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BERICHT/348: Prognose - Kräftige Expansion in diesem, nachlassender Schwung im kommenden Jahr (idw)


Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. - 18.03.2015

Kräftige Expansion in diesem, nachlassender Schwung im kommenden Jahr


Das RWI erhöht seine Prognose des deutschen Wirtschaftswachstums für das Jahr 2015 gegenüber Dezember 2014 von 1,5 auf 2,1%; für 2016 erwartet es 1,9%. Die Konjunktur dürfte weiter vor allem von der Inlandsnachfrage getragen werden. Die Arbeitslosenquote sinkt auf voraussichtlich 6,4% in diesem und 6,2% im kommenden Jahr. Die Inflation dürfte in diesem Jahr gering bleiben und im nächsten Jahr anziehen. Die öffentlichen Haushalte werden 2015 und 2016 voraussichtlich Überschüsse erzielen. Der Aufschwung ist in erster Linie den gesunkenen Ölpreisen sowie der expansiven Geldpolitik der EZB zu verdanken. Die deutsche Wirtschaftspolitik trägt hingegen wenig zur Stärkung des Wachstums bei.


Die Konjunktur in Deutschland hat sich zum Jahresende 2014 unerwartet kräftig belebt. Die Konjunkturindikatoren deuten darauf hin, dass auch für die ersten Monate des Jahres 2015 eine merkliche Expansion der gesamtwirtschaftlichen Produktion zu erwarten ist. Da die Konjunktur zuletzt vor allem vom privaten Konsum getragen wurde, dürfte der Aufschwung insbesondere den Dienstleistungssektor begünstigen, der einen überproportional hohen Anteil am privaten Konsum hat. Die kräftige Konsumnachfrage spiegelt ungewöhnlich deutlich gestiegene Realeinkommen der privaten Haushalte wider, insbesondere aufgrund verbilligter Mineralölprodukte.

Im weiteren Verlauf dieses Jahres dürfte die deutsche Wirtschaft ebenfalls kräftig expandieren. Wesentliche Triebkraft wird voraussichtlich die Inlandsnachfrage bleiben, die von den steigenden Realeinkommen der privaten Haushalte getragen werden dürfte. Die steigende Kaufkraft lässt in Verbindung mit guten Arbeitsmarktaussichten und historisch niedrigen Finanzierungskosten auch die Wohnungsbauinvestitionen spürbar steigen. Die Investitionen der Unternehmen werden hingegen erst allmählich mit wachsender Kapazitätsauslastung an Fahrt aufnehmen. Mit fortschreitender Erholung der Weltwirtschaft und aufgrund der Abwertung des Euro dürften die Exporte zwar beschleunigt steigen, jedoch nicht so stark zunehmen wie die Einfuhren. Alles in allem dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr um 2,1% wachsen. Im kommenden Jahr dürften der private Konsum und die Wohnungsbauinvestitionen jedoch nachlassen, weil sich die positiven Wirkungen des niedrigen Rohölpreises auf den Anstieg der Realeinkommen verringern. Im Verlauf des Jahres dürfte die Konjunktur trotz steigender Unternehmensinvestitionen etwas an Fahrt verlieren, das reale BIP dürfte im Jahresdurchschnitt um 1,9% wachsen.


Arbeitslosenquote dürfte sinken, Inflationsrate wieder steigen

Im Angesicht des Aufschwungs dürfte die Beschäftigung weiter zunehmen. Zwar wirkt die Verteuerung gering qualifizierter Arbeit durch den flächendeckenden Mindestlohn dämpfend. Allerdings ist es in einigen Bereichen allem Anschein nach gelungen, die höheren Kosten über die Preise weiterzugeben. Die Arbeitslosenquote sinkt auf voraussichtlich 6,4% in diesem und 6,2% im kommenden Jahr.

Eine der Ursachen der in diesem Jahr kräftigen Konjunktur ist der Kaufkraftgewinn aufgrund der gesunkenen Rohstoffpreise. Entsprechend wird die Inflationsrate in diesem Jahr mit 0,4% wohl gering sein, die Kerninflation (Verbraucherpreise ohne Energie) dürfte 1,1% betragen. Im Verlauf des Prognosezeitraums werden die Effekte niedriger Rohstoffpreise auf die Inflation annahmegemäß auslaufen, so dass sich die Teuerung im kommenden Jahr auf 1,5% erhöhen dürfte, die Kerninflation dürfte sich auf 1,6% beschleunigen.


Expansive Geldpolitik und niedrige Ölpreise treiben den Aufschwung

Die Lage der öffentlichen Haushalte hat sich im vergangenen Jahr deutlich verbessert, alle staatlichen Ebenen erzielten einen Finanzierungsüberschuss. Im Prognosezeitraum wird der Staat ungeachtet der leicht expansiv ausgerichteten Finanzpolitik weiterhin Überschüsse erzielen, weil die gute Konjunktur die staatlichen Einnahmen weiter kräftig steigen lässt. Der Staat wird dementsprechend in diesem und im kommenden Jahr einen Überschuss von jeweils rund 16 Mrd. Euro erzielen, das entspricht 0,5% in Relation zum nominalen BIP.

Die kräftige Expansion in diesem Jahr ist zum Teil dem Rückgang der Ölpreise, zum Teil der expansiven Geldpolitik der EZB zu verdanken. Letztere stimuliert sowohl direkt über günstige Finanzierungsbedingungen als auch indirekt über die durch sie mitverursachte Abwertung des Euro. Die deutsche Finanzpolitik ist zwar leicht expansiv ausgerichtet, die sich aus den strukturellen Haushaltsüberschüssen ergebenden Spielräume werden aber nicht zur Stärkung des Wachstums genutzt. In vielen Politikfeldern tendiert die Wirtschaftspolitik eher zu regulierenden Eingriffen.


Weltwirtschaft: Auch internationale Konjunktur gewinnt an Fahrt

Auch die Weltwirtschaft hat sich in der zweiten Jahreshälfte 2014 belebt, ausgehend von den fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Insbesondere in den USA stieg die Produktion im zweiten Halbjahr deutlich stärker als im ersten. Im Euro-Raum setzte sich die Belebung fort. Dagegen ging in Japan die Produktion nach der Anhebung des Mehrwertsteuersatzes zunächst deutlich zurück. In den Schwellenländern hat sich die Konjunktur nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Nachfrage aus den fortgeschrittenen Volkswirtschaften stabilisiert.

Kurzfristig sind deutliche Impulse von den gesunkenen Rohölpreisen auf die Konjunktur zu erwarten. Dabei ist unterstellt, dass der Ölpreis im Durchschnitt dieses Jahres 58 und im kommenden Jahr 60$/b beträgt. Die Geldpolitik dürfte insgesamt gesehen nochmals etwas expansiver geworden sein. Der Einbruch der Produktion in Japan und die geringe Inflation im Euro-Raum hatten im vergangenen Jahr die dortigen Notenbanken veranlasst, den Expansionsgrad ihrer Geldpolitik nochmals zu erhöhen. Auch einige Notenbanken in den Schwellenländern haben die Zinsen gesenkt. Das weltwirtschaftliche Expansionstempo dürfte aber nach und nach gedämpft werden, sobald die US-amerikanische Notenbank beginnt, die Zinsen zu erhöhen.


Zinswende in den USA könnte internationalen Aufschwung dämpfen

Vor diesem Hintergrund dürfte sich die weltwirtschaftliche Aktivität in diesem Jahr etwas beleben und im Verlauf des kommenden Jahres wieder an Schwung verlieren. Insgesamt dürfte durch das Angleichen der Zuwachsraten in den verschieden Regionen die weltwirtschaftliche Expansion etwas gleichgewichtiger werden. Für dieses Jahr erwartet das RWI eine Zunahme der weltwirtschaftlichen Produktion von 3,3%, für das kommende Jahr eine um 3,5%. Damit dürfte eine Ausweitung des Welthandels um 4,0% bzw. 4,5% einhergehen.

Risiken für die konjunkturelle Entwicklung sind vor allem mit der Zinswende in den USA verbunden. Angesichts der langen Phase extrem expansiver Geldpolitik könnten die realwirtschaftlichen Wirkungen der Zinswende deutlich stärker sein als bei früheren Zinserhöhungen. Auch das langsamere Wachstum der chinesischen Wirtschaft ist mit Risiken für die internationale Konjunktur verbunden, da der Abbau der Ungleichgewichte z.B. im Immobiliensektor deutlich größere Effekte haben könnte als in dieser Prognose unterstellt. Weiterhin bestehen Risiken für die Weltwirtschaft durch die internationalen Konflikte, insbesondere dem zwischen Russland und der Ukraine.

(veröffentlicht in "RWI Konjunkturberichte", Heft 1/2015)


Weitere Informationen unter:
http://www.rwi-essen.de/forschung-und-beratung/wachstum-konjunktur-oeffentliche-finanzen/projekte/konjunkturdiagnose-und-prognose/
- Informationen zur RWI-Konjunkturberichterstattung

http://www.rwi-essen.de/media/content/pages/publikationen/rwi-konjunkturberichte/rwi-kb_1-2015.pdf
- RWI-Konjunkturbericht 1/2015

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution145

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.,
Katharina Brach, 18.03.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2015

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