Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

ENERGIE/1907: Chile - Erstes Solarwärmekraftwerk soll ab 2017 Strom liefern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. August 2014

Chile:
Erstes Solarwärmekraftwerk soll ab 2017 Strom liefern - Regierung fördert saubere Energien

von Marianela Jarroud


Bild: © Marianela Jarroud/IPS

Das erste Solarwärmekraftwerk Lateinamerikas wird in der chilenischen Atacama-Wüste gebaut
Bild: © Marianela Jarroud/IPS

Santiago de Chile, 6. August (IPS) - In der nordchilenischen Atacama-Wüste entsteht zurzeit das erste Solarwärmekraftwerk Lateinamerikas. Chile hofft damit die Folgen einer Energiekrise abzumildern, die die ohnehin schon hohen Energiekosten weiter zu steigern droht.

"Wir haben ein strukturelles Problem. Energie ist in Chile sehr teuer. Das ist nicht nur eine Hürde für das Wirtschaftswachstum, sondern trifft auch die Armen", sagt Regierungssprecher Álvaro Elizalde. Das Energieangebot müsse erhöht werden, damit die Preise sinken könnten. Zugleich sei es wichtig, erneuerbare Energien zu fördern.

Das spanische Unternehmen 'Abengoa Solar', das seit 1987 in Chile tätig ist, gewann im Januar dieses Jahres die öffentliche Ausschreibung für die Entwicklung eines Solarturmkraftwerks mit einer Leistung von 110 Megawatt und der Kapazität, Wärmeenergie für 17 Stunden in gelöstem Salz zu speichern.

Das Tochterunternehmen 'Abengoa Solar Chile' hat im Mai mit dem Bau des Kraftwerks 'Concentración Solar de Potencia de Cerro Dominador' in der Region Antofagasta begonnen. 2017 soll es für 30 Jahre ans Netz gehen. Die Baukosten werden mit einer Milliarde US-Dollar beziffert. Mit weiteren 750 Millionen Dollar wird nach Angaben von Unternehmenssprechern eine Photovoltaikanlage errichtet, durch die sich die erzeugte Strommenge auf 210 Megawatt verdoppeln soll.

Abengoa erhält dafür direkte Subventionen von der Regierung Chiles und von der Europäischen Union sowie Finanzmittel von der Interamerikanischen Entwicklungsbank, der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), vom 'Clean Technology Fund' und vom 'Canada Fund for Local Initiatives'.


Solarwärmekraftwerk in trockenster Region der Welt

Das neue Kraftwerk entsteht in der Ortschaft Maria Elena, 1.340 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago. In der Atacama-Wüste, die als das trockenste Gebiet der Welt gilt, scheint das gesamte Jahr über die Sonne. Statt Solarpanelen werden 10.600 riesige Spiegel installiert, die die Sonnenstrahlen auffangen (Heliostate) und an der Spitze eines 243 Meter hohen Turms konzentrieren, der Saurons Turm in den Herr-der-Ringe-Filmen nicht unähnlich ist.

Bild: © Abengoa Chile

Modell des Solarwärmekraftwerks, das 2017 ans Netz gehen soll
Bild: © Abengoa Chile

Um die Nachfrage nach Strom rund um die Uhr befriedigen zu können, wird die Anlage über ein Thermalenergiesystem verfügen, das von der spanischen Firma entworfen und entwickelt worden ist. In flüssigem Salz gespeicherte Wärme soll nachts die Dampfturbinen antreiben.

24 Stunden pro Tag soll saubere Energie fließen. Davon wird vor allem der expandierende Bergbausektor in Antofagasta profitieren. In der Region wird vor allem Kupfer gefördert. Unternehmenssprecher erklärten, dass durch das Solarwärmekraftwerk jährliche Emissionen von etwa 643.000 Tonnen CO2 vermieden werden. Das entspricht dem Schadstoffausstoß von 357.000 Autos, die ganzjährig im Einsatz sind. Auch die Stromnachfrage der Privathaushalte in der Region soll durch die Solarwärmekraftanlage vollständig gedeckt werden.


Genug Sonne für Strom im ganzen Land

Roberto Román, Experte für erneuerbare Energien an der Universität von Chile, sieht Solarwärmekraft in mehrfacher Hinsicht anderen sauberen Energieträgern und sogar Photovoltaik-Systemen überlegen. Solarwärmekraftwerke seien im Stande, Energie zu erzeugen und zu speichern. "In der Praxis bedeutet dies, dass sie den größten Teil des Jahres rund um die Uhr ausschließlich mit Sonnenenergie betrieben werden können."

Wie Román weiter ausführt, kann diese Art der Stromerzeugung mit der Energiegewinnung etwa durch Erdgas kombiniert werden. "Auf diese Weise kann Elektrizität je nach Bedarf produziert werden" erklärt er. "Wenn diese Anlagen nur mit Solarenergie funktionieren, entstehen keinerlei Schadstoffemissionen. Es gibt hier so viel Sonnenschein, dass ganz Chile mehrfach mit Strom versorgt werden könnte."

Die Kraftwerke in dem südamerikanischen Land mit 17,6 Millionen Einwohnern verfügen über eine installierte Bruttoleistung von 18.278 Megawatt. 74 Prozent dieses Stroms wird über das zentrale Versorgungsnetz 'Sistema Interconectado Central' an die Verbraucher weitergeleitet. 25 Prozent fließen in das nördliche Versorgungsnetz 'Sistema Interconectado Norte Grande' und der Rest in mittelgroße Netze in den südchilenischen Regionen Aysén und Magallanes.

Chile importiert 97 Prozent der zur Stromerzeugung benötigten fossilen Brennstoffe. 40 Prozent des Energiemixes werden aus Wasserkraft erzeugt. Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, die Wärmekraftwerke in Betrieb halten und die Umwelt erheblich belasten, ist groß.


Bisher horrende Energiekosten

Die Energieknappheit in Chile hat dazu geführt, dass die Megawattstunde mit mehr als 160 Dollar wesentlich höher zu Buche schlägt als in den meisten anderen lateinamerikanischen Ländern. In Peru kostet sie 55 Dollar, in Kolumbien 40 Dollar und in Argentinien lediglich zehn Dollar.

Seit ihrem erneuten Amtsantritt im März hat die sozialistische Staatspräsidentin Michelle Bachelet bekräftigt, dass sie die Nutzung erneuerbarer Stromquellen wie Wind-, Erdwärme-, Solarwärme- und Solar-Photovoltaik-Energie fördern wolle. Bis 2025 plant die Regierung, 20 Prozent des Elektrizitätsbedarfs des Landes aus sauberen Energiequellen zu decken. Laut der am 15. Mai von Bachelet vorgestellten 'Energie-Agenda' soll Solarkraft bei der Entwicklung alternativer Energieträger in Chile im Fokus stehen.

Im Mai billigte die Regierung 43 Projekte für die Entwicklung erneuerbarer Energien unter Beteiligung von chilenischen und ausländischen Unternehmen. Diese Vorhaben - in der Mehrheit handelt es sich um Photovoltaikanlagen - konzentrieren sich auf den Norden des Landes. Sie sollen zusammen etwa 2.261 Megawatt Strom jährlich generieren. Dies entspräche einer Steigerung der installierten Bruttoleistung des Landes um 12,3 Prozent. (Ende/IPS/ck/2014)


Links:
http://www.ipsnews.net/2014/08/chile-taps-solar-thermal-energy-with-latin-americas-first-plant/
http://www.ipsnoticias.net/2014/07/chile-apuesta-a-energia-termosolar-con-primera-planta-regional/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 6. August 2014
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2014