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ENTWICKLUNGSHILFE/097: Nepal - Waldpachtprogramme verschaffen Frauen eine Zukunft (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Juni 2013

Nepal: Waldpachtprogramme verschaffen Frauen eine Zukunft

von Naresh Newar


Bild: © Naresh Newar/IPS

Bäuerinnen übernehmen in Waldpachtprogrammen im ländlichen Nepal die Hauptrolle
Bild: © Naresh Newar/IPS

Jhirubas, Nepal, 26. Juni (IPS) - Fast 300 Kilometer von der nepalesischen Hauptstadt Katmandu entfernt, in einem kleinen Dorf, das sich tief in einen Steilhang im Gebirgsdistrikt Palpa eingegraben hat, verrichtet Dhanmaya Pata ihre Arbeit in der gleichen Weise wie ihre Vorfahren vor Hunderten von Jahren.

Die 38-Jährige gehört zu den 200 Einwohnern von Dharkesingh. Die Menschen in der Ortschaft mit ihren leuchtend roten Dächern auf den Lehmhütten leben von dem, was die sie umgebende Natur hervorbringt.

Dharkesingh hat sich dem Dorfentwicklungskomitee (VDC) von Jhirubas angeschlossen, dem entferntest gelegenen der auf 75 Distrikte verteilten 3.913 VDCs. Gemeinsam ist allen, dass sie unter Unterernährung, Ernährungsunsicherheit und Armut leiden.

Zudem fehlt es an einer grundlegenden Straßeninfrastruktur. Obendrein kommt es häufig vor, dass der Monsunregen ganze Transportwege einfach wegspült. Dann wird die Lebensmittelversorgung schwierig. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist unzureichend ernährt. Die nächste Wasserquelle liegt einen dreistündigen Fußmarsch entfernt.

Die Dorfbewohner machen sich über ihre Zukunft keine großen Illusionen. Sie wollen jedoch, dass es ihren Kindern einmal besser geht. Und dieser Wunsch scheint mit Hilfe eines flächendeckenden Waldpachtprogramms auch Wirklichkeit zu werden.


An der Instandsetzung der Natur verdienen

Weite Teile der Wälder, die 40 Prozent der nepalesischen Landesfläche bedecken, wurden bereits zerstört. Dieser ungeheure Verlust veranlasste die Regierung dazu, mit der Weltagrarorganisation FAO und dem Internationalen Fonds für ländliche Entwicklung (IFAD) ein Projekt zu starten, das die Regenerierung von Ödland zu einem Wirtschaftsfaktor macht.

2005 nahm das 12,7 Millionen US-Dollar teure 'Leasehold Forestry and Livestock Programme' (LFLP) Gestalt an, das ein Gebiet vom äußersten Osten bis zur Westgrenze begrünen soll. 28.000 Hektar Land werden von fast 6.000 Waldpachtgruppen aus 58.000 Haushalten verwaltet.

Vier Jahre später startete die Regierung in Jhirubas und vier weiteren Distrikten Pilotprojekte, die von der Waldbehörde DoF betreut, von der FAO technisch unterstützt und von der IFAD finanziell gefördert werden.

Dort haben die Einwohner verödete Waldgebiete in die größte Gräserplantage des Landes umgewandelt. Vor Ort als 'amresu' bekannt, bedeckt das Grasland inzwischen 246 Hektar der 350 Hektar großen Region. Die Pflanzen brauchen wenig Wasser. Sie wachsen zudem auf steilen Abhängen und beugen Steinschlägen und Bodenerosion vor.

Indem die Dorfbewohner aus den Grasblüten traditionelle Besen herstellen, die dann an einen lokalen Händler verkauft werden, können sie genügend Nahrungsmittelvorräte anlegen, um die Monsunmonate zu überstehen.

"In den letzten zwölf Monaten haben wir um die 3,5 Millionen Rupien (rund 37.000 US-Dollar) verdient, und die Einnahmen wachsen von Jahr zu Jahr", freut sich Navindra Thapa Magar, ein örtlicher Bauer und Vorsteher der Waldpachtkooperative von Kauledanda, einem Dorf der VDC von Jhirubas.

Jeder einzelne der 246 Haushalte des Weilers hat im letzten Jahr 150 Dollar verdient - ein Rettungsanker in den neun Monaten, in denen die Monsunregen die Produktion von Mais, Weizen, Kartoffeln, Hirse und grünem Gemüse unterbinden. Die Gräser sind auch als Futter für das Vieh geeignet und aus den Stielen lässt sich Treibstoff gewinnen.

Als Zielgruppen hatten die Projektpartner Haushalte ausgewählt, denen weniger als 80 Dollar im Jahr zur Verfügung standen. Jeder beteiligten Familie wurde ein Hektar Land bereitgestellt, für den sie 40 Jahre lang keine Pacht zahlen muss.

DoF und FAO bereiteten die Bauern auf ihre künftigen Aufgaben vor. Sie brachten sie von der schädlichen Brandrodung ab und vermittelten ihnen nachhaltige Agroforsttechniken wie Fruchtwechsel und Baumbewirtschaftung.


Großes Interesse der Frauen

Was die Projektvertreter nicht erwartet hatten, war die große Beteiligung der Frauen. Die Emigration der Männer aus Jhirubas in den letzten Jahrzehnten zwingt die Frauen in die Doppelrolle der Hausfrauen und Familienversorgerinnen.

Kaum sei das Projekt bis nach Kaule vorgedrungen, hätten die Frauen die Gelegenheit ergriffen, sich am Aufbau der Grasplantage zu beteiligen, berichtet Daman Singh Thapa, Vorsitzender der lokalen Waldpachtkooperative. Sie hätten viele Stunden investiert, um die Steilhänge zu begrünen. Und dem DoF-Sprecher Govinda Prasad Kafley zufolge gibt es inzwischen viele gut ausgebildete Frauen, die gemeinsam mit den Männern die Entscheidungen treffen.

Die FAO-Experten betonen ferner, dass mit den projektbezogenen Einkommen Wasseranschlüsse gelegt werden konnten. Somit müssten Frauen nicht länger kilometerweite Wege auf der Suche nach Wasser zurücklegen.

Die Arbeit auf den Grasplantagen ist beschwerlich, wie die 40-jährige Bom Bahadur Thapa berichtet. Die Grasblüten für die Besen würden per Hand gerupft. "Hoffen wir, dass weniger Männer abwandern und sich an dem Projekt beteiligen."

Tatsächlich hat sich der Erfolg des Projektes herumgesprochen und einige Wanderarbeiter veranlasst, nach Hause zurückzukehren. Um die Arbeit für die Betroffenen erträglicher zu machen, sind einzelne Familien dazu übergegangen, Gelder für den Kauf eines Traktors zusammenzulegen.

"Da die Graslandschaft ausreichend Viehfutter abwirft, hat sich die Zahl der Ziegen pro Familie auf durchschnittlich zwölf vervierfacht", berichtet Hasti Maya Bayambu von der Pachtwaldgruppe von Dharkesingh. Die Dorfbewohner denken bereits darüber nach, ob sie nicht einen Teil des überschüssigen Heus verkaufen sollen.


Benachteiligte Gruppen ziehen nach

Der Erfolg der Grasplantagen hat auch andere Gemeinschaften wie die traditionell marginalisierten indigenen Janjati und Dalit dazu veranlasst, auf nachhaltige Projekte umzusteigen. Auf der Grundlage von Agro-Forst-Techniken pflanzen sie Kardamom und Ingwer, wie der Forstbeamte des Distrikts Palpa, Suresh Singh, berichtet.

Trotz aller Erfolge steht die Regierung vor einer neuen Herausforderung: Ende des Jahres läuft die Projektförderung durch die FAO und den IFAD aus. Dann werden die Bauern nicht länger in den Genuss von kostenlosem Saatgut kommen. Ebenso wenig wird man ihnen dann bei der Umsetzung von Sparplänen und der Vermarktung ihrer Produkte helfen, die so wichtig sind für das Funktionieren der Mikrowirtschaft, die um das Programm herum entstanden ist.

Wie Narayan Bhattarai, der für das Pilotprojekt zuständige Regierungsbeamte, unterstreicht, sind die Bauern vor Ort auf Kooperationspartner angewiesen, die nicht nur die Reisen für Beamte und Geber arrangieren, sondern auch für Vertrauen in das Projekt werben.

Sind die Bauern auf sich selbst gestellt, werden sie mindestens fünf Jahre brauchen, um wirtschaftlich unabhängig zu werden. Sollten die Geber ihre Hilfen nicht aufstocken, hängt eines der erfolgreichsten Entwicklungsprogramme Nepals in der Luft. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.lflp.gov.np/
http://www.ipsnews.net/2013/06/leasehold-forestry-brings-a-new-lease-on-life/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2013