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ENERGIE/2060: Zentralamerika - Reich an Sonne, Wind und Erdwärme, doch Potenzial nicht ausgeschöpft (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Juli 2015

Zentralamerika: Reich an Sonne, Wind und Erdwärme - Doch Potenzial nicht ausgeschöpft

von Diego Arguedas Ortiz


Bild: © Diego Arguedas Ortiz/IPS

Die Kooperative 'Coopesantos' hat 2011 einen Windpark in den Bergen um La Paz und Casamata rund 50 Kilometer südlich der costaricanischen Hauptstadt San José errichtet
Bild: © Diego Arguedas Ortiz/IPS

SAN JOSÉ (IPS) - Zentralamerika ist reich an Wind und Sonne. Dennoch scheinen für die Länder der Region vor allem Erdwärme und Wasserkraft die erste Wahl zu sein, um ihren Strombedarf zu decken.

Versuche, den Anteil der beiden sauberen Energieträger am regionalen Strommix zu erhöhen, sind bisher fehlgeschlagen. Derzeit stammt die Elektrizität zu 36 Prozent aus riesigen Kraftwerken, die mit Kohle und anderen fossilen Brennstoffen betrieben werden.

Von den politischen Entscheidungsträgern wird das enorme Potenzial an Wind- und Sonnenkraft offenbar ignoriert. Dabei tragen gerade diese sauberen Energieträger zur Verringerung der klimaschädlichen Treibhausgase bei und bringen den mit Energie unterversorgten und abgelegenen Regionen Licht.

"Generell lässt sich sagen, dass die Region das Potenzial vor allem deshalb nicht nutzt, weil sie sich keine Investitionskanäle erschlossen hat", meint Javier Mejía, Energieexperte beim Humboldt-Zentrum in Nicaragua, einer Nichtregierungsorganisation.

Anders als die Großprojekte der Vergangenheit lassen sich Solar- und Windenergievorhaben auch in abgelegenen und energiearmen Gebieten realisieren.

Bisher schöpft Zentralamerika erst ein Prozent seines Windenergiepotenzials aus, wie einer Analyse des unveröffentlichten Berichts über den Zustand der Region zu entnehmen ist, der vom Nationalrat der Rektoren (CONARE) herausgegeben wird, dem die Vertreter von vier costaricanischen Universitäten angehören.

Eine Gruppe von Journalisten hatte Einblick in die vorläufigen Schlussfolgerungen der Autoren über Fragen der regionalen nachhaltigen menschlichen Entwicklung erhalten.

Dem Report zufolge, der offiziell im kommenden Jahr erscheint, verfügt Zentralamerika über eine zwei bis drei Mal höhere Sonneneinstrahlung als Deutschland, das im Bereich der Solarenergie führend ist. 85 Prozent des regionalen Erdwärmepotenzials sind ungenutzt.

Der Zustandsbericht basiert auf Zahlenmaterial aus Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama, in denen insgesamt 45 Millionen Menschen leben.


Privatkapital fördert Großprojekte

Seit Jahrzehnten hängt die Stromgewinnung dieser Länder von Staudämmen und anderen Kraftwerken ab, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Die meisten für den Bau dieser Megaprojekte erforderlichen Investitionen kommen von der Privatindustrie.

2014 hatten Wasserkraftwerke 45 Prozent des regionalen Strombedarfs gedeckt. Fossile Brennstoffe lieferten 36 Prozent der Elektrizität, wie Zahlen der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) belegen.

Eine Studie der auf multinationale Konzerne fokussierten lateinamerikanischen Beobachtungsstelle OMAL fand heraus, dass elf private Unternehmen - davon nur drei zentralamerikanische - 40 Prozent der zentralamerikanischen Stromproduktion kontrollieren. Die staatlichen Stromerzeuger sind mit 35,7 Prozent vertreten.

Der Anteil sauberer Energien am Strommix der Region variiert von Land zu Land. Während Costa Rica darauf hofft, bis zum Jahresende 97 Prozent seines Strombedarfs mit erneuerbaren Energieträgern decken zu können, stammt die Hälfte der in Nicaragua und Honduras erzeugten Elektrizität aus Kohle- und anderen Kraftwerken, die auf fossile Brennstoffe zurückgreifen.


Bild: © Diego Arguedas Ortiz/IPS

Das in den 1960er Jahren in Costa Rica entstandene Cachí-Wasserkraftwerk
Bild: © Diego Arguedas Ortiz/IPS

Panamas Abhängigkeit von diesen 'schmutzigen' Energieträgern ist zwischen 2000 und 2013 gestiegen, während El Salvador danach trachtet, seine reichlich vorhandenen Erdwärmereserven auszubeuten. Guatemala wiederum ist das Land am Isthmus, das am stärksten von Kohle abhängt.

Das Zwischenstaatliche Zentralamerikanische Integrationssystem (SICA) überwacht den regionalen Energiemarkt und agiert auf den internationalen Klimagipfeln als regionaler Unterhändler - zumindest theoretisch. In wichtigen Punkten entscheiden die Länder für sich selbst.

Auf einem Treffen im Juni in Antigua einigten sich die Regierungen der zentralamerikanischen Länder, Mexikos und Kolumbiens auf eine gemeinsame Position für den Klimagipfel im Dezember in Paris.

Die zentralamerikanischen Treibhausgasemissionen sind im internationalen Vergleich mit einem Anteil von 0,8 Prozent zwar verschwindend gering. Doch kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Anteil in Zukunft erhöht.

Alberto Mora, Hauptautor des regionalen Zustandsberichts, warnt zudem vor den negativen Folgen schmutziger Energieträger für die regionalen Volkswirtschaften. Zwischen 2000 und 2013 sind die Ausgaben für Erdöl von 3,5 auf 8,5 Prozent des regionalen Bruttoinlandsproduktes gestiegen.

Die Studie fand ferner heraus, dass Zentralamerika nur 15 Prozent seines Erdwärmepotenzials ausschöpft. Erdwärme gilt als die sauberste und stabilste Energiequelle. Allerdings ist sie häufig in Schutzgebieten zu finden.

Mora gibt zu bedenken, dass die Investitionen in die Infrastrukturen, die notwendig sind, um die tiefliegenden Energiereserven zu bergen, erheblich höher ausfallen als die zur Ausbeutung der Sonnen- und Windkraft. "Das sollte uns motivieren, unseren Energiemix zugunsten der erneuerbaren Energien zu diversifizieren."


Schritte in Richtung erneuerbarer Energien

Wie Sonia Wheelock, Klima- und Energieberaterin der niederländischen Entwicklungsorganisation 'Hivos' in Nicaragua berichtet, wurden in Zentralamerika durchaus Schritte in Richtung erneuerbarer Energien getan. "In den letzten 20 Jahren ist mit Blick auf die erneuerbaren Energien und vor allem auf die nicht-traditionellen Stromquellen viel passiert", versichert sie.

Erdwärme und Windkraft haben inzwischen einen Anteil am regionalen Energiemix von zwölf Prozent. Vor einer Dekade waren es noch acht Prozent gewesen. Diese Entwicklung trage dazu bei, die Kluft zwischen energiearmen Dörfern und elektrifizierten Städten zu schließen.

Allerdings befürchtet die Expertin, dass unter den derzeitigen Bedingungen und ohne einen Prioritätenwechsel keine größeren Fortschritte in dem Bereich erzielt werden.

In Abwesenheit eindeutiger politischer Strategien wird die Erzeugung von erneuerbaren Energien auf Gemeindeebene von der Zentralamerikanischen Allianz für Energienachhaltigkeit (ACCESE) gefördert.


Importunabhängigkeit und Rückgang der Energiearmut

"Erneuerbare Energien lösen das Problem der Abhängigkeit von Importen schmutziger Energieträger. Gleichzeitig wird Menschen, die keinen Zugang zu Strom haben, der Zugang zu Energie erschlossen", betont die ACCESE-Koordinatorin Melina Campos.

Somit hätten erneuerbare Energien sowohl eine ökologische als auch eine menschliche Dimension. "Hier zeigt sich, wie ich finde, der besondere Wert der erneuerbaren Energien." (Ende/IPS/kb/30.07.2015)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2015/07/america-central-desaprovecha-energia-del-sol-el-aire-y-la-tierra/
http://www.ipsnews.net/2015/07/central-america-fails-to-take-advantage-of-energy-from-sun-wind-and-earth/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 30. Juli 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2015

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