Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → WIRTSCHAFT


FRAGEN/029: Verantwortungsbewusste Bodenmarktpolitik (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 406 - Januar 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Verantwortungsbewusste Bodenmarktpolitik Fragen an Jobst Jungehülsing, Referatsleiter im Bundeslandwirtschaftsministerium

Interview von Christine Weißenberg


Unabhängige Bauernstimme: Der Bodenmarkt läuft für die Bäuerinnen und Bauern zunehmend aus dem Ruder, weil die Preise für Kauf und Pacht auf Niveaus steigen, die nicht mehr zu erwirtschaften sind. Der Einfluss von außerlandwirtschaftlichem Kapital, Anlageverhalten, Spekulation und Investoren nimmt, insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern, zu. Welche politischen Handlungsfelder bestehen auf welchen Ebenen?

Jobst Jungehülsing: In der Tat behindert die Entwicklung auf dem Bodenmarkt zunehmend aktive Landwirte bei der Sicherung ihrer Pachtflächen oder bei Erweiterungen. Aus dem Grund hatte die Agrarministerkonferenz eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die 2015 Vorschläge zur Verbesserung der Situation vorgelegt hat. Die wesentlichen Handlungsfelder für die Länder nach dem Bericht sind: Verbesserung der Transparenz auf dem Bodenmarkt; besserer Vollzug des Bodenrechts im Hinblick auf den Vorrang von Landwirten und die Dämpfung spekulativer Tendenzen; Schließung von Regulierungslücken. Hinzu kommen flankierende Maßnahmen, zum Teil auch auf Bundesebene, bei der Grunderwerbsteuer, der Privatisierung von BVVG-Flächen und der Reduzierung der Flächenverluste.

Die Bundesregierung hat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion festgestellt, dass häufig zu große Flächenlosgrößen oder Gesellschaftsanteile auf dem Markt sind, um von Landwirten übernommen werden zu können. Welche Möglichkeiten gibt es, auch in Bezug auf den konkreten aktuellen Fall der KTG-Insolvenz, bei den stattfindenden Eigentumsübertragungen von Land - direkt oder über Anteilsübernahmen - für Entflechtung zu sorgen, sodass Landwirte realistischen Zugang bekommen?

Bei der Insolvenz der KTG Agrar haben wir gelernt, dass die Flächen nicht zum besseren Landwirt, sondern zum nächsten Investor gelangt sind, zum Beispiel zu einer Versicherung in München und einer Stiftung in Liechtenstein. Das kann nur verhindert werden, wenn die Empfehlung der oben erwähnten Arbeitsgruppe umgesetzt wird, Anteilskäufe in die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz und dem Landpachtverkehrsgesetz einzubeziehen. Würde der Verkauf an Nichtlandwirte dann versagt, verfügten die Landgesellschaften über ein Instrumentarium, um die Flächen regional verankerten Betriebe anzubieten.

In Brandenburg wurde gerade rückwirkend das Landwirteprivileg durchgesetzt für einen Landverkauf von KTG-Flächen an eine Tochtergesellschaft mit direkt anschließendem Verkauf der Gesellschaft - aber die Landpreise der internen Verkäufe kombiniert mit dem Investorkapital eines Versicherungsunternehmens sind sehr hoch. Welche Möglichkeiten sind denkbar, statt der derzeit einzigen Möglichkeit für Landwirte, zu bestehenden Vertragsbedingungen einzusteigen?

In Brandenburg wurden in einer komplizierten Transaktion von der KTG Agrar 2.263 ha Agrarflächen am Grundstücksverkehrsgesetz vorbei an eine Versicherung veräußert. Die zuständigen Behörden prüfen, ob es sich dabei um eine bewusste Täuschung der Behörden gehandelt hat. Je nachdem, wie dieses Verfahren endet, sollten Konsequenzen für die Novellierung des Bodenrechts gezogen werden: Es ist nicht akzeptabel, dass Landwirte beim Kauf von Einzelflächen vom Grundstücksverkehrsgesetz erfasst werden, Investoren, die über 2.000 ha am Stück erwerben, aber nicht.

Was müsste im allgemeinen Grundstücksverkehr passieren, um den Rechtsgedanken aufrechtzuerhalten, dass Landwirte vorrangig Zugang zu Land brauchen?

Viele Verbände haben dazu Vorschläge gemacht, davon hat die Arbeitsgruppe 26 zur Umsetzung vorgeschlagen. Nun sind die Länder am Zug, die Regulierungslücken zu schließen.

Gäbe es alternativ vorstellbare Möglichkeiten neben einer Preisbremse, ähnlich der Mietpreisbremse, dafür zu sorgen, dass Landpreise nicht die Kaufkraft der Landwirte übersteigen?

Die Preisbremse liegt nach der bisherigen Rechtsprechung bei 50 % über dem regionalen Vergleichspreis. Allerdings kann der Gesetzgeber diese Schwelle im Gesetz auch niedriger ansetzen. Baden-Württemberg hat das für einige Regionen mit besonderem Spekulationsdruck getan und gute Erfahrungen damit gemacht.

Gäbe es Möglichkeiten im Grundstücksverkehr, z. B. Losgrößen zu zerteilen oder auf ein Maximum zu begrenzen?

Das scheint mir an den Problemen vorbeizugehen. Der erwähnte Kauf von 2.263 ha durch einen Investor war als Anteilskauf nicht ins Bodenrecht einbezogen, da hätte auch eine Obergrenze nichts genützt.

Die Marktwertbestimmung der bundeseigenen, von der BVVG zu privatisierenden Flächen erfolgt hauptsächlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten - einschließlich Spekulation auf steigende Bodenwerte. Das steht nach momentanen Entwicklungen auf dem Bodenmarkt den bodenmarktpolitischen Zielen entgegen, wie sie in der Bund-Länder-AG formuliert und anerkannt wurden. Welche andere Marktwertbewertung wäre denkbar - z. B. entsprechend dem landwirtschaftlichen Nutzwert - und wie könnte das EU-konform umgesetzt werden?

Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur BVVG wurden von den zuständigen Ministerien, also dem BMF und dem BMEL, im Juli 2015 umgesetzt: Dies sind die Einbeziehung von Junglandwirten in die beschränkten Ausschreibungen, die Absenkung der Obergrenze der Losgrößen von 25 auf 15 ha und die Verlängerung des Privatisierungszeitraums von 2025 auf das Jahr 2030. Dies soll ein Beitrag zur Entspannung auf dem Bodenmarkt sein. Spekulativen Tendenzen können aber auch andere Verantwortliche entgegenwirken: Es sind auch Landwirte, die manchmal betriebswirtschaftlich nicht tragbare Preise bieten. Und die Kontrolle von Pacht- und Kaufverträgen einschließlich der BVVG-Verkäufe nach dem Bodenrecht liegt bei den Ländern.

Welche Möglichkeiten gäbe es bei der Ausgestaltung der Grundsätze zur Flächenveräußerung für die BVVG, um mehr Transparenz datenschutzkonform umzusetzen, z. B. die Veröffentlichung der höchsten drei Preisgebote? Oder auch inhaltliche, agrarpolitische Vergabekriterien?

Die mit den ostdeutschen Ländern 2010 beschlossenen Privatisierungsgrundsätze für die BVVG enthalten eine ganze Reihe von Vorgaben zur Transparenz und zur Agrarstruktur, beispielsweise die beschränkten Ausschreibungen für arbeitsintensive Betriebe, für Ökobetriebe oder für Junglandwirte.

Vielen Dank für das Gespräch!

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 406 - Januar 2017, S. 6
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/490 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,45 Euro
Abonnementpreis: 41,40 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang