondere Entscheidungsträger der Politik, Medienvertreter und die breite Öffentlichkeit.


Über das IAMO

Das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) widmet sich der Analyse von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungsprozessen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie in den ländlichen Räumen. Sein Untersuchungsgebiet erstreckt sich von der sich erweiternden EU über die Transformationsregionen Mittel-, Ost- und Südosteuropas bis nach Zentral- und Ostasien. Das IAMO leistet dabei einen Beitrag zum besseren Verständnis des institutionellen, strukturellen und technologischen Wandels. Darüber hinaus untersucht es die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Agrar- und Ernährungssektor sowie die Lebensumstände der ländlichen Bevölkerung. Für deren Bewältigung werden Strategien und Optionen für Unternehmen, Agrarmärkte und Politik abgeleitet und analysiert. Seit seiner Gründung im Jahr 1994 gehört das IAMO als außeruniversitäre Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft an.

Bitte beachten Sie: Im Januar 2014 wurde das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa in Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien umbenannt. Die Institutsabkürzung IAMO bleibt weiterhin gültig.

Weitere Informationen unter:
http://www.iamo.de/publikation/policybrief-14
- IAMO Policy Brief No. 14 "Mehr als 'Museumsprämien'? Zur Förderung der ersten Hektare und Junglandwirte im Rahmen der EU-Agrarpolitik."

http://www.iamo.de
- Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution418

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO),
Rebekka Honeit, 27.01.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2014