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FORSCHUNG/803: Staatsverschuldung - Schuldenschnitt senkt Risiko von Folgeumschuldungen erheblich (idw)


Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) - 21.05.2015

ZEW-Studie zur Staatsverschuldung: Schuldenschnitt senkt Risiko von Folgeumschuldungen erheblich


Ein klarer Schuldenschnitt für hoch verschuldete Staaten kann deren Willen zu unbedingt notwendigen Reformen bremsen oder sogar ganz zum Erliegen bringen. Allerdings birgt ein Schuldenschnitt nicht nur Gefahren, sondern hat auch positive Effekte. So reduziert er deutlich das Risiko von Folgeumschuldungen. Das zeigt eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.


Im Zuge der Staatsschuldenkrise in Europa werden immer wieder Rufe nach einer Umschuldung für Staaten wie etwa Griechenland laut, bei denen bezweifelt werden muss, dass sie ihren Schuldenberg jemals aus eigener Kraft werden tilgen können. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten, die Schuldenlast hoch verschuldeter Staaten zu reduzieren: zum einen den direkten Schuldenschnitt, also den Verzicht der Gläubiger auf einen beachtlichen Teil ihres in Anleihen dieser Staaten investierten Geldes; zum anderen die indirekte Entlastung verschuldeter Staaten durch die Verlängerung der Kreditlaufzeiten oder die Senkung der Kreditzinsen. Beide Varianten der Umschuldung führen zu einer Entlastung - allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Entlastung beim Schuldenschnitt sofort für die Anleger sichtbar ist.

Um herauszufinden, ob und wie sich die beiden Formen der Umschuldung auf die Wahrscheinlichkeit von Folgeumschuldungen bei überschuldeten Staaten auswirken, haben die ZEW-Wissenschaftler die Historie aller Umschuldungen souveräner Staaten zwischen 1970 und 2010 betrachtet. Dabei wird deutlich, dass Umschuldungsserien kein außergewöhnliches Phänomen sondern für viele Länder die Regel sind: 41 Prozent aller untersuchten Umschuldungsverfahren ziehen in den folgenden drei Jahren eine weitere Umschuldung nach sich.

Bei der ZEW-Untersuchung der Umschuldungsverfahren zeigte sich, dass die direkte Reduktion des Nennwerts der Schulden durch einen unverblümten Schuldenschnitt die Wahrscheinlichkeit für eine Nachfolgeumschuldung ungefähr doppelt so stark mindert, wie eine identische Reduktion des Gegenwartwerts der Schulden durch die Gewährung niedrigerer Zinsen oder längerer Laufzeiten. Warum der direkte Schuldenschnitt das Risiko für Nachfolgeumschuldungen halbiert, erklärt ZEW-Wissenschaftler und Autor der Studie, Christoph Schröder: "Eine Herabsetzung der Verzinsung von Staatsanleihen und insbesondere eine Verlängerung ihrer Laufzeit kann akute Liquiditätsprobleme hochverschuldeter Staaten kurzfristig lösen, allerdings bleibt die absolute Höhe des Schuldenstands gleich. Dagegen führt die Reduktion des Nennwerts der Staatsschuld eines Landes zu einer für die Marktteilnehmer direkt sichtbaren langfristigen Entlastung, was die Schuldentragfähigkeit des Landes wiederherzustellen hilft."

Ratingagenturen beispielsweise berücksichtigen den Schuldenstand. Sinkt dieser relativ zum Bruttoinlandsprodukt durch einen Schuldenschnitt, könnte sich das Rating eines Landes wieder verbessern. Außerdem verringert eine Nennwertreduktion auch die fälligen Zinsen, was den Staatshaushalt beim Schuldendienst entlastet.

Neben der Art des Schuldenschnitts ist auch die Höhe der Umschuldung mitentscheidend dafür, ob es weitere Umschuldungen in den Folgejahren gibt. Je höher die Entlastung durch die erste Umschuldung ausfällt, desto niedriger ist die Wahrscheinlichkeit weiterer Umschuldungen in der Zukunft.

Die vollständige Studie in englischer Sprache finden Sie unter:
http://www.zew.de/de/publikationen/7760

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution857

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW), Gunter Grittmann, 21.05.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2015

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