Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → WIRTSCHAFT


FORSCHUNG/881: Alle reden von Open-Space-Büro - was passiert da wirklich? (idw)


ISF München - Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. - 08.06.2017

Alle reden von Open-Space-Büro - was passiert da wirklich? Eine Trendanalyse des Projekts PRÄGEWELT


Wenn es heute um Reorganisation des Büros geht, fällt sofort das Zauberwort "Open Space". Es ruft ausstrahlungskräftige Bilder wach, wie sie die Trendsetter der New Economy verbreiten: agile Menschen in offenen Räumen, in der Cafeteria, auf Reisen - nicht (nur) am Schreibtisch. Ist das die Zukunft der Büroarbeit? Was bedeutet Open Space für die Büro-Wirklichkeit 'normaler' Unternehmen in Deutschland - und für die Menschen, die dort arbeiten? Solchen Fragen geht das Forschungsprojekt PRÄGEWELT nach. Als ersten Schritt hat es eine Trendanalyse vorgelegt, die auf 18 Betriebsfallstudien, überbetrieblichen Workshops und einer Online-Befragung beruht.


Die Bürowelt ist im Umbruch, und die Richtung ist eindeutig. Wenn Betriebe heute ihre Büros räumlich und arbeitsorganisatorisch verändern, kommt in der überwiegenden Zahl der Fälle "Open Space" heraus. Dieser Trend ist ein erstes Ergebnis der Trendanalyse des Forschungs- und Gestaltungsprojekts PRÄGEWELT. Doch was das im Einzelnen bedeutet, ist weit weniger eindeutig. So bleibt in den meisten Fällen der individuelle Arbeitsplatz erhalten - Desk Sharing ist wenig populär, dagegen partielles Arbeiten von zu Hause aus (Home Office) relativ häufig.

PRÄGEWELT hat vielfältige Gründe für diesen Trend herausgearbeitet. Ein Ergebnis der Trendanalyse ist, dass viele hochfliegende Ziele mit dem Open-Space-Büro verbunden sind: bessere Kommunikation, größere Attraktivität, mehr Flexibilität - dass am Anfang jedoch meist die schlichte Notwendigkeit steht. Es muss auf jeden Fall etwas getan werden, weil Raummangel oder Renovierungsbedarf besteht oder der Mietvertrag ausläuft. Meist gibt es mehrere Gründe für die Entscheidung für Open Space, am weitesten verbreitet sind aber ökonomische Motive: mehr Flächenproduktivität.

Und auch die Erwartungen und die Erfahrungen der Beschäftigten sind vielfältig, im Guten wie im Schlechten. Das neue Büro wird als transparenter und moderner empfunden, aber auch als belastend: laut, konzentrationsstörend, ohne Rückzugsmöglichkeit. Die Befragungsergebnisse zeigen, dass man sich mit dem neuen Konzept arrangiert - aber dass sowohl manche positiven als auch manche negativen Erwartungen sich, in abgeschwächter Form, bestätigen. Kurz: Open Space hat Vorteile und Nachteile, die sich beide nicht bloß darauf zurückführen lassen, dass diese räumliche und organisatorische Form noch ungewohnt ist.

PRÄGEWELT hat Hinweise darauf zusammengetragen, unter welchen Bedingungen die Umsetzung am ehesten erfolgreich verläuft. Zu den Erfolgsfaktoren zählen: Auch die Vorgesetzten machen mit (konsequente, glaubwürdige Haltung); Mitarbeitende und Führungskräfte werden in die Gestaltung einbezogen (Beteiligung); ein interdisziplinäres Projektteam verschafft sich die notwendige Expertise, so dass das Unternehmen weiß, was es tut (Kompetenz); und dieses Projektteam übernimmt die Steuerung des Prozesses und probiert das neue Konzept erst einmal in Piltobereichen aus (Steuerung).

Wie sich Open Space auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirkt, wird ein zentrales Forschungsfeld der nächsten Projektphasen von PRÄGEWELT sein. Denn bisher liegen dazu noch wenig gesicherte Erkenntnisse vor, und diese spielen bei der praktischen Umsetzung bislang kaum eine Rolle.

PRÄGEWELT erarbeitet derzeit ein interdisziplinäres Analysemodell, das sowohl die räumlichen als auch die arbeitsorganisatorischen, sozialen und gesundheitlichen Dimensionen von Open Space erfassen soll. Mithilfe dieses Modells wird in Intensivfallstudien untersucht, was Open Space für die Beschäftigten und ihre Arbeits- und Lebenswirklichkeit bedeutet. Das Projekt bleibt nicht bei der Erweiterung des Wissens über neue Büroformen stehen, sondern entwickelt, erprobt und evaluiert auch konkrete Gestaltungsansätze in diesen Unternehmen.

PRÄGEWELT wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Programm "Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen" gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) betreut. In PRÄGEWELT arbeiten zwei Wissenschaftspartner und zwei Praxispartner zusammen. Das Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF München) und die Arbeitsgruppe Wirtschaftspsychologie am Institut für Psychologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sind die Wissenschaftspartner, AECOM Deutschland GmbH und RBS Projektmanagement GmbH (beide München) sind die Praxispartner. Das Projekt läuft seit 1. Januar 2016 und bis zum 30. April 2019.


Weitere Informationen unter:

http://www.praegewelt.de
- Projekt-Homepage

http://www.praegewelt.de/wp-content/uploads/Trendanalyse_Pr%C3%A4GeWelt_final-1.pdf
- Die Trendanalyse als Open-Access-Dokument

http://www.isf-muenchen.de
- Das ISF München

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution741

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
ISF München - Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V.,
Frank Seiß, 08.06.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang