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ENERGIE/2011: Atomrückstellungen in Gefahr (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 12 vom 20. März 2015
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Atomrückstellungen in Gefahr
Umbau der Energiekonzerne beschränkt Haftung für Rückbau von Atommeilern

von Bernd Müller


Die Energiekonzerne E.on und RWE haben kürzlich ihre Geschäftszahlen präsentiert und damit unter Anlegern einen Schock ausgelöst: E.on präsentierte den größten Verlust seiner Firmengeschichte und RWE verkündete gleich neue Sparmaßnahmen. Schuld an der Misere seien wieder einmal der Atomausstieg und die Energiewende, schrillt es durch den Blätterwald. Die schwachen Geschäftszahlen lassen gleichzeitig Zweifel aufkommen, ob die Atomrückstellungen der Konzerne ausreichen, ihre alten Meiler zurückzubauen, oder ob am Ende doch der Steuerzahler dafür aufkommen muss.

Dieses Jahr werde ein ebenso hartes Jahr wie 2014, wenn nicht härter, sagte E.on-Chef Johannes Teyssen auf der Bilanzpressekonferenz am Mittwoch vergangener Woche. Im vergangenen Jahr hat der Energieriese einen Verlust von 3,2 Milliarden Euro eingefahren. Abschreibungen auf konventionelle Kraftwerke in Großbritannien, Schweden und Italien schlugen besonders zu Buche.

RWE machte im letzten Jahr "nur" einen Gewinn von 1,7 Milliarden Euro. "Das Tal der Tränen ist noch nicht überschritten", sagte RWE-Chef Peter Terium und stimmte auf einen weiteren Gewinnrückgang in diesem Jahr ein. Selbst betriebsbedingte Kündigungen wollte Terium nicht mehr ausschließen.

Bis zur Reaktorkatastrophe von Fukushima waren es vor allem die Atomkraftwerke, die den Energiekonzernen satte Gewinne einbrachten. Immerhin brachte jedes AKW den Konzernen einen Profit von einer Million Euro pro Tag. Die Energiewende veränderte die Marktbedingungen ebenso nachhaltig zu Lasten der vier großen Energiekonzerne: Vor allem die klassischen Großkraftwerke werden immer unrentabler, weil das Überangebot am Strommarkt die Börsenpreise in den Keller treibt. Inzwischen verdienen 35 bis 45 Prozent der RWE-Anlagen kein Geld mehr, musste Terium eingestehen, und wenn es bei den gegenwärtigen Börsenpreisen bleibe, "wird RWE Generation in nicht allzu ferner Zukunft einen betrieblichen Verlust ausweisen müssen".

Nicht die Energiewende habe Schuld an den schlechten Konzernergebnissen, sondern deren eigene Manager, heißt es dagegen in einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie zur Zukunft der Energiekonzerne. Der Atomausstieg, die Energiewende und der zu reformierende Emissionshandel seien längst absehbare Entwicklungen gewesen, auf die sich die Versorger hätten einstellen müssen, heißt es von den Autoren Heinz-Josef Bontrup und Ralf-Michael Marquardt von der Westfälischen Hochschule in Recklinghausen. Doch statt sich am Ausbau der Erneuerbaren Energien zu beteiligen, kämpften die Unternehmen für eine Laufzeitverlängerung ihrer Atomkraftwerke und tätigten im Ausland teure und riskante Zukäufe. "Das Management der großen Versorger hat die Augen zu lange vor dem absehbaren neuen Energiemarkt verschlossen", so Studienautor Bontrup. Jetzt räche sich das sture Festhalten an einem überkommenen Geschäftsmodell.

Die miserablen Geschäftsaussichten der vier großen Energieversorger würden auch deren finanzielle Verpflichtungen bedrohen, ist sich die Umweltorganisation Greenpeace sicher. Die Rückstellungen für die Milliardenkosten des Rückbaus von Atommeilern und die Umweltfolgen des Braunkohletagebaus bestünden zum großen Teil aus dem Wert der konzerneigenen Kraftwerke. Deren Wert sei aber in den letzten Jahren gesunken und entsprechend unsicher werden dadurch die Rückstellungen. "Die Bundesregierung muss dringend dafür sorgen, dass die Rückstellungen der Energieversorger in einer öffentlich-rechtlichen Stiftung gesichert werden", so Energie-Experte Tobias Ausstrup von Greenpeace. Der Steuerzahler solle nicht für die Managementfehler von vormals blendend verdienenden Konzernen aufkommen müssen.

Die Warnungen von Greenpeace sind ernst zu nehmen. Die Energiekonzerne haben zusammen rund 36 Milliarden Euro an Rückstellungen für den Rückbau der Atommeiler gebildet. Sollten diese nicht ausreichen, haften die Konzerne bis zum letzten Cent. Deshalb sind sie bestrebt, ihre Haftung zu beschränken. Der verkündete Konzernumbau von E.on hatte bereits den Verdacht nahe gelegt, dass die Atomrückstellungen in eine Art Bad Bank ausgegliedert werden soll (UZ berichtete). Sollten sie nicht ausreichen, würde nach einer Übergangszeit nur noch die neue Gesellschaft haftbar sein und nicht mehr der gesamte Konzern. Durch eine Anfrage der Grünen beim Bundeswirtschaftsministerium wurde zudem bekannt, dass dort zu den Folgen der bereits 2012 vorgenommenen Umstrukturierung für die nuklearen Entsorgungsverpflichtungen Vattenfalls keine Erkenntnisse vorliegen, wie es in der Antwort heißt.


Bernd Müller, Dipl.-Ing., freier Journalist

Weitere Informationen unter:
www.bernd-mueller.org

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 47. Jahrgang, Nr. 12 vom 20. März 2015, Seite 3
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2015

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