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INTERNATIONAL/051: Afrika - Ärmste Länder haben von kommendem WTO-Ministertreffen wenig zu erwarten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Oktober 2011

Afrika: Ärmste Länder haben von kommendem WTO-Ministertreffen wenig zu erwarten

von Ravi Kanth Devarakonda


Genf, 10. Oktober (IPS) - Den ärmsten Ländern Afrikas ist in den Doha-Handelsgesprächen viel versprochen worden. Doch bis heute warten sie vergebens auf den Zugang ihrer Erzeugnisse zu den Märkten der reichen Staaten. Afrikanische Handelsdiplomaten befürchten, dass auch das achte Ministertreffen der Welthandelsorganisation (WTO) daran nichts ändern wird.

Fast sechs Jahre sind seit dem Ministertreffen der Welthandelsorganisation (WTO) in Hongkong vergangen, als den im globalen Handelssystem schwächsten Nationen der Welt ein zoll- und quotenfreier Marktzugang zugesichert wurde. Die meisten LDCs liegen in Afrika.

Darüber hinaus wurde den vier ärmsten Baumwollproduzenten Westafrikas - Benin, Burkina Faso, Mali und Tschad - die Abschaffung der handelsverzerrenden Baumwollsubventionen zugesagt, wie sie vor allem US-amerikanische Bauern genießen. Auch wurden den LDCs Ausnahmeregelungen bei der Liberalisierung von Dienstleistungen in Aussicht gestellt.

Diese Zusagen sind detailreich im Doha-Mandat und insbesondere in der Hongkonger Ministererklärung von 2005 formuliert. Sie wurden in den letzten Jahren stets wiederholt und erwiesen sich bisher als reine Lippenbekenntnisse. Nun steht zu befürchten, dass die Sonderkonditionen für die Ärmsten der Armen auf der achten Ministerkonferenz (MC8) im Dezember erst gar nicht zur Debatte stehen.

Die Doha-Runde läuft bereits seit 2001 und zielt auf den Abbau der internationalen Handelsschranken und somit auf einen Anstieg des Welthandels ab.


Keine Fortschritte erwartet

"Wir können davon ausgehen, dass afrikanische Länder auf der MC8 erneut hängen gelassen werden", meinte ein afrikanischer Diplomat, der sich Anonymität ausbat. "Denn die für die LDCs wichtigsten Fragen - zoll- und quotenfreier Zugang zu den Märkten des Nordens, die Abschaffung der Baumwollsubventionen und Sonderkonditionen im Rahmen der geplanten Liberalisierung von Dienstleistungen - werden nicht angesprochen."

Bangladesh, LDC-Koordinator bei der WTO, bleibt dennoch zuversichtlich. "Wir hoffen noch immer, dass unsere Prioritäten Einfluss auf das Ergebnis der Genfer WTO-Ministerkonferenz nehmen werden", sagte Botschafter Abdul Hannan.

Führende Entwicklungsländer wie Südafrika, Indien, Brasilien und China haben wiederholt darauf hingewiesen, dass es für die Glaubwürdigkeit der WTO wichtig sei, auf dem WTO-Ministertreffen in Genf den zoll- und quotenfreien Zugang zu den Märkten der reichen Staaten zu thematisieren. "Jeder Versuch, zu einem Ergebnis zu kommen, bleibt unglaubwürdig, solange man nicht mit den schwächsten Gliedern innerhalb des globalen Handelssystems anfängt", meinte der südafrikanische Handelsgesandte bei der WTO, Faizel Ismail.

"Die WTO-Mitglieder aus der Riege der Entwicklungsländer sind sich einig, dass die MC8 gerade den ärmsten Ländern signalisieren muss, dass trotz eines möglichen Scheiterns der Gespräche für sie etwas herumkommt", meinte Martin Khor, der Leiter des in Genf angesiedelten 'South Centre'. Die zwischenstaatliche Organisation von Entwicklungsländern war von dem ehemaligen tansanischen Präsidenten Julius Nyerere ins Leben gerufen worden.

Die Doha-Handelsgespräche sind vor allem deshalb festgefahren, weil sich USA und andere Industrieländer mit den aufstrebenden Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien und Südafrika nicht einigen können. Die USA verlangen, dass die führenden Entwicklungsländer aufgrund ihrer positiven Wirtschaftsentwicklung und ihrer Stellung im globalen Handelssystem umfangreiche Zugeständnisse machen sollten. Diese Forderung wird von den Ländern des Südens mit der Begründung abgelehnt, dass man bereits Marktzugang gewähre und im Rahmen der Doha-Entwicklungsagenda andere Verpflichtungen eingegangen sei.


LDCs zwischen den Fronten

Im Vorfeld der Ministerkonferenz vom 15. bis 17. Dezember haben die USA und andere Industriestaaten bereits mitgeteilt, dass sie den zoll- und quotenfreien Marktzugang für die LDCs nicht in Genf thematisieren werden. Ebenso wenig wollen sie Baumwollsubventionen thematisieren, die afrikanische Produzenten in den Ruin getrieben haben, solange sich nicht auch China und andere aufstrebende Staaten wie Brasilien, Indien und Südafrika zu ähnlichen Maßnahmen verpflichten.

Das LDC-Paket, vor allem mit Blick auf den zoll- und quotenfreien Marktzugang und die Baumwolle, klemmt", meinte der Botschafter der Dominikanischen Republik, Luis Manuel Piantini Munnigh, der den Vorsitz der informellen Gruppe der Entwicklungsländer innehat. "Es ist sehr bedauerlich, dass einige Industriestaaten insistieren, erst ihre eigene Marktzugangsfrage zu klären, bevor sie sich dem LDC-Paket widmen wollen."

Im Doha-Mandat, das durch das Rahmenabkommen von Juli 2004 und die Hongkonger Erklärung von 2005 weiter konkretisiert wurde, sind Zusagen für eine Marktöffnung seitens der Industriestaaten und eine Verringerung der Subventionen zugunsten der Entwicklungsländer explizit vorgesehen.

In der Hongkonger Erklärung von 2005 heißt es, dass "die Mitglieder der Industriestaaten und die Mitglieder der Entwicklungsländer bis 2008 in der Lage sein werden, den LDC-Produkten den zoll- und quotenfreien Zugang zu den Märkten der Industriestaaten zu verschaffen". Ferner heißt es, dass diejenigen Industriestaaten, die Schwierigkeiten haben, einen solchen freien Zugang zu gewähren, mindestens 97 Prozent aller Produkte aus den LDCs einen zoll- und quotenfreien Zugang bis 2008 zu ermöglichen haben.

Mit Ausnahme der USA haben sich alle anderen Industriestaaten mehr oder weniger an ihre Verpflichtung gehalten. Selbst Entwicklungsländer wie China, Indien und Brasilien gewähren mehr als 90 Prozent aller Importe aus den LDCs Zugang zu ihren Märkten.

Erwartet wird auf der MC8 eine "Handelsdürre" für die LDCs in Afrika und anderen Teilen der Welt, sollten die grundlegenden Forderungen im globalen Handelssystem nicht berücksichtigt werden. "Es wird jedoch immer deutlicher, dass es aufgrund des Widerstands einiger weniger Industriestaaten und insbesondere der USA immer schwieriger wird, sogar Minimalergebnisse durchzusetzen", kritisierte Khor. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2011